A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 14 der unendlichen Liste!

 


175.

 

Purple Rain

 

Prince

 

Purple Rain
1984

Der Einzug am Pop-Olymp mit Purple Rain bedeutete für Prince zwar sehr wohl, dass er sich musikalisch auch wirklich so sehr dem Pop zugewandt hatte wie nie zuvor. Seine Eigenheiten, seine Kreativität und seine Ambition hat er sich davon aber nicht einmal im Ansatz unterminieren lassen. Insofern ist auch der allseits bekannte Titeltrack, seinen eigentlich im Country wurzelnden Ursprüngen entrissen und stattdessen in einer Mischung aus sphärisch-bluesigem Rock und Soul aufgehend, ein verdammt vielschichtiges, meisterlich zusammengesetztes Exemplar. Die melodramatische, fast kitschige Facette des Songs muss man zwar schlucken können, das wird einem aber auch verdammt leicht gemacht durch die großartige, atmosphärische Arbeit an der Gitarre, die Gospel-ähnlichen Backgroundgesänge, das unaufdringliche Streicherarrangement und Prince in einer stimmlichen Form, die ihresgleichen sucht. Da sind auch bald neun Minuten nicht zu lang.

174.

 

Born Under Punches (The Heat Goes On)

 

Talking Heads

 

Remain In Light
1980

Nahezu einheitlich ist das allgemeine Urteil, dass Remain In Light die Talking Heads in ihrer Vollendung zeigt. Widerspruch gibt es dafür meinerseits nur insofern, als  dass aus dieser Formvollendung nicht zwingend auch der qualitative Zenit folgt. Diese kreative Explosion, die hier allerdings in reibungsloser und vor klanglichen Akzenten überquellenden Form passiert ist, nötigt einem schon Ehrerbietung ab. Die Vermengung von mehr Einflüssen als Tracks auf dem Album gerät aber dann doch nur einmal so, dass man dahinschmilzt, und zwar ausgerechnet mit der Eröffnung Born Under Punches. Die ist mit ihrem erstklassigen Beat, der gewohnt funkigen Gitarrenarbeit, der musikalischen Rastlosigkeit und der davon gefühlt komplett losgelösten, erratischen Darbietung von David Byrne aber ein wirkliches Feuerwerk. Nicht so punkig angehaucht wie noch wenige Jahre zuvor, dafür aber unschlagbar dynamisch, gleichzeitig geschmeidig wie nur möglich und so facettenreich wie sonst nur das Auge einer Fliege.

173.

 

Nightingale

 

Saves The Day

 

Stay What You Are
2001

Der Abschied von punkigen Anfängen hat Saves The Day zu Zeiten ihres dritten Albums zwar definitiv ein bisschen ihres klanglichen Nachdrucks genommen. Eingetauscht wurde dieser aber höchst gewinnbringend, nämlich für einen ungleich melancholischeren, gleichermaßen entspannten wie wehmütigen Sound, der weit eher die Fähigkeit besitzt, einen emotional am richtigen Fleck zu erwischen und dort Eindruck zu machen. Nichts symbolisiert diese Stärke der Band besser als Nightingale, diese merkwürdig devote und gerade deswegen umso ehrlicher anmutende Ehrerbietung gegenüber der Angebeteten, die sich musikalisch jeden Kitsch spart und alles an verfügbarer Emotion in den Text buttert.

172.

 

No Hero

 

The Offspring

 

Ignition
1992

Ignition wurde bereits als Hochpunkt in der Vita von Dexter Holland und seinen Weggefährten herausgehoben. Hier folgt ein weiterer triftiger Grund für dieses Urteil. No Hero ist auf der einen Seite nur ein Stein in dem grungig-punkigen Mosaik, das die zweite LP der Band darstellt. Auf der anderen Seite ist es nicht nur die beste Umsetzung des knochig-dürren Sounds der LP und der kargen Gitarrenarbeit, sondern gleich auch noch mit einem Top-Riff gesegnet. Was alles nur halb so viel wert wäre, wenn es nicht auf ein paar der besten Zeilen der Band treffen würde, wenn Holland mit seiner unnachahmlich schiefen Stimme die hilflosen Rechtfertigungen nach dem Tod des Freundes Johnny ins Mikro singt.

171.

 

Head Down

 

Soundgarden

 

Superunknown
1994

Für Soundgarden bedeutete Superunknown gleichzeitig ein Mehr an wanddicken Riffs und wuchtigen, den Raum füllenden Hard-Rock-Einlagen, wie es auch das Maximum an atmosphärischer Ausdruckskraft war, das die Band erreichen sollte. Verdammt eindeutig in letztere Kategorie fällt Head Down, das die kryptisch-düsteren Soundlandschaften des Albums bestmöglich repräsentiert. Latent psychedelisch mutet die mäandernde Szenerie an, während die Riffs phasenweise trotzdem den unwiderstehlichen Groove von Kim Thayil vermitteln und Chris Cornell zwischen gespenstisch hohen Gesangspassagen und leidenschaftlichen, kernigen Ausbrüchen wechselt. Präzise zu beschreiben, wie sich das genau anfühlt, ist fast nicht möglich, aber es fühlt sich definitiv an.

170.

 

Dosed

 

Red Hot Chili Peppers

 

By The Way
2002

By The Way war eine Absage an die Funk-Metal-Wurzeln der Chili Peppers und hat die frühere, hyperaktiv-aufdringliche, überdrehte Art der Band in ein weitaus stimmungsvolleres, entspannteres Antlitz verwandelt. Nicht zuletzt dank Rick Rubins kristallklarer Produktion und des zunehmenden Einflusses von John Frusciante, der sich an den Aufbau sphärischer Gitarrenlandschaften gemacht hat, konnte so etwas wie Dosed entstehen. Das ist genau die richtige Mischung aus zurückgelehnter Ruhe, ein bisschen Romantik und einem endlos geschmeidigen Klang, der jede Note an der Gitarre in herrlich heller Präsenz erstrahlen lässt.

169.

 

Scarborough Fair/Canticle

 

Simon & Garfunkel

 

Parsley, Sage, Rosemary & Thyme
1966

Man kann sich schon mal an traditionellem Liedgut vergreifen, dann muss man es aber auch tunlichst hinbekommen, das Ganze nahe an die Perfektion zu bringen. Simon & Garfunkel ist das gelungen, weil Scarborough Fair unter ihren Fittichen dank der seidenweichen Stimmen beider und des dezenten Arrangements aus akustischen Akkorden und dem Cembalo nach nichts anderem klingt als dem, was es ist, nämlich eine jahrhundertealte, englische Ballade. Dass die beiden das dann noch Canticle, einem wiederaufbereiteten Anti-Kriegslied Paul Simons gegenüberstellen und dessen Text eng mit den traditionellen Zeilen verflechten, sorgt für umso mehr Wohlklang und gleichzeitig eine wehmütige Substanz, die kaum zu toppen ist.

168.

 

In The Air Tonight

 

Phil Collins

 

Face Value
1981

In einem Anflug popmusikalischer Grenzgenialität hat Phil Collins die düsteren Gefühlslagen nach der Scheidung von seiner ersten Frau zu etwas gemacht, das nicht nur die gesamten 80er klanglich prägen sollte, sondern für sich selbst als perfekt ausbalancierte Komposition besteht. In The Air Tonight ist geprägt vom nicht zu toppenden musikalischen Spannungsbogen, der aus der tristen, minimalistischen Eröffnung mit dem spärlichen Beat der Drum Machine und der ruhigen Keyboard-Schwaden dank des unerwarteten Drumbreaks zum letzten Songdrittel eine großartige emotionale Entladung macht. Das Ergebnis ist ein Song, an dem bis hin zu den kleinsten Vocoder-Details nichts zu verbessern ist, weder klanglich noch atmosphärisch bzw. textlich.

167.

 

Brianstorm

 

Arctic Monkeys

 

Favourite Worst Nightmare
2007

Zwar channelten die Arctic Monkeys auf ihrer zweiten LP nach dem punkigen Garage Rock des Debüts zunehmend melodischere, entspanntere Klänge und näherten sich mitunter frappant dem Surf Rock an. Die eine oder andere energische Performance in Erinnerung an das Erstwerk hat das aber nicht verhindert. Und so kam man in den Genuss von Leadsingle Brianstorm, die nicht einfach nur eine nahtlose qualitative Fortsetzung des bereits Geschafften war, sondern inmitten des manischen Getrommels und der sich duellierenden Gitarren eine unschlagbar bissige, sarkastische Ode an Brian, den ein bissl gar selbstbewussten, ein bissl gar aufgeblasenen, ein bissl gar aufgetakelten Helden, der jeden Raum und jede Party vereinnahmt. Da weiß man dann gar nicht, freut man sich eher über die explosive musikalische Einlage, über Alex Turners unwiderstehlichen britischen Dialekt oder die Treffsicherheit jeder einzelnen Zeile.

166.

 

Selfish Man

 

Flogging Molly

 

Swagger
2000

Die große Leistung von Flogging Molly war es, in ihren besten Tagen nahezu jeden Song gleichzeitig zu einem die Tanzwut anstachelnden, partytauglichen Pub-Gassenhauer zu machen und ihn mit gewichtigen Themen und Emotionen anzufüllen. Auch Selfish Man ist da nicht anders, stampft unermüdlich dahin, lässt den Bass und die Fiddle tanzen, hat den nötigen kernigen Riff und kann doch auch mit der unbarmherzigen Selbsterkenntnis über den eigenen Egoismus aufwarten. Und wenn man die dann noch aus Dave Kings Mund hört, dessen Stimme jedem Iren alle Ehre macht, ist auch schon nichts mehr da, was man auszusetzen hätte.

165.

 

It's A Long Way To The Top

 

(If You Wanna Rock 'n' Roll)

 

AC/DC

 

T.N.T.
1975

In blanker Ironie im Lichte des Songtitels waren AC/DC eigentlich schon auf ihrem Debüt on top. Zumindest im Falle dieses einen, die Dekaden mühelos überdauernden Exemplars ist das der Fall. Den It's A Long Way To The Top hat auch nach bald 50 Jahren steten Nachschubs an möglichem Konkurrenzmaterial immer noch einen der unbestreitbar besten Riffs des Angus Young auf seiner Seite. Und weil das nachweislich neben Bon Scotts whiskeygestählter Stimme fast alles ist, was es bei den Australiern braucht, wenn dazu noch der Refrain Hymnenpotenzial hat, ist auch schon alles geregelt. Bis, ja, bis plötzlich der Dudelsack einsetzt und im Paarlauf mit Youngs Gitarre aus einem verdammt starken Hard-Rock-Song ein rockiges Monument für die Ewigkeit macht.

164.

 

Of Wolf And Man

 

Metallica

 

S&M
1999

Einerseits geht kaum mehr Selbstüberschätzung, als sich als Metalband von einem kompletten Orchester auf der Bühne flankieren zu lassen und mit diesem die eigenen Songs zum Besten zu geben. Auf der anderen Seite ist das schon ein verdammt überzeugender Epikfaktor, der die so neu interpretierten Kompositionen verstärkt. Geholfen hat es definitiv nicht in vielen Fällen, weil manches aus dem Metallica-Kanon auch einfach nur mehr schlechter gemacht werden konnte und das Gros der Tracks jede liebgewonnene Brutalität einbüßt. Of Wolf And Man, das auf dem Black Album nur ein Schattendasein gefristet hat, blüht in dieser sinfonischen Metalversion aber so gewaltig auf, dass aus dem mäßig dahintrottenden Metal der Studioversion eine epochale, übersteigerte Vorstellung wird, die ungleich dynamischer, druckvoller und eindringlicher wirkt als das Original.

163.

 

Mit Dem Schwert Nach Polen, Warum René?

 

Die Ärzte

 

Die Bestie In Menschengestalt
1993

Das Comeback gleichzeitig zum besten zu machen, was man je unter die Leute bringt, ist gleichermaßen eindrucksvoll wie auch ein bisschen schade in Anbetracht dessen, wie verdammt wechselhaft der Ertrag der Ärzte in den folgenden Jahrzehnten war. Um aber auf der positiven Seite zu bleiben, war 1993 wohl das einzige Mal, dass nicht Farin Urlaub allein für die ganz großen Momente einer LP der Band verantwortlich war. Bela B. mischte mit mit einem Song, der schon zuvor von ihm und Rod als Depp Jones aufgenommen wurde, in der Ärzte-Version aber noch einmal umso genialer gerät. Denn die Geschichte vom perspektivenlosen Versager, der in Polen den Krieg anzetteln will, wird mit den anfänglich folkigen Riffs und der damit verbundenen Atmosphäre umso lustiger, paart Belas gesangliche Ausraster in der zweiten Songhälfte dazu perfekt mit den unterstützenden Damenstimmen und den einsetzenden harten Riffs. Ein Gesamtkunstwerk der wohltemperierten Skurrilität.

162.

 

Given Up

 

Linkin Park

 

Minutes To Midnight
2007

Während viele in Minutes To Midnight das Ende jeder möglichen Hoffnung auf ein gutes Album von Linkin Park gesehen haben, konnte man sich immer darauf zurückziehen, dass mit Given Up ein Wutausbruch darauf zu finden ist, der den Namen durchaus verdient. Denn selbst wenn man den am Garage Rock anstreifenden, galoppierenden Metal der Einförmigkeit beschuldigen kann, ist der Bassline nicht beizukommen, ist der Riff druckvoll wuchtig und ist Chester Bennington auf seinem stimmlichen Hoch eine eindrucksvolle Erscheinung, allerspätestens mit seinem 17 Sekunden andauernden Schrei in der Bridge.

161.

 

I Want You (She's So Heavy)

 

The Beatles

 

Abbey Road
1969

In den späten Jahren der Beatles war es neben dem aufblühenden George Harrison oft genug insbesondere John Lennon, der die Studiospielereien der Band, ihre exzentrischeren Seiten und die stilistischen Ausflüge verdammt großartig zu nutzen wusste. Anders als spirituell-atmosphärische Beiträge Harrisons war Lennon aber immer irgendwo zwischen musikalischem und textlichem Humor und psychedelischen Anwandlungen daheim. Und das konnte schon verdammt großartig enden, wie das auch mit I Want You (She's So Heavy) passiert ist. Denn der achtminütige Koloss bewegt sich zwischen jazzig-bluesigen Passagen, in denen die Arpeggios an der Gitarre perfekt mit McCartneys groovendem Bass und der Hammond-Orgel harmonieren, und den langgezogenen, drückend-schweren Riffs jener Parts, in denen Lennon in unterschiedlicher Lautstärke sein halb geschrienes "She's so heavy" zelebriert. Die Atmosphäre ist eine frappant an die Doors erinnernde, schwankt zwischen geschmeidigem Blues, psychedelischem Nebel, drückend schweren Rock-Riffs und der um White Noise aus dem Synthesizer ergänzten, minutenlang dahinwälzenden Soundwand zum Ende.

160.

 

Titanic

 

Falco

 

Nachtflug
1992

Ein großes Comeback sollte es sein, ein kleines ist es geworden. Fein war es aber auch, obwohl es Falco den anvisierten Welterfolg nicht zurückgebracht hat. Stattdessen hat es der Öffentlichkeit den altbekannten Popstar wiedergebracht, der mit dem merkwürdigen Vorgängeralbum verloren geglaubt war. Titanic ist auch dank erneuter Zusammenarbeit mit den Bolland-Brüdern im Produzentensessel eine erstklassige Wiederauferstehung, härtet den Synth-Pop Falcos mit kernigen Riffs und elektronischen Nebenbauten ab und bringt damit auch längst vergessene Dynamik und den pointierten Wortwitz alter Tage zurück. Und wenn bei ihm dann einmal in solcher Form absolut alles am richtigen Platz war, dann war es das auch wirklich.

159.

 

We're All To Blame

 

Sum 41

 

Chuck
2004

Dem absurden Witz des die 80er-Show "Solid Gold" parodierenden Videos zum Trotz waren Sum 41 mit Chuck endgültig in Bestform und ihren Vorbildern aus dem Melodic Hardcore und Metal oft genug so nahe, wie es eben nur ging für die Kanadier. Da man gleichzeitig nach Arbeit mit der War Child Organisation im kongolesischen Bürgerkrieg den eigenen Weltschmerz in Wut zu verwandeln wusste, wurde aus dem Album phasenweise eine energische, leidenschaftliche Anklage des Status Quo. Nirgendwo passiert genau das überzeugender, treffender und musikalisch dynamischer als auf Leadsingle We're All To Blame, die sich nach dem geschrienen Chant durch Dave Bakshs schwergewichtiges Riff-Dauerfeuer und die wuchtigen Drums von Steve Jocz kämpft. Nur im Refrain wird abgebremst und als erstklassiger Kontrast plötzlich auf wehmütige Mid-Tempo-Klänge umgesattelt, nur um abrupt umso härter und kompromissloser wieder mit voller Härte durchzustarten.

158.

 

Dickes B

 

Seeed

 

New Dubby Conquerors
2001

Seeed ist es neben Gentleman am ehesten zuzuschreiben, dass Reggae made in Deutschland im neuen Jahrtausend eher unerwartet plötzlich Gehör fand. Wo sich Gentleman jedoch dem Roots Reggae, Glaube und Liebe zuzuwenden wusste, zäumte die Berliner Band das Pferd von der anderen Seite auf. Auf Dancehall und Ska versteht sich das Gespann, das in zweistelliger Mannstärke auf Dickes B Berlin ein Ständchen bringt und dabei den Grundstein für spätere Erfolge legt. So nebenbei sollte es die beste Single der Band bleiben, weil die Bläser nicht zu überbieten sind, weil Peter Fox seine Zeilen on point abliefert wie sonst nur mehr im Falle von Ding und weil man es mit einem Refrain zu tun hat, der einen ewig verfolgt.

157.

 

Radio

 

Rammstein

 

ohne Titel
2019

Es war lange Zeit so überhaupt nicht damit zu rechnen, dass unter dem Namen Rammstein noch nennenswertes Material das Licht der Welt erblicken würde. Doch ein Jahrzehnt nach der letzten LP kam man in gewohnter Manier zurück und hatte auch Songs im Angebot, deren durchwachsene Qualität genau dem entspricht, was von der Band in den letzten Jahren vor ihrer Pause so geboten wurde. Das bedeutet aber auch, dass immer Platz ist für die paar göttlichen Minuten, die noch so ziemlich jedes Album der Band zu bieten hatte und die man nicht missen möchte. Im Falle des titellosen Comebackwerks übernimmt diese Rolle Radio, das zwischen dem fast lockeren Beat, dem steten Pulsieren der Strophen und dem typisch hymnischen Ausbruch des Refrains alles am richtigen Platz einbaut, was es braucht. So werden Erinnerungen an bessere Zeiten wach.

156.

 

Street Spirit (Fade Out)

 

Radiohead

 

The Bends
1995

Es war das zweite Album, auf dem Radiohead das Wort Atmosphäre näher ergründeten. The Bends ist mit einer unheilvoll-traurigen Aura gesegnet, die den Grundstein für viel dessen gelegt hat, was die Briten in darauffolgenden Jahren so geschaffen haben. Die eindrucksvollste Zurschaustellung der neuen Facetten bildet Street Spirit (Fade Out), dessen fast hypnotische Gitarrenarbeit in Verbindung mit dem wie ein Uhrwerk arbeitenden Drummer Philip Selway für eine Szenerie sorgt, die sich genauso sehr an einem vorbeibewegt, wie sie einen einfängt und in diffuse Düsternis zieht.

155.

 

Japanese Waitress

 

MAITA

 

Best Wishes
2020

Ein überraschender Neuzugang auf dem zunehmend voller werdenden Terrain weiblicher Singer-Songwriterinnen erstklassigen Formats, hat Maria Maita-Keppeler mit ihrer Band MAITA 2020 ein verdammt überzeugendes Debüt geliefert. Dabei hat es an starken Melodien und eingängigen Hooks genauso wenig gemangelt wie an emotionalen Minuten und nachdenklichen, persönlichen Texten. Japanese Waitress ist in seiner schmucklosen, die längste Zeit fast komplett akustischen Tristesse ein Musterbeispiel dessen. Die pure Freudlosigkeit spricht aus der Erzählung von der Kellnerin, die sich mit ihrer jede Erfüllung entbehrenden Arbeit konfrontiert sieht, zwischen unerträglichen Kunden und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung dahinvegetiert. Ein textliches Meisterwerk ist es wohl eher als ein musikalisches, allerdings mit der unbestreitbaren Qualität, mit der Musik perfekt die emotionale Last des Songs zu unterstreichen.

154.

 

Mr. Brightside

 

The Killers

 

Hot Fuss
2004

Dass die Karriere der Killers mehr Missverständnisse als irgendetwas anderes bereithalten würde, konnte zu Zeiten ihres ersten Auftritts noch keiner ahnen. Und so war man begeistert von der Debütsingle Mr. Brightside, die bis heute als eines der glänzendsten Exemplare des Indie Pop aus den 00er-Jahren gelten darf. Die Chuzpe, einem Song lediglich eine Strophe zu geben und diese in identer Form einfach zweimal einzubauen, ist im Lichte dieser unschlagbaren Hook, des brillanten Soundmixes und Brandon Flowers' wohl in alle Ewigkeit gewinnendster Gesangsdarbietung eine kuriose Nebensächlichkeit. Zu gut sitzt da einfach alles.

153.

 

Jesus Of Suburbia

 

Green Day

 

American Idiot
2004

Auch wenn American Idiot oder wohl eher der damit verbundene, durchschlagende Erfolg für Green Day der Anfang von Selbstüberschätzung, ausschweifendem Pathos und fehlender Inspiration war, ist die LP für sich selbst genommen immer noch ein würdiger Höhepunkt des Trios. Insbesondere aufgrund eines gewissen, neunminütigen Epos unter dem Titel Jesus Of Suburbia, das als Gipfel der bandeigenen Ambition durch diverse Genres pflügt und dabei keine Fehler macht. Der atmosphärische Alt Rock gelingt dabei genauso wie der aufpolierte Pop Punk zu Beginn und Abstecher in Richtung Garage Rock und Rockabilly. Es ist ein mächtiger musikalischer Husarenritt, der mehr bietet, als die Kalifornier eigentlich zu bieten haben sollten.

152.

 

Once

 

Pearl Jam

 

Ten
1991

So geht Albumeröffnung! Und nicht nur das, es sollte überhaupt der Startschuss zu einer der erfolg- und ertragreichsten Karrieren im Rock sein. Überzeugender hätten Pearl Jam sich nicht der Welt vorstellen können als mit der ultimativen Form der für die Band typischen Grungehymne. Auf das irritierende, basslastige Intro - Teil des Instrumentals Master/Slave - folgt eine brillante Riffkanonade, die in einem Refrain gipfelt, der nebst wuchtigem Riff vor allem die erste von vielen legendären Darbietungen eines gewissen Eddie Vedder sein sollte. Der ist hier mehr noch als überall sonst sowieso über jeden Verdacht erhaben, zelebriert seine oktavenumspannende, kratzige und unfassbar kraftvolle Stimme in Bestform und tritt schon in diesen paar Minuten aus dem Schatten seiner großen Vorbildern aus dem Rock der 60er und 70er.

151.

 

Bohemian Rhapsody

 

Queen

 

A Night At The Opera
1975

Bei allem, was man an Queen und deren musikalischer Hinterlassenschaft generell kritisieren kann - der Hang zu Theatralik, Übergröße und Kitsch kannte ja keine Grenzen -, scheint mir Bohemian Rhapsody eine Komposition zu sein, die trotz Zurschaustellung aller verdammt schwierigen Eigenschaften der Briten über jeden Zweifel erhaben ist und schon fast sein muss. Weil es der Gipfel theatralischer Inszenierung ist und dabei so viel an musikalischen Facetten, an Wandlungsfähigkeit, Sinn für Dramatik und der Fähigkeit zur mühelosen Verbindung selbst der widersprüchlichsten Stilentscheidungen offenbart, dass es einfach nur imponieren kann. Und weil es schon mit der einleitenden melodramatischen Klavierpassage, vor allem danach in der zweiten Hälfte des Songs ein einziges Fest für die Ohren ist, das sphärischen  Blues Rock, die herrlich komödiantisch angehauchte Annäherung an die Oper und puren Hard Rock gleichermaßen erstklassig zum Besten gibt.


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