A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 18 der unendlichen Liste!

 


75.

 

El Mañana

 

Gorillaz

 

Demon Days
2005

Demon Days brachte für die Gorillaz nicht nur die nötige stilistische und inhaltliche Kohärenz für ein gelungenes Album nach dem durchwachsenen Debüt, sondern auch der Welt die ultimative Form des Melancholikers Damon Albarn. El Mañana ist die Manifestation dessen und als solches eine auf unnachahmliche Art unaufdringliche Darbietung, die die Brücke zwischen hellen und drückenden Klängen, aus melodischen Tendenzen und der abgehackten Elektronik mühelos schlägt und so zur Musik gewordenen Ambivalenz wird. Das an sich ist ein nachhaltig atmosphärisches Ganzes, der Kern ist jedoch Albarns Gesang, der die vollkommene Niedergeschlagenheit symbolisiert wie sonst wenig.

74.

 

Search And Destroy

 

Iggy & The Stooges

 

Raw Power
1973

Nichts fängt die Essenz der Stooges und von Rampensau Iggy Pop besser ein als die kompromisslos punkige Vorstellung, die unter dem Namen Search And Destroy das finale Album der Band eröffnet hat. Damals war man endgültig von althergebrachten Rock-Spielarten abgekommen und hatte sich zu etwas entwickelt, das den größten Namen des Punk und Hard Rock zum Vorbild werden sollte. So richtig zur Blüte gekommen ist das im Falle von Search And Destroy allerdings erst, als nicht der ursprüngliche, den Feinheiten des Gitarrenspiels zugewandte Mix David Bowies, sondern die dröhnend laute, jegliche Grenzen der Akustik ignorierende Version von Iggy höchstpersönlich 1997 Trommelfelle malträtieren durfte. Es ist ein einziges Rauschen, aber so und nicht anders gehört es!

73.

 

Dollar Bill Blues

 

Townes Van Zandt

 

A Far Cry From Dead
1999

Ursprünglich auf dem 1978 veröffentlichten Flyin' Shoes zu finden, sollte der Dollar Bill Blues erst Jahrzehnte später in einer abgespeckten Version zu hören sein, die wie kein zweiter Song aus Townes Van Zandts Feder die Essenz seines Schaffens einfängt. Trostlos und doch mit dem Hang zu romantischen, blumigen Zeilen, des Optimismus komplett beraubt, singt er sich mit erdiger, gezeichneter Stimme durch die vereinnahmende Melodie der Gitarre, zeichnet brutale und hoffnungslose Bilder zwischen Mord, Glücksspiel und Alkohol. Van Zandt at his finest, auf einem Hoch in allen Belangen.

72.

 

Heart And Soul

 

Joy Division

 

Closer
1980

Irgendwann werden mir die Möglichkeiten ausgehen, die erschreckende Aura von Closer und seinen effektivsten Songs ausreichend zu beschreiben. Womöglich schon bei Heart And Soul, dessen unbarmherziger Antrieb durch Drums und Bass zusammen mit den spröden, farblosen Riffs der zur Abwechslung von Ian Curtis selbst eingespielten Gitarre eine kaum fassbare, erdrückend schwere Wirkung entfaltet. Natürlich in gewohnter Manier verstärkt durch Curtis' unvergleichlichen Gesang, der jedoch gerade in dieser düsteren Szenerie sanfter klingt als gewohnt und den Kampf zwischen Emotionen, dem Gewissen und der Logik fast klinisch aufarbeitet.

71.

 

Trapped Under Ice

 

Metallica

 

Ride The Lightning
1984

Auch wenn Metallica in ihrer Hochphase verdammt gut darin waren, komplexe Metal-Epen auf acht und mehr Minuten auszudehnen und darin Tempo- und Stimmungsbrüche in erstklassiger Art und Weise zu verarbeiten, konnte das Quartett auch ganz anders. Und die direkten, unbarmherzig in voller Härte dahingaloppierenden, fast punkigen Darbietungen waren im besten Fall genauso, wenn nicht noch zündender. Trapped Under Ice ist das Musterbeispiel dessen, bläst einen klanglich in aller Brutalität mit einem genialen Riff und Solo weg, während James Hetfield in der für damalige Tage üblichen, tonarmen Art seine Wut und Verzweiflung ins Mikro bellt.

70.

 

Into Dust

 

Mazzy Star

 

So Tonight That I Might See
1993

Hope Sandovals Stimme konnte einen im richtigen Moment verzaubern, hatte aber genauso die Fähigkeit, einen tiefste Emotionen spüren zu lassen. Into Dust schafft beides gleichermaßen, übt sich mit seiner dezenten Mischung aus akustischen Zupfern und dem Cello in einer selbst für die Dream-Pop-Spezialisten zurückhaltenden Darbietung und überlässt viel der beschlagenen Sängerin. Die beschwört zusammen mit der unterstützenden Musik eine fast endzeitliche Stimmung und morbid angehauchte Friedlichkeit herauf, der nicht zu entfliehen ist und die gewaltige Spuren hinterlässt.

69.

 

Comptine D'Un Autre Été: L'Après Midi

 

Yann Tiersen

 

Le Fabuleux D'Amélie Poulain
2001

Es ist eine der bekanntesten und trotz aller Einfachheit eine der schönsten Klavierdarbietungen der Welt, die Yann Tiersen mit Comptine D'Un Autre Été: L'Après Midi für seine erste Soundtrackarbeit geschaffen hat. Und während der Franzose insbesondere mit diesem kitschigen, kindlich-süßlichen Filmstoff im Schlepptau auch nicht vor romantischen Tendenzen gefeit ist, obsiegt vor allem hier sein Hang zum Minimalismus. Dementsprechend ist es eine unkomplizierte Komposition, gleichzeitig aber eine von solch einer grazilen und gefühlvollen Schönheit und Klarheit, dass man ihr nur verfallen kann.

68.

 

Could You Be Loved

 

Bob Marley & The Wailers

 

Uprising
1980

Kennt der Reggae eine bessere Hook, einen Refrain, der eher dazu befähigt ist, das Langzeitgedächtnis in alle Ewigkeit in Beschlag zu nehmen? Ich glaube nicht! Was Could You Be Loved ist, ist eigentlich die finale Annäherung Bob Marleys an die Popwelt, gleichzeitig aber auch im Hinblick auf die Historie des Jamaikaners seine letzte ganz große Zurschaustellung einer musikalischen Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht, bevor er wenig später verstorben ist. Noch einmal erlebt man die vollendete Harmonie der Wailers, der I-Three und von Marley selbst und die entspannte Lebensfreude aller Beteiligten.

67.

 

Tamacun

 

Rodrigo Y Gabriela

 

Rodrigo Y Gabriela
2006

Es ist allein schon faszinierend genug, dass es den beiden Mexikanern gelingt, derart viele unterschiedliche Kompositionen mit nicht viel mehr als zwei Akustikgitarren mit so viel Leben zu erfüllen. Nichts verkörpert die gesammelte Stärke des Duos besser als die Eröffnung ihres zweiten Albums, Tamacun. Von der überquellenden Dynamik und der flinken Griffe an den sechs Saiten kann man sich nicht nicht mitreißen lassen, dem hellen Klang des Latin/Rock-Hybriden und seiner unwiderstehlichen Melodie ist nicht anders beizukommen als durch eine Verneigung vor Rodrigo Sanchéz und Gabriela Quintero.

66.

 

Armonica

 

Ennio Morricone

 

C'Era Una Volta Il West
1968

Als ich bei Bernard Herrmanns legendärem Beitrag zum Duschmord in Psycho gezögert habe, diesen als den wohl größten filmmusikalischen Moment der Geschichte zu bezeichnen, hatte dies primär mit Italiens kürzlich verstorbener Ikone Ennio Morricone zu tun. Denn das Lied vom Tod wäre nie so überzeugend gespielt worden, hätte er nicht seine Finger im Spiel gehabt. Und die Mundharmonika hat durch ihn wohl ein immerwährendes Denkmal erhalten, als er sie in Armonica und damit verwandten Kompositionen einsam und allein, langgezogen die Szenerie bestimmen ließ. Das dadurch entstandene atmosphärische Maximum ist nahezu unerreicht, kann durch die beigemengten, rauen Riffs und die angespannten Streicher schon gar nicht mehr gesteigert, immerhin aber meisterhaft gehalten werden. Ein kompositorischer Triumph, makellos in Szene gesetzt.

65.

 

Karma Police

 

Radiohead

 

OK Computer
1997

Das von allen Seiten zum unumstößlichen Rock-Meisterwerk geadelte OK Computer war zwar zumindest mir hinsichtlich seines Ausnahmestatus unter Kritikern immer suspekt, hat aber immerhin einen Song bereitgehalten, der nahezu alles, was die Briten Zeit ihres Bestehens ausgezeichnet hat, vereint. Karma Police ist eine perfekte Symbiose von Atmosphäre und einem Hauch Dramatik, gezeichnet von Thom Yorkes eindringlich unbequemem Gesang und einer apokalyptischen Aura, gleichzeitig aber insbesondere dank seiner unverkennbaren Klaviermelodie elegant und fast schon pastoral angehaucht. Ein faszinierendes Gebilde, das auf so vielen Ebenen Eindruck hinterlässt.

64.

 

Lost In The Supermarket

 

The Clash

 

London Calling
1979

Kein Punk, kein Joe Strummer am Mikro, kein rebellisch-aggressiver Ton und dennoch einer, wenn nicht der unvergesslichste Song aus dem Clash-Kanon. Lost In The Supermarket schafft es, die humorvolle, teils autobiografische Kritik an der Konsumkultur und an der befremdlichen, unpersönlichen Moderne trotz des eigentlich desillusionierten Inhalts unterhaltsam und locker klingen zu lassen. Zu verdanken ist es Mick Jones, der sich als Sänger gleichermaßen unkompliziert und schnörkellos, mit sarkastischem Unterton und doch irgendwie melancholisch anhört, genauso aber Paul Simonon und dem großartigen Topper Headon, die an Bass und Drums für eine unschlagbare Rhythm Section sorgen.

63.

 

Tiny Voices

 

Bad Religion

 

Stranger Than Fiction
1994

Zeitlich eigentlich schon zu spät, nachdem die qualitativ größten Tage der Band zur Mitte der 90er schon hinter ihr lagen, hat es auf dem erfolgreichsten Album dennoch für einen der eindringlichsten, kraftvollsten und durchschlagendsten Auftritte gereicht, der den Kaliforniern überhaupt gelungen ist. Tiny Voices ist aus Sicht der klanglich so oft uniformen Punker ein im besten Sinne tugendhafter Song, marschiert ohne Unterlass mit herrlichem Riff dahin, definiert quasi melodischen Punk und kann sich so nebenbei einiger der stärksten von Greg Graffins verkopften Zeilen rühmen, wenn er sein eigenes und das gesamtgesellschaftliche Gewissen und die uns verfolgenden Geister der Vergangenheit besingt. Es ist ein quintessenzieller Bad-Religion-Song und das ist Adelung genug.

62.

 

When The Levee Breaks

 

Led Zeppelin

 

Untitled
1971

Led Zeppelin ist es in ihren glänzendsten Momenten gelungen, Dinge zu kreieren, die wie eine Blaupause für ein ganzes Genre klingen konnten, auf dass man denkt "Ja, so muss das klingen!" When The Levee Breaks ist in dem Sinne nichts anderes, verkörpert die schwerfällig-wuchtige Ausformung des Blues Rock wie wenig sonst. Vielleicht liegt das daran, dass es nicht ursprünglich den Köpfen der Briten entspringt, sondern bereits Ende der 20er geschaffen wurde. Zu seiner ultimativen Form haben ihm aber dann doch der markante, trottende Beat von John Bonham, das hypnotische, langanhaltend stete Zusammenspiel von John Paul Jones und Jimmy Page mit deren denkwürdigen Riffs und Robert Plants ausdrucksstarker Gesang. All das summiert sich zu einem staubtrockenen, perfekt erdigen Auftritt, der dennoch stimmungsvoll und nicht zuletzt wegen seiner Länge auch von einer epischen Größe ist.

61.

 

Cities

 

Talking Heads

 

Fear Of Music
1979

Nie haben sich bei den Talking Heads alt und neu, die manisch-chaotisch wirkende, rohe Punk-Ader des Debüts und die erst später überhandnehmende Experimentierfreude und Soundvielfalt, so gut vertragen und zu etwas so Unwiderstehlichem geführt wie auf Fear Of Music. Immer noch mit einem Energieüberschuss und latentem, verschroben irrem Eigenwillen ausgestattet, war die klangliche Verfeinerung unter Mithilfe von Brian Eno so weit fortgeschritten, dass jeder Ton perfekt in Szene und zum nächsten in Verhältnis gesetzt wurde. Beides zusammen ergab unschlagbare Songs, die in ihrer Kombination punkiger Schlagkraft, post-punkiger Elektronik und einer gehörigen Portion Funk jeden einfangen und auch beinahe jeden zum Tanzen zwingen, der damit in Berührung kommt. Cities ist einer davon, mit der beste, mit Tina Weymouths exorbitant starkem Bass gesegnet, vom knochigen Riff und einer großartigen Keyboard-Melodie geziert, vom dumpf-wuchtigen Drumbeat auf Trab gehalten. Und selbstverständlich mit einem in seinen eigenen Hirnwindungen und der Gesellschaft verlorenen, ein bisschen am Irrsinn anstreifenden David Byrne.

60.

 

Angels With Dirty Faces

 

Sum 41

 

Chuck
2004

Dem wenig glanzvollen Namen und dem noch weniger glanzvollen Pop-Punk-Ursprung zum Trotz waren Sum 41 zur Mitte der 00er-Jahre kurzzeitig auf einem Härte-Hoch, das sie nicht nur zu verlässlichen Riff-Lieferanten gemacht hat, die mit ihren Soundwänden alles niederreißen wollen, sondern dank Deryck Whibleys offenbar immer irgendwie gequälten Daseins auch beklemmend authentische und wirksame Depressionsschübe hervorgebracht hat. Angels With Dirty Faces ist das in Reinkultur, baut Stimmung nur kurz durch karge Ruhe auf und findet danach zu einem gehetzten, von Aggression und selbstzerstörerischer Verzweiflung geprägten Punk-Ausbruch, der bis zu seinem abrupten Ende nur bei höchster Intensität bleibt. Ein fast schon bedrückender Auftritt, weil eben gerade so alternativlos wütend.

59.

 

Lover, You Should've Come Over

 

Jeff Buckley

 

Grace
1994

Jeff Buckley war ein nur kurz aufleuchtender Stern unter den Singer-Songwritern der 90er, hat in wenigen Jahren und mit nur einem zu Lebzeiten veröffentlichten Album aber genug geschaffen, um sich einen großen Namen zu machen. Wie kaum einer sonst konnte der US-Amerikaner mit dem Hang zum bluesig-folkigen Rock wehmütige Sehnsucht in Songs gießen, auf dass jeder beim Anhören nichts anderes als das zu spüren bekommt. Lover, You Should've Come Over tut genau das, ist ganz abgesehen von seiner dezenten und doch mitreißenden musikalischen Machart vor allem ein Mahnmal der unfassbaren stimmlichen Stärke Buckleys, die eine emotionale Tiefe erreicht hat, die ihresgleichen sucht.

58.

 

Heart-Shaped Box

 

Nirvana

 

In Utero
1993

In Utero, dieser in Albumform gegossene, gesteuerte Wahnsinn von und rund um Kurt Cobain, ist als Gesamtpaket ein unvergessliches Erlebnis, dessen überbordende Distortion, erratische musikalische und stimmliche Ausbrüche und textliche Direktheit einem kaum nicht anhaften kann. Das Flaggschiff einer beachtlichen Riege an Songs ist dabei Leadsingle Heart-Shaped Box, das vielleicht im Rückblick der Grungesong aller Grungesongs ist und die schmerzhaft offene emotionale Getriebenheit allein im lauten Exzess des Refrains klanglich unschlagbar verkörpert. Die Strophen sind um nichts schlechter, komplettieren etwas, das zwar selbstverständlich auch ein musikalisches Erlebnis ist, insbesondere aber als gleichermaßen diffuses wie direktes emotionales Testament Cobains bestehen bleibt.

57.

 

Chop Suey!

 

System Of A Down

 

Toxicity
2001

Atmosphärisch bis zum Abwinken, dabei musikalisch in einem ständigen, getriebenen Hin und Her zwischen melancholischer, fast eleganter Ruhe und lautstarker Entladung aller aufgestauten Wut, dabei textlich prägnant und provokant, das ist Chop Suey! alles in höchstem Maße. Und eigentlich ist es damit auch die verdichtete Form von System Of A Down als Ganzes, deren klangliche Eigenwilligkeit mitunter den Wahnsinn in musikalische Form gegossen hat. Die Leadsingle ihrer wichtigsten LP kann dabei genauso sehr auf den allseits verlässlichen Daron Malakian und seine wuchtigen Stakkato-Riffs bauen wie auf einen Serj Tankian, der im Vollbesitz seiner reichhaltigen stimmlichen Kräfte ist und so von groteskem, aggressivem Rap zu inbrünstigem Geschrei zu wehmütig sanftem Gesang springt und damit die vielschichtigen Gefühle beim Blick auf die traurigen Schicksale derer, die von der Gesellschaft verurteilt und verdammt werden.

56.

 

Enter Sandman

 

Metallica

 

Metallica
1991

Zwar könnte man meinen, von seiner zeitweiligen Omnipräsenz, seinem kommerziellen und popmusikalischen Status wäre ein Song wie Enter Sandman schon längst erdrückt worden. Tatsächlich ist die durchdringende Wirkung der Leadsingle des Black Album aber heute um nichts kleiner als damals. Zu stilsicher die Eröffnung mit dem kristallklaren, störungsfreien Gitarrenintro, zu makellos die Kombination aus dem darauffolgenden, sich schwergewichtig und unbeirrt gleichförmig dahinwälzenden Main Riff und den explosiv wuchtigen Drums, zu überzeugend auch die damals recht neue stimmliche Sicherheit von James Hetfield. Es mag der Abschied von der rohen Emotionalität der 80er gewesen sein, gleichzeitig war es der Anbruch und gleichzeitige Höhepunkt eines endlos epischen, weil perfekt intonierten Heavy Metal, der sein Heil in einer unschlagbaren Einfachheit findet.

55.

 

Ballad Of Hollis Brown

 

Bob Dylan

 

The Times They Are A-Changin'
1964

Fast schon langatmig könnte man sie nennen, die Erzählung von Hollis Brown. Gerade die langen, ewiggleichen fünf Minuten von Bob Dylans Blick auf den ratlosen Farmer, der im Angesicht von Armut und Familie keinen Ausweg mehr als den Tod findet, machen Ballad Of Hollis Brown jedoch zu der wirkmächtigen Erzählung, die sie ist. Nichts könnte die triste Gleichförmigkeit eines Alltags ohne Glück, ohne Freude, ohne Hoffnung besser symbolisieren als der akustische Trott des Songs, in dem sich dennoch die angespannte Dramatik widerspiegelt, die letztlich im tödlichen Ende kulminiert. Es ist eine der großen Hinterlassenschaften des frühen Dylan, brutal ungeschönt in ihrer Lyrik und damit ein emotionaler Volltreffer.

54.

 

Moskau

 

Rammstein

 

Reise, Reise
2004

Der oftmals grenzwertige, gerade deswegen aber nicht selten an der Genialität anstreifende Humor von Rammstein kam nie so treffend zur Geltung wie in der Ode an die offenbar großartigste Stadt der Welt, die russische Hauptstadt Moskau. Tatsächlich als Geschenk an die große russische Fangemeinde der Band erdacht, wird aus der Metropole eine gealterte Prostituierte, der Till Lindemann verfallen ist und nicht widerstehen kann. Und wenn er so von ihr schwärmt, kann man ihm nicht wirklich widerstehen, auch wegen dieses nicht zu entrinnenden Refrains, den noch jede Stadionhymne der Band mitgebracht hat, und der einen nie mehr loslässt.

53.

 

House Of Wolves

 

My Chemical Romance

 

The Black Parade
2006

Auch das Dasein und Dahinscheiden als schlechter Mensch will geübt sein, insbesondere wenn man darüber musiziert. Das Gespann von My Chemical Romance hat selbiges für den Protagonisten ihrer dritten LP, "The Patient", mustergültig hinbekommen und ihm so für seinen Einzug in die Hölle bzw. in Erwartung eines vernichtenden postmortalen Urteils ein entsprechendes Ständchen gewidmet. Das aber netterweise ohne Theatralik, ohne Schmalz, ohne Reue, sondern stattdessen in gut geölt rockiger Manier mit leicht punkigem Unterboden. Auf dem bauen sich sowohl Ray Toros gewohnt knackige Gitarreneinlagen auf wie auch die voluminös schallernden Drums und Gerard Way, der in üblicher aufopfernder Manier nahezu bipolar zwischen den guten und schlechten Seiten seines Lebens schwankt.

52.

 

My Generation

 

The Who

 

My Generation
1965

Während so manche zu Stimmen ihrer Generation geadelt wurden, haben die meisten tunlichst davon Abstand genommen, ebenjene Generation direkt anzusprechen und zu besingen, auf dass nicht der Eindruck von Selbstüberschätzung entsteht. The Who haben sich aber schon am Debüt nicht lumpen lassen, LP wie wichtigsten Song gleichermaßen My Generation benannt und das Lied sogleich zu einer der größten Rockhymnen aller Zeiten geformt. Deren vor allem für damalige Verhältnisse freimütig hingerotzte und doch so stark intoniert klingende Ode an die Jugend und damit Ende der 60er an die Counter Culture gehört dabei zur illustren Runde jener Songs, die gleichermaßen unwiderstehlicher Gassenhauer und gewichtiges Statement sind.

51.

 

Marche Funèbre

 

Soap&Skin

 

Lovetune For Vacuum
2009

Ich habe ihr eigentlich bereits bescheinigt, im klavierfokussierten Minimalismus am ehesten voll zur Geltung zu kommen, muss das aber doch noch etwas relativieren. Denn die unbändige künstlerische Stärke der Anja Plaschg kennt ein zweites, zumindest ebenso imposantes Standbein, nämlich die eisige Kälte entrückter, manipulierter Klanglandschaften. Das im ersten Moment erschreckende Marche Funèbre, der Todesmarsch, ist genau ein solches Exemplar. Dem dumpf und gewichtig im Hintergrund pochenden Beat wird primär eine zerstückelte und unmelodisch abgehackt wieder zusammengebaute Streichercollage zur Seite gestellt. Beides zusammen transzendiert die Realität, landet in irgendeiner anderen Dimension, die dem Wesen des Songs nach eher gruselige Züge annimmt. Jedenfalls ist sie aber ein faszinierender Schauplatz, beängstigend und majestätisch zugleich.


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