A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 2 der unendlichen Liste!

 


475.

 

Washing Machine Heart

 

Mitski

 

Be The Cowboy
2018

Als eine der faszinierendsten und vielversprechendsten Pop-Damen, die das vergangene Jahrzehnt hervorgebracht hat, verdient sich Mitski ihren Platz hier eigentlich ganz unabhängig von einzelnen Songs aus ihrer Feder. Einer sticht trotzdem genug heraus, um auch ganz für sich gewürdigt zu werden. Mittendrin auf einem Album, das zwischen quasi-punkigem Rock, erfinderischem Pop, Indie-Charme und schimmernder Elektronik verdammt viel zu bieten hat, ist es ein Vertreter aus der letzten Kategorie, der am meisten begeistert. Weil die pochenden Synthesizer einen idealen Kontrast zu Mitskis seidenweicher Stimme bieten, weil ihre liebenssehnsüchtigen und doch irgendwie zerstörten Zeilen gleichermaßen humor- und gefühlvoll wirken und weil das Gespür für geschmeidige, ideal ausbalancierte Soundkulissen die Singer-Songwriterin hier auch nicht im Geringsten verlässt.

474.

 

Lie Detector

 

Dead Kennedys

 

Bedtime For Democracy
1986

Es war eigentlich ein verbitterter, von jeder Spur einer Finesse beraubte finale Vorstellung von Kaliforniens schrägen Punk-Koryphäen, die nach Rechtsstreitigkeiten und internen Turbulenzen ein maues Ende fanden. Weil aber die Finesse ohnehin nie sonderlich im Fokus war bei Jello Biafra und den Seinen, ist es insgesamt mäßig relevant, dass hier mehr denn je alles hingerotzt und unsauber wirkt. Die Monotonie macht es aber, dass die LP als Ganzes lahmt, sodass nur vereinzelte Momente strahlen. Allen voran Lie Detector, textlich eines der Prunkstücke der Band, das sich in rabiater Gangart der titelgebenden Maschine und dem damit verbundenen institutionalisierten Misstrauen dem kleinen Mann gegenüber widmet, sei es beim Vorstellungsgespräch oder vor Gericht.

473.

 

Stars (The Shack Version)

 

Skillet

 

The Shack: Music From And Inspired By The Original Motion Picture
2017

Es gibt so manch Song, dessen Bedeutung auf ganz persönlicher Ebene relevant genug ist, dass sie sogar kaschieren kann, dass einem zu diesem Lied wohl mehr negative als positive Eigenschaften einfallen. Dem entgehe nicht einmal ich und so schafft es mit Skillet eine Band hier herein, deren Wirken insgesamt höchst durchschnittlich ist. Wenigstens ist es da folgerichtig, dass ihr Auftritt in der Liste im für sie untypischen, akustischen Setting kommt, als Neubearbeitung einer eigentlich fast gänzlich synthetischen Schmalzballade, die zu ihrer ehrlichen Verteidigung in dieser Version weit geschmackssicherer klingt. Das geht soweit, dass die grundsätzlich höchst unterwältigende Gesangpaarung hier unerwartet stark harmoniert und für einen genuin gefühlsstarken Moment sorgt, den die Band so wohl nie wieder annähernd hinbekommen wird.

472.

 

Gitti

 

Voodoo Jürgens feat. Eva Billisich

 

Ansa Woar
2016

Ein sehr österreichisches Original ist er, der Voodoo Jürgens. So sehr sogar, dass er einem bei Zeiten gehörig auf den Wecker gehen kann damit. Geht die Rechnung allerdings auf, wird aus dem hyperaufgesetzten Altwiener-Schmäh in feinster Strizzi-Manier ein herrlich schrulliges, ein bissl jenseitiges Fest. Das kann wie im Falle von Gitti zum rustikalen Wirtshaus-G'stanzl mutieren, das gleichzeitig als selbstbewusst tiafer Dialog zwischen Eva Billisich und "Busenfreundin" Voodoo über das aktuelle Mannsbild der Wahl im besten Sinne daneben und kaputt wirkt. Ein bisschen, als würde man die legendären "Alltagsgeschichten" musikalisch aufbereitet bekommen. Und das kann ja wohl nichts Schlechtes sein.

471.

 

Sorry

 

Madonna

 

Confessions On A Dance Floor
2005

Es ist ein schwieriges und irgendwie fragwürdiges Kapitel in Madonnas Karriere, diese titelgerecht gänzlich dem Dancefloor verschriebene Wiederauferstehung ihrer Jugend, die sie zur Mitte der 00er-Jahre hingelegt hat. Immerhin sind dabei aber zwei absolute Karrierehöhepunkte herausgekommen. Von denen ist mit Sorry einer zwar ein reichlich konventioneller Disco-Dance-Track, gleichzeitig ist es aber auch ein unwiderstehlich exekutierter Ohrwurm, der noch dazu mit seiner upgedateten Elektronik und seiner kompromisslosen textlichen Abrechnung eher an ihre Hochphase in den späten 90ern als an die unbeschwert anstrengenden 80er erinnert. Das dazugehörige Video ist deswegen nicht weniger stumpf und daneben wie alle, die zu diesem Album erschienen sind. Aber man kann ja beim Anhören die Augen zumachen...

470.

 

Einzelhaft

 

Falco

 

Einzelhaft
1982

Das Debüt des einzig wahren Popstars, den dieses Land je hervorgebracht hat, ist aus diversen Gründen auch sein stärkster, souveränster Auftritt gewesen. Und dennoch fällt es schwer, von einzelnen Songs darauf so begeistert zu sein, dass sie im Rennen für diese Liste wären. Einer bekommt es trotzdem hin, auch wenn der Titeltrack und Closer definitiv einer der störrischsten Momente der LP ist. Gerade das macht es aber vielleicht aus, dass diesem abgehackten, unterkühlt elektronischen Auftritt, der sich der gesamtgesellschaftlichen Einsamkeit, dem Egozentrismus, der technologisierten Moderne widmet und damit auch in der Rückschau allzu aktuell ins Schwarze trifft. Zu einem Refrain für die Ewigkeit oder einer herausragenden Hook reicht es dabei zwar nicht, die atmosphärische Wirkung des Songs reicht aber, um diese relative Schwäche leicht auszubügeln.

469.

 

Why Go

 

Pearl Jam

 

Ten
1991

Die Hymnenschreiber unter den Grungehelden waren schon zu Zeiten ihres Debüts, damals im Jahre des schwimmenden Babys, auf einem Allzeithoch angelangt. Wohl auch, weil sich auf die ureigenen Stärken besonnen wurde und man stattdessen auf späteren Alben fast zur Pflicht gewordene musikalische Experimente gänzlich aussparte. Stattdessen zelebrierte man einen harten, antriebsstarken Sound, bei dem im besten Fall alles an seinem Platz war. Allen voran natürlich die Stimme des Grunge schlechthin, Eddie Vedder, der seine kratzige Stimme schon damals in jeder gewünschten, emotionsgeladenen Form im Angebot hatte, dazu aber auch einen Sound mit beineidenswertem Punch hinter sich wusste. So auch in Why Go, in dem die trockenen Drums auf massig Feedback an der Gitarre mitsamt wunderbar kreischendem Solo und dieser für Pearl Jam so typischen Mischung aus ungeschöntem Text und einem Refrain, der einen nicht loslässt.

468.

 

King Nothing

 

Metallica

 

Load
1996

In den Anfängen ihrer schwierigsten, weil doch irgendwie biedersten und übertrieben selbstsichersten Bandphase lebten Metallica davon, dass sich auf einem überladenen Album mittendrin ein Dreierpack an Songs versteckte, der in überwältigender Manier alle Vorzüge ihres neuen Sounds präsentierte. Denn der geschliffene, aber doch noch muskelbepackte und röhrende Hard Rock und Heavy Metal, dem sich die Band zugewandt hat, bietet die Gelegenheit für einige von James Hetfields kernigste Auftritte am Mikro, für drückend Schwere Gitarrenpaarläufe, die einen wie eine Dampfwalze niedermähen und Refrains der Extraklasse. King Nothing kann all das - auch weil es frappant an Enter Sandman erinnert - so gut, da darf man begeistert sein.

467.

 

They Don't Care About Us

 

Michael Jackson

 

HIStory: Past, Present And Future, Book I
1995

Wo wir schon bei übertriebener Selbstsicherheit sind, kann man sich doch auch gleich Michael Jackson in den 90ern widmen. Der war da genauso damit beschäftigt, die Standhaftigkeit seines eigenes musikalischen Monuments durch hemmungslose Übersteigerung, durch Kitsch und ungesund voluminöse Alben auszutesten. Und irgendwann war er dann, den ersten Misshandlungsvorwürfen und daraus folgenden Gerichtsterminen und Dauerfeuer aus den Medien geschuldet, in die Ecke getrieben und sah sich gezwungen, ein bisschen um sich zu schlagen. Inhaltlich deswegen schwierig, aufgrund der relativen Uneindeutigkeit der Aussage aber gern auch anders interpretierbar, ist They Don't Care About Us aber so oder so der vielleicht letzte Triumph des King of Pop. Klanglich so militant und unmelodisch, wie es auch zu Bad-Zeiten nie gelungen wäre, stampft der Track mit seinem dezent latinisierten Beat dahin, ergeht sich trotz hymnischen Synthesizern und aggressiven Chants in eklatantem musikalischem Minimalismus. Und das passt, weil Jacko im Zentrum all dessen ohnehin in wütender Manier um sein Leben zu singen und zu bellen scheint und deswegen kaum Beiwerk braucht, noch dazu im abgehackten Sound mehr Atmosphäre steckt und so manch schmalziger Ballade, die er in seiner Karriere auch geboten hat.

466.

 

Holding Out For A Hero

 

Bonnie Tyler

 

Footloose
1984

Es gibt Verteidungsgefechte, die kann man nicht gewinnen. Ein Plädoyer für Bonnie Tyler in den 80ern könnte dazu gehören. Wenigstens gehe ich aber nicht so weit, sondern setzte nur zu einem solchen für ihren Hit Holding Out For A Hero an. Der ist selbstverständlich, wie eh so ziemlich alles, was sie in diesem Jahrzehnt geboten hat, ein Ausbund des Kitsches, was bei einem Song aus der Feder von Jim Steinman eigentlich auch dazugehört. In diesem einen Fall ist das Ganze aber fast schon kein Nachteil, weil all das in einer derart glorreichen, übertriebenen, komplett zügellosen Art passiert, dass diese raumfüllende Kanonade aus heftigstem Reverb, schillernden Keys, Background-Chor und Bläsern, dazu noch hemmungslos übertriebenen Zeilen, auf wundersame Art etwas merkwürdig Grandioses an sich hat. Vielleicht auch nur, weil sich inmitten dessen Bonnie Tyler mit ihren definitiv vom Schleifpapier gezeichneten Stimmbändern in gewohnt rauchiger Manier die Seele aus dem Leib singt auf der Suche nach ihrem Hero. Oder auch, weil dann doch alles an seinem angestammten Platz zu sein scheint. So oder so, wenn ein Song, der alle 80er-Sünden vereint, sein darf und daraus sogar eine bizarre, immense Qualität bezieht, dann der hier.

465.

 

Abschied

 

Nico

 

Desertshore
1970

Zurück in den Tälern der Finsternis begegnet einem Nico und damit Deutschlands Antwort auf eine Frage, die sich niemand zu stellen getraut hat. Zum Anbruch der 70er war sie auf ihrem persönlichen künstlerischen Höhepunkt angelangt und lieferte mit "Desertshore" ein Album, das drogeninduzierte depressive Dunkelheit so sehr widerspiegelte wie wenige andere. Unter tatkräftiger Mitwirkung von John Cale, der sich einmal mehr daran machen durfte, Nicos Harmonium und seine Streicherarrangements in Einklang zu bringen, wurde daraus im Falle von Abschied eine triste, karge Klanglandschaft. Die wurde nur noch schlimmer, weil sie auf Nicos störrischen Sprechgesang getroffen ist, der im Deutschen wie im Englischen zu einer unmelodischen, abgehackten Autorität fähig war, die einen erdrücken konnte.

464.

 

Map Of The Problematique

 

Muse

 

Black Holes And Revelations
2006

Der künstlerische Höhepunkt bedeutete für die ambitionierten und hinsichtlich Pathos schmerzbefreiten Briten von Muse, alle greifbaren Einflüsse zu einem Album zu vereinen. Und so überrascht es nicht, dass viele Songs darauf Erinnerungen an andere Interpreten wecken. Map Of The Problematique channelt beispielsweise Depeche Mode im besten Sinne, widmet sich allerdings in seiner Mischung aus kratzigen Riffs und schimmernden Synths aber weniger irgendwelchen Drogenträumen oder sexuellen Spielereien, sondern wird unterfüttert mit diffuser Gesellschaftskritik, die vor allem deswegen funktioniert, weil sie in einem perfekten, epischen musikalischen Aufbau aufgeht, in dem auch Matt Bellamy nahezu jede anstrengende Qualität als Sänger verliert.

463.

 

Hanuman

 

Rodrigo Y Gabriela

 

11:11
2009

Die Meister der akustischen Gitarre, Rodrigo Sánchez und Gabriela Quintero, haben zwar mit Blick auf ihre gesamte Karriere durchaus damit zu kämpfen, dass bei aller spielerischen Finesse und Kreativität nur eingeschränkt viel aus dem Instrument herauszuholen ist. Sie können aber im richtigen Moment ein furioses Feuerwerk zünden, so wie bei Hanuman, ihrer Verbeugung von Carlos Santana gelungen ist. Und weil der Track, wie so viele der beiden Mexikaner, ein perfekter Mix aus Latin und den härteren Rock-Einflüssen der beiden ist, deswegen zwischen lockerem Tänzeln und kurzen, eindringlicheren Passagen hin und her wechselt, ist er ein kurzweiliges Spektakel zum Genießen.

462.

 

I Can See For Miles

 

The Who

 

The Who Sell Out
1967

Die Tatsache, dass dieser Song bzw. seine Einzelteile in unterschiedlichen Studios aufgenommen wurde, ist eventuell ein ganz kleiner Hinweis auf seine Komplexität und die steigenden Ambitionen der Briten rund um Pete Townshend zum Ende der 60er hin. Und da die Band diese Ambitionen mitunter beeindruckend souverän im Griff hatte, ist I Can See For Miles auch ein entsprechend erstklassiger Song geworden. Man spielt sich mit Rhythmuswechseln, kratzigen Soli, den für die damalige Zeit harten Riffs und der aufwändigen Percussion und schafft es dennoch, trotz mitunter bewusst störrischer Gangart einen erstklassigen, poppigen Refrain mitten in dieses vielschichtige Spektakel zu packen, dem man nicht entfliehen kann.

461.

 

Tomorrow Comes Today

 

Gorillaz

 

Tomorrow Comes Today
2000

Es war vielleicht der erste wirklich große Schritt in der Entwicklung hin zum musikalischen Tausendsassa, der Damon Albarn geworden ist, als er sich zum Anbruch des neuen Jahrtausend mit Comiczeichner Jamie Hewlett verbündete, um die erste größere animierte Band seit den Archies zu kreieren. Und im Gegensatz zum seichten Pop der Vorgänger, wurden die Gorillaz zu einer beispiellos wandelbaren, vielseitigen Angelegenheit. Der Start des Projekts offenbarte mit Single Tomorrow Comes Today noch nicht allzu viel davon, wurde jedoch als melancholischer Downtempo-Trip-Hop mit seinem schleppenden Beat, den gespenstischen Chorälen und dem alleingelassenen Mundharmonika-Sample zu einer düsteren, fast dystopischen Angelegenheit und bleibt bis heute einer der atmosphärischen Höhepunkte der Band.

460.

 

One Love / People Get Ready

 

Bob Marley & The Wailers

 

Exodus
1977

In einer Reihe vieler erstklassiger, zur Legende gewordenen Stücke des Bob Marley und der Wailers ist One Love eigentlich gar nicht ganz so weit vorne und doch unwiderstehlich stark genug, um in dieser Liste vorkommen zu müssen. Als gleichermaßen spirituell angehauchte und dem globalen Frieden das Wort redende, fast schon nach Gospel klingende Hymne ist es einer der Songs, die wohl als Paradestück dessen gelten dürfen, wonach Marley über ein Jahrzehnt lang gestrebt hat. Das allein ist schon eine Auszeichnung, dass das noch dazu in einer solch geschmeidig zurückgelehnten Form passiert, ist fast nur Draufgabe, die aber den Song umso mehr erstrahlen lässt.

459.

 

Rändajad

 

Urban Symphony

 

Rändajad
2009

Mein Repertoire an Songs aus dem wunderschönen Estland ist sehr überschaubar und so kann man dem Land gratulieren zu einer 100%-Quote, was Einträge in die Top 500 angeht. Dem Damen-Gespann von Urban Symphony gelingt das mit einer verführerischen Mischung aus einem Streicher-Quartett und elektronischem Unterboden. Das klassisch-elektronische Crossover gelingt, weil die Mischung aus hart pulsierendem Beat, abgehackten Streicher-Klängen und dezentem, unmelodischem Computer-Beiwerk eine gleichermaßen organische und unwirtliche Szenerie ergibt, zu der die helle, kühle Stimme von Frontfrau Sandra Nurmsalu perfekt passt.

458.

 

Where Is My Mind?

 

Pixies

 

Surfer Rosa
1988

Spätestens seit "Fight Club" in der Allgemeinheit als musikalischer Glanzpunkt angelangt, ist Where Is My Mind? zwar weder der beste Song der Band, noch ein für die US-Amerikaner wirklich typischer, ein genialer Streich ist es aber trotzdem. Ungewohnt ruhig im Vergleich zu dem, was man von Black Francis und den seinen damals gewohnt war, schleppt sich der Song wunderbar durch seine dezenten, nur sporadisch von ein wenig Bewegung an der Gitarre belebten Strophen, um in einem glorreichen Refrain aufzugehen. Der will eigentlich gar nicht spektakulär sein, ist musikalisch nur unwesentlich lebhafter als die Strophen. Doch Black Francis zuerst fast hektischer, dann seelenruhiger Gesang, vor allem aber die denkwürdige im langen Echo verhallende Backgroundstimme von Kim Deal machen da gehörig Eindruck.

457.

 

Dear Bobbie

 

Yellowcard

 

Paper Walls
2007

Als eine der quintessenziellen Pop-Punk-Bands der 00er-Jahre haben es Yellowcard naturgemäß schwer, einen nachhaltig starken Eindruck zu hinterlassen. Ein bisschen zu harmlos klingt Vieles insbesondere in der Rückschau. Dear Bobbie ist in seiner Friedfertigkeit zwar auch nicht gerade ein aggressiver Moment, aber auch ein wunderbar sentimentaler, gefühlvoll romantischer Song, der sich als zurückhaltende Mischung aus akustischer Gitarre und Klavier jede Exzentrik und jeden unnötigen Ballast spart. Deswegen und wegen Ryan Keys unverstelltem Gesang und Text entgeht man jeglichem Anflug von Schmalz und landet stattdessen bei einem emotionalen Höhepunkt für die Band, gewidmet Keys Großeltern und deren jahrzehntelanger Ehe.

456.

 

Beginning To See The Light

 

The Velvet Underground

 

The Velvet Underground
1969

Auf dem Weg hin zu konventionellerem Liedgut fanden Velvet Underground sich selbst, zumindest in Form eines self-titled Albums. Dessen Herzstück sind eigentlich zwei wunderschöne, für die Band damals höchst untypische Balladen, was allerdings nicht verhindern konnte, dass aus dem Album phasenweise weiterhin der Rock sprach. Aus Beginning To See The Light tut er das, wenn auch definitiv nicht in einer annähernd ähnlich abweisenden und unkonventionellen Art wie aus den Vorgängern. Stattdessen ist es ein Moment der Lockerheit, wie ihn Lou Reed recht selten erlebt hat, mit monotonem, aber umso durchdringenderem Drive, der auch durch die schier endlose Wiederholung des Songtitels nicht an Wirkung verliert.

455

 

Happy Ending

 

MIKA

 

Life In Cartoon Motion
2007

Als MIKA kurzzeitig am Gipfel des europäischen Pop war und dort als schamlos glitzernde Erscheinung Leute in gleichem Maße begeisterte und hemmungslos zu nerven wusste, sprach aus ihm hinter all dem Glam, all dem Falsetto und dem Produktionsglanz schon auch Talent. Gesanglich zuallererst, doch auch in puncto Musikalität ist dem Briten mit libanesischen Wurzeln nicht viel vorzuwerfen. Zumindest gilt das, wenn man stur auf Happy Ending blickt und Teile seines übrigen Werks ignoriert. Dank Background-Chor und Gaststimme Ida Falk Winland mit latentem Gospel-Charme gesegnet, ist es perfekt austarierter Glam-Pop, der sich weder mit seinen Streichern noch mit der simplen Klaviermelodie zu sehr hervortut, sondern stattdessen dem melancholisch-optimischen Grundton in vollendeter Harmonie entgegenarbeitet.

454.

 

Ramble On

 

Led Zeppelin

 

Led Zeppelin II
1969

Eventuell sollte man diese Formulierung gar nicht wählen bei einer Band, die bereits auf dem Debüt so stark und phasenweise legendär gut klang, doch in Wahrheit ist es der zweite Teil ihrer Trilogie, mit dem Led Zeppelin so wirklich zu sich fanden. Die klangliche Präzision erreichte rockige Höchstwerte, man frönte der gediegenen, trockenen Härte genauso wie studiotechnischen Spielereien erstklassiger Machart. Und man setzte Schritte in Richtung des perfekten Hard-Rock-Songs. Einer dieser Schritte war Ramble On, der mit seinem dramatischen Schwenk zwischen ruhigen, teilakustischen Strophen und den explosiven Refrains für ein paar Minuten der Extraklasse gesorgt hat, in denen Robert Plants kratzige Stimme genauso strahlt wie John Paul Jones' geniale Bassline im Refrain, John Bonhams kraftvoller Drum-Antrieb und natürlich Zampano Jimmy Page. Da passen alle Puzzleteile so gut zusammen, wie es selbst dieses von Schwachstellen verschonte Quartett selten geschafft hat.

453.

 

Der Meister

 

Rammstein

 

Herzeleid
1995

Die doch etwas skurrile globale Erfolgsgeschichte von Rammstein hat ihren Ursprung in einer LP, die sie mit absoluter Sicherheit noch nicht auf ihrem qualitativen Höhepunkt zeigt. Wegen des noch rohen, unverfeinerten Sounds, wegen Till Lindemanns noch ausbaufähiger gesanglicher Autorität, wegen der zu oft zu grenzwertigen Texte. Inmitten dieser Makel findet sich mit Der Meister jedoch ein Song, der es schafft, die brachiale Gangart des Debüts bereits ideal mit der erst später vollendeten, durchinszenierten Dramatik zu verbinden. So ist es ein wuchtiges, brutales, durchdringendes Spektakel, das sich textlich und klanglich nichts zu Schulden kommen lässt und stattdessen erstmals die Souveränität und den ureigenen "Charme" der Deutschen voll ausspielt.

452.

 

I Don't Care

 

Fall Out Boy

 

Folie à Deux
2008

Fall Out Boy nerven gewaltig. Insbesondere trifft das auf ihre Post-Comeback-Inkarnation zu, die seit 2013 ihr Unwesen treibt. Doch auch davor konnte die Band ordentlich am Watschenbaum rütteln, hatte jedoch diese nicht zu leugnende Fähigkeit, das erstens in ziemlich überzeugende Pop-Rock-Gewänder zu verpacken und zweitens mitunter ein ausreichendes Maß an Selbstreflexion an den Tag zu legen, um sich quasi noch extra ihren nervigen Qualitäten hinzugeben. Nirgendwo sonst wird das so deutlich wie bei I Don't Care, das als in Ansätzen funkige Narzissten-Hymne mit einer der zweifelsfrei besten Hooks der Bandgeschichte hausieren geht, vor allem aber in den Zeilen "I don't care what you think as long as it's about me / The best of us can find happiness in misery" ihre mit überzeugendste Wortmeldung findet. Weil all das unverschämt unterhaltsam ist und das Arschloch-Dasein gleichermaßen verdammt und verherrlicht, kann man sie in diesem einen nervigen Moment fast nicht nicht großartig finden.

451.

 

The Eco-Terrorist In Me

 

Rise Against

 

The Black Market
2014

Auch nach mittlerweile bald zwei Jahrzehnten ist man bei Rise Against immer noch ein bisschen am musikalischen Rebellieren interessiert. Während das aber mittlerweile oft genug ausgelutscht und brustschwach klingt, deswegen kaum noch ein Funke überspringt, war The Eco-Terrorist In Me schon mitten in dieser Phase der fast schmerzhaften Durchschnittlichkeit ein letzter gewaltiger Aufschrei in altbewährter Manier. Ohne Rücksicht auf Verluste wird da im Höchsttempo losgeprescht, während sich Tim McIlrath über den röhrenden Riffs und den wuchtigen Drums die Wut aus dem Bauch schreit. So und nicht anders geht Rise Against, wenn sie denn wollen, auch wenn von der rohen Kraft der frühen Hardcore-Punk-Tage selbst in einem solchen lichten Moment nichts mehr zu spüren ist. Stattdessen kommt einem alles geschliffener entgegen, ohne deswegen zumindest in diesem einen Fall irgendetwas an Power einzubüßen.


Inhalte von Powr.io werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell und Marketing), um den Cookie-Richtlinien von Powr.io zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Powr.io-Datenschutzerklärung.