A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 13 der unendlichen Liste!

 


200.

 

Empty Threat

 

Chvrches

 

Every Open Eye
2015

Während bei Chvrches auch in den schillerndsten, vermeintlich lebhaftesten und sonnigsten Synth-Momenten immer alles davon geprägt war, dass man sich inhaltlich tunlichst auch der Schattenseiten anzunehmen versucht hat, ist die Vollendung dessen, was die Schotten am besten können, mit einem ihrer eindeutig optimistischsten Songs gelungen. Empty Threat hängt wenig bis gar kein emotionaler Ballast an, dafür bekommt eine schon fast pastorale Hochstimmung, die sich reibungslos mit dem direkten Draht zum Pop der 80er und dem wichtigsten Bestandteil der Band, Lauren Mayberrys herrlich heller Stimme vermengt.

199.

 

Cast Away Theme

 

Alan Silvestri

 

Cast Away
2000

Oft genug habe ich bereits Worte darüber verloren, wie Filme von der dazu komponierten Musik profitiert haben. Weitaus seltener ist es, dass die Musik in ihrer Wirkung massiv durch das Wesen und die Dramaturgie des Films gewinnt. Im Falle von Cast Away ist das aber insofern relativ offensichtlich, als dass man Tom Hanks eineinhalb Stunden beim Überlebenskampf mitsamt existenzieller Freundschaft mit einem Volleyball erlebt und all das gänzlich ohne jede Form der Musik geschieht. Erst der Aufbruch von der Insel und der unerwartet herzzerreißende Verlust von Lebensvolleyball Wilson lässt erstmals die kompositorische Arbeit von Alan Silvestri zum Vorschein kommen. Dadurch wird das dezente, sentimentale Zusammenspiel der Streicher und der Oboe umso wirkmächtiger und vereint genug an unterschiedlichen, widersprüchlichen Emotionen in sich, dass man kaum ungerührt bleiben kann.

198.

 

New Noise

 

Refused

 

The Shape Of Punk To Come
1998

Dass die Schweden von Refused in ihren Grundfesten dem Hardcore Punk und generellen punkigen Grundsätzen verpflichtet waren, als sie in den 90ern fernab der Massen für Begeisterung gesorgt haben, wird auch in ihrem bis heute bekanntesten Song deutlich genug. Auf ihrer dritten LP waren sie endgültig auf dem Weg heraus aus den Konventionen des Genres und propagierten die Eigenständigkeit und die Anti-Establishment-Haltung auch als etwas, das musikalisch spürbar sein müsste und somit nicht in  bereits in den Mainstream übergegangenem Althergebrachtem zu finden wäre, auch wenn es noch so puristisch nach Punk klingt. New Noise beschäftigt sich inhaltlich mit nichts anderem, ist gleichzeitig aber ironischerweise eine der direktesten und klassisch punkigsten Einlagen der Band, die sich nach dem langgezogenen Intro insbesondere in den Energieausbrüchen der Refrains nachhaltig einbrennt.

197.

 

Mistaken For Strangers

 

The National

 

Boxer
2007

Auf einem Album, das von der dezenten, dem Indie Folk verpflichteten Ruhe früherer Werke einen behänden, aber doch deutlichen Schritt wegmachte, ist Mistaken For Strangers wohl die deutlichste Absage an das, wofür The National damals primär bekannt waren. So übertrieben manch jubelnder Vergleich mit Joy Division gewesen sein mag, sprechen aus der Leadsingle von Boxer nicht nur dröhnende Gitarrenwände und eine Nähe zum Post-Punk, sondern auch eine diffuse, eher atmosphärische als konkrete Anspannung und düstere Verlorenheit. Insofern dürfen die großen Briten um Ian Curtis vielleicht doch als Referenz herhalten, was Adelung genug ist für einen Song, der ein untypischer, aber verdammt überzeugender Höhepunkt für The National bleiben wird.

196.

 

Until It Sleeps

 

Metallica

 

Load
1996

Insbesondere in der Rückschau waren es schwierige Tage für Metallica, diese mittleren und späten 90er. Mit ihrem Black Album zu immensem Weltruhm gelangt und in den Folgejahren jedes greifbare Stadion des Planeten gefüllt, führte der musikalische Weg unter deutlicher Mitarbeit von Produzent Bob Rock weg vom Thrash oder Heavy Metal und eher in Richtung eines bluesigen Südstaaten-Rock, der auf dem jede vernünftige Dimension sprengenden Doppel-Ungetüm Load/Reload viel zu oft träge, schwerfällig und unspektakulär geendet hat. Erinnerungen an frühere Dramatik und Wirkung gab es nur selten, dann aber dafür in gewohnt heftiger Form. So auch mit Until It Sleeps, das James Hetfield stimmlich in seiner besten, fast schon wirklich singenden Form präsentiert. Übermäßige Wucht spart man sich zwar, dafür bekommt man aber durch die harten Brüche zwischen den stimmungsvoll tristen Strophen und den dicken Riffwänden im Refrain genau jene epische Emotionalität, die Metallica in ihren besten Momenten ausmacht.

195.

 

Paper Wings

 

Rise Against

 

Siren Song Of The Counter Culture
2004

Im schrittweisen Wandel weg vom frühen Hardcore Punk hin zu leichter verdaulichen Rock-Klängen waren Rise Against 2004 bei etwas angekommen, das sehr offensichtlich ein Übergangsalbum war und trotzdem verdammt stark geklungen hat. Zwischen düster brodelndem Hard Rock, einer akustischen Ballade und den üblichen politischen Punk-Hymnen fand sich mit Paper Wings auch einer jener Songs, für die man die Band aus Chicago am allermeisten schätzt. Wenn der  erstklassige Intro-Riff auf das manische, explosive Getrommel von Brandon Barnes trifft, darüber Tim McIlrath mit gewohnt kerniger Stimme irgendwo zwischen Sentimentalität und fast altklugen Ratschlägen einen Abschied besingt und man ihn dank der eindringlichen Riffwände mitunter fast nicht versteht, ist alles dort, wo es bei Rise Against hingehört.

194.

 

Automatic Man

 

Bad Religion

 

No Control
1989

Bei Bad Religion hat es nie großen kommerziellen Erfolg für wirkliche Triumphe gebraucht. Und so war No Control 1989 zwar zum damaligen Zeitpunkt der Gipfel dessen, was die Kalifornier finanziell erreicht hatten, die Massen bekamen davon aber dennoch wenig mit. Gleichzeitig ward ein unbestrittener Klassiker des Hardcore Punk geschaffen, der in nicht einmal einer halben Stunde so viel richtig macht, dass es kaum besser geht. Die Mischung aus explosiven, melodischen Riffs und den mal theoretischeren, mal aggressiv leidenschaftlichen Statements von Greg Graffin und Brett Gurewitz war bei fast jedem Track eine Punktlandung. So auch bei Automatic Man, das eine erstklassige Anklage aller gedanken- und motivationslosen Mitmenschen ist, die nicht mehr tun, als nach Vorschrift und ohne Ziel zu arbeiten und zu leben. Dass daraus eine der nachhallendsten Hymnen der Band geworden ist, überrascht wenig.

193.

 

She's Lost Control

 

Joy Division

 

Unknown Pleasures
1979

Was Unknown Pleasures wohl am deutlichsten vom wenig später folgenden und noch ungleich mehr in alles ummantelnder Düsternis untergehenden Closer trennt, ist der noch relativ organische, fast natürliche Sound des Debüts von Joy Division. Nicht, dass Martin Hannett nicht auch hier bereits Atmosphäre über Live-Feeling stellte und dementsprechend klanglich an allem herumgedoktert hat, um die Szenerie möglichst unwirtlich und unwirklich zu gestalten. Aber der letzte Schritt war noch nicht getan in die karge, lebensmüde, unnatürliche Kälte. Zumindest wäre dem so, gäbe es nicht She's Lost Control und damit eine mechanisch anmutende Aufarbeitung der Anfälle, die eine Bekannte von Ian Curtis laufend erlitten hatte. Das monotone, dumpfe Klopfen der Drums, die immerwährende, stete Bassline, die unnatürlichen und unveränderlichen elektronischen Zusätze und Ian Curtis' wohl bis dahin ungerührteste Performance. Eine Mischung, die in Händen dieser Band zu einer erdrückenden Schwere, einer der Wirklich entrückten und unfassbar depremierenden Dunkelheit wird und einen ewig verfolgt.

192.

 

Nowhere To Run

 

Martha & The Vandellas

 

Dance Party
1965

Wer, wenn nicht ich, käme einem in den Sinn als ultimativer Kenner und Liebhaber traditioneller Motown-Klänge der 60er? Natürlich absolut niemand, weswegen dieses kleine, aber feine Stückchen Musik aus der Feder des legendären Gespanns Holland-Dozier-Holland einen würdigen Platz in dieser Liste findet. Der Ruhm von Martha Reeves und ihren Vandellas mag kein ähnlich langlebiger gewesen sein wie jener der Supremes und von Diana Ross. An der nicht zu entfliehenden Leichtigkeit dieses Songs und seiner unwiderstehlichen Hook führt deswegen aber trotzdem kein Weg vorbei.

191.

 

Adam's Song

 

blink-182

 

Enema Of The State
1999

Im latent (post-)pubertären Kanon von blink-182 in den 90ern steht Adam's Song so allein und isoliert von allem anderen da, was diesem Trio damals zugeschrieben werden konnte, dass er vielleicht gerade deswegen umso mehr imponiert. Obwohl sich nämlich Mark Hoppus auf einmal in wehmütiger Manier dem Tourleben und der damit verbundenen Überforderung und Sehnsucht nach dem Zuhause widmet, dabei so nebenbei noch genug andere Interpretationen seiner Zeilen bis zur schweren Depression ermöglicht, spart man sich jede Süßlichkeit und jeden musikalischen Kitsch. Stattdessen reduziert sich die Band auf einen kargen Paarlauf von Hoppus am Bass und Tom DeLonges Riffs, die nur im Refrain ordentlich Lärm machen, und überlasst klangliche Akzente abseits davon hauptsächlich Drummer Travis Barker. Umso authentischer, ungekünstelter und entsprechend nahegehender klingt das Ganze dann auch.

190.

 

illicit affairs

 

Taylor Swift

 

folklore
2020

Einmal wurde sie bereits geadelt für ihr unerwartet in Lockdown-Zeiten erschienenes Album folklore. Taylor Swift hat darauf aber genug verdammt überzeugende und verdammt gefühlvolle Songs zu bieten, dass sich eine zweite Würdigung ausgeht. illicit affairs ist als ungeschönter Blick auf die Schattenseiten amouröser Affären die stimmigste und emotionalste Vorstellung des Albums. Ironischerweise gelingt sie ausgerechnet ohne Beteiligung des Mannes, der die LP stilistisch maßgeblich geprägt hat, nämlich The-National-Gitarrist Aaron Dessner. Stattdessen beweist der zu oft für Glitzer und Pomp verantwortliche Jack Antonoff für einmal, dass er auch ein verdammt gutes Händchen in dezenteren Minuten haben kann.

189.

 

The Partisan

 

Leonard Cohen

 

Songs From A Room
1969

Es mangelt in Leonard Cohens reichhaltigem Œuvre zwar unter Garantie nicht an beachtenswerten Kompositionen, er konnte aber auch auf unnachahmliche Art bereits bestehende Werke interpretieren und prägen. Das dürfte selten so überzeugend und nachhaltig gelungen sein wie bei The Partisan, das sich eines antifaschistischen Chansons aus Weltkriegszeiten annimmt und ihm in teils englischer, teils französischer Form zu ungekanntem Ruhm verhilft. Die dezente, höchst stimmige Begleitung, aus der nur das leicht auf- und abwallende Akkordeon heraussticht, ist ein idealer Unterboden für einen Cohen, der es in der für ihn typischen Manier schafft, gleichermaßen gefühlvoll und ungerührt zu klingen. Trotz der weiblichen Unterstützung in der zweiten Hälfte des Songs ist das Gesamtbild ein tristes, freudloses, kampfesmüdes. Das aber in einer unfassbar vereinnahmenden Form.

188.

 

Born On The Bayou

 

Creedence Clearwater Revival

 

Bayou Country
1969

CCR haben in so kurzer Zeit so viele großartige Songs geschaffen, dass es wirklich verdammt schwer fällt, einen auszuwählen, der die Götter des Südstaaten-Rock am besten symbolisiert. Trotzdem drängt sich für die prägenden Figuren des Swamp Rock Born On The Bayou so ziemlich am meisten auf, ist es doch eine Ode an den Deep South und die dortigen Gewässer insbesondere in der Sumpflandschaft des Mississippi. Dass John Fogerty dort weder herkam noch jemals vorbeigeschaut hatte, bevor dieses geschmeidige Stück bluesigen Rocks entstanden war, tut dabei nichts zur Sache. Zu göttlich ist das Zusammenspiel der Band und ihr ureigener Sound, der, wenn er schon nicht aus den Bayous stammt, dann doch unweigerlich dorthin gehört.

187.

 

Drive

 

R.E.M.

 

Automatic For The People
1992

Wenn R.E.M. auch nicht gerade als ein Chamäleon des Rock gelten können, so war die Geschichte der Band doch die eines steten musikalischen Wandels. Aufgrund der vielen Höhepunkte, die das Quartett dabei erlebt hat, kann man zwar kaum einen Endpunkt dieses Wandels feststellen. Am ehesten dazu verleiten kann einen aber unweigerlich Automatic For The People, das der Vollendung des feinsinnigen Pop Rock, an dem Michael Stipe und seine Kollegen Jahre gearbeitet haben, am nächsten kommt. Leadsingle Drive sollte diese LP als mächtige Eröffnung würdig anführen und besteht bis heute als ein endlos atmosphärisches, melancholisches, nachdenkliches und fast versteckt politisches Stück, das nicht besser ausgeformt sein könnte. Die perfekte Symbiose aus allen Einzelteilen und die makellos eingeflochtenen Streicher belegen die Harmonie, die R.E.M. in ihren besten Tagen zu eigen war, wie fast nichts sonst, was diese Band geschaffen hat.

186.

 

All The Rowboats

 

Regina Spektor

 

What We Saw From The Cheap Seats
2012

Immer mit dem Blick für Kuriositäten des Alltags und kleine, skurrile Geschichten in den alltäglichsten Dingen, ist auch Regina Spektors unbestrittenes Meisterwerk im Songformat nichts anderes als das. Die Gefangenschaft der großen Gemälde in den Museen besingt sie mit ihrer markanten Stimme über den gewohnt tänzelnden Klavierakkorden. Melodisch erstklassig, mit latent spannungsgeladener, drückender Atmosphäre gesegnet und doch verspielt, ist es ein Mahnmal für Spektor und ihren ureigenen Stil, ohne dabei ihren exzentrischen Anwandlungen zu sehr zu verfallen, abgesehen von kurzem, störrischem Beatboxen. Stattdessen glänzt die gebürtige Russin mit einer nicht immer zur Schau gestellten stimmlichen Zurückhaltung, die dem Klavier die Hauptrolle überlässt und trotzdem in den richtigen Momenten ordentlich Eindruck hinterlässt.

185.

 

City Of Delusion

 

Muse

 

Black Holes And Revelations
2006

Das stilistische Potpourri von Black Holes And Revelations kennt so manch richtige Entscheidung und diverse Formen, bestmöglich umgesetzter dramatisch-exzentrischer Epik, wie nur Muse sie leben. Während Knights Of Cydonia diesen Hang zur Übergröße in einen mehrteiligen, verschachtelten Sechsminüter verwandelt, gibt sich City Of Delusion verhältnismäßig kleinlaut, ohne deswegen weniger zu gefallen. Im Gegenteil ist es die wohl stimmigste Ausprägung des Muse'schen Pathos, der sich zu Anfang mit dem luftigen Strumming an der Gitarre genauso gut anhört wie mit der zunehmenden klanglichen Fülle. Dahinschwimmender Bass, dramatische langgezogene Streicher, wuchtige Drums oder gern auch zum Abschluss ein paar latinisierte Bläser? Nichts stört, alles wirkt, selbst Matt Bellamys gegen Ende grenzwertige stimmliche Einlagen.

184.

 

Thnks Fr Th Mmrs

 

Fall Out Boy

 

Infinity On High
2007

In Ermangelung einer irgendjemanden wirklich überzeugenden Erklärung, warum diese Band und dieser Song es hier in diese Liste schaffen, erkläre ich die Erfolgssingle der damals zwischen Pop Punk und glitzerndem Startum stehenden Band für den Inbegriff dessen, was man flapsig als Guilty Pleasure bezeichnet. Wie sehr das Geschmacksverirrung bedeutet und wie sehr es dann doch legitim ist, diese pophandwerkliche Perfektion, die sich immer noch spürbare Riffs inmitten der unverschämt effektiven Streicher erlaubt, trotz einer grotesken, kurzen Latin-Passage eigentlich alles, was Pop sein darf und sein soll. Geister sollen sich scheiden, ob das dann bei einem wie Patrick Stump am Mikro und Pete Wentz als kreativem Kopf alles auch noch im richtigen Ausmaß da ist oder schon komplett über jedes verträgliche Maß hinausgeht. Letztlich ist aber ein leidenschaftlich vorgetragener Ohrwurm mit verdammt starker Hook genau das, was der Song sein soll, und das ist er auf alle Fälle in erstklassiger Reinform.

183.

 

Subterranean Homesick Blues

 

Bob Dylan

 

Bringing It All Back Home
1965

Ob nun eigentlich der Song selbst oder doch das dazugehörige Video weiter oben auf der Legendenliste steht, werde ich an dieser Stelle kaum auflösen können. Weil aber beides in jedem Fall darauf zu finden ist, konnte man bereits mit dem allerersten Studioexemplar eines dem elektrischen Folk Rock zugewandten Bob Dylan feststellen, dass dieser unverschämt talentierte Hund das auch unfassbar gut kann. Nicht nur das, diese locker-leichte Dynamik und die spielerische sprachliche Akrobatik waren in der Form noch nie da gewesen bei ihm oder zumindest nicht annähernd so überzeugend umgesetzt worden. Insofern ist auch Subterranean Homesick Blues wieder mal ein Meilenstein aus seiner Feder, der einer Generation im zunehmend öfter drogeninduzierten Rausch ein bisschen lyrisches Futter lieferte, daneben aber auch einfach makellos bluesigen Rock darstellt.

182.

 

Sonne

 

Rammstein

 

Mutter
2001

 

Während über die Deutschen an sich mittlerweile alles Notwendige geschrieben scheint, ist Sonne insofern immerhin noch eine ganz eigene, humorvolle Komponente zu eigen, als dass die Leadsingle von Mutter eigentlich dazu gedacht war, bald einmal den Einmarsch von Vitali Klitschko bei seinen Boxkämpfen zu begleiten. Es kam nie dazu, weil der Song Klitschko zu hart war, was als ausreichender Beleg für die Großartigkeit dieser viereinhalb Minuten und für die verweichlichte Ader des mehrfachen Schwergewichtsweltmeisters dienen sollte. Und sonst so? Nun ja, präzisester, symphonisch angehauchter und elektronisch unterstützter Rock der Marke episch und mehr, Till Lindemann auf dem stimmlichen Gipfel, Riffwände ohne Ende und knallende Drums. Rammstein eben, wie man sie sich wünscht.

181.

 

Trampled Under Foot

 

Led Zeppelin

 

Physical Graffiti
1975

Zweifellos haben Led Zeppelin auf Physical Graffiti an so mancher Stelle und mit der ausschweifenden Doppel-LP als Ganzes ihre künstlerische Ambition zur Schau gestellt wie selten davor oder danach. Nichtsdestotrotz ist mit Leadsingle Trampled Under Foot ein vermeintlich konventionelles Stück des endlos groovenden Rock das eindeutig zündendste Exemplar auf dem Album. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die Band es wie schon in früheren Tagen meisterlich geschafft hat, John Bonhams erstklassige Drums, John Paul Jones' Bass und vor allem das hier im Hintergrund und einem coolen Solo tonangebende Clavinet, Robert Plants unwiderstehliche kerniges Organ und Maestro Jimmy Page unter einen Hut zu bringen. Letzterer brilliert natürlich wieder mal, perfektioniert seinen Funk-Riff, auf dass es ordentlich "wah-waht", spielt ihn vor- und rückwärts ab, wie es eben gerade passt und vollendet damit etwas, das einfach unfassbar genialer Rock in Reinkultur ist.

180.

 

Occidentali's Karma

 

Francesco Gabbani

 

Magellano
2017

 

Kurzzeitig gab es in Italien fast kein Vorbeikommen an Francesco Gabbani, was durchaus daran liegen könnte, dass er in aufeinanderfolgenden Jahren beim San Remo Festival zuerst den Newcomer-Preis und dann 2017 den Hauptbewerb gewinnen konnte. Das in der Heimat endlos mit Platin verzierte Occidentali's Karma scheiterte dann zwar daran, beim Song Contest alle zu panieren, wie es eigentlich erwartet wurde, ist aber dennoch ein glänzendes Pop-Exemplar. Hooktechnisch geht es selbst mit massivem synthetischem Unterboden nicht besser, darüber thront ohnehin das rauchige Stimmchen von Gabbani, der sich noch dazu textlich ungewohnt gesellschaftskritisch zeigt, die Oberflächlichkeit der hypermedialen Gegenwart und die pseudospirituellen Anwandlungen mancher Mitmenschen zerlegt, ohne dabei irgendwann von verdammt ansteckendem Frohsinn abzukommen.

179.

 

Building The Crate

 

John Powell & Harry Gregson-Williams

 

Chicken Run
2000

Nichts toppt im Reich der Animationsfilme die hohe Kunst der Claymation, die Stop-Motion-Animation herrlichster Knetfiguren. Natürlich stimmt das dann doch nicht so ganz, die Großmeister des eigenwilligen Genres von Aardman Animations, immerhin Schöpfer von Wallace & Gromit, sollten allerdings einen Sonderplatz in unser aller Herzen haben. Wie auch ihr grenzgeniales Kinomeisterwerk Chicken Run, das bis heute einen der Höhepunkte westlicher Animationsfilme darstellt und unschlagbare Komik nicht nur visuell, sondern auch in musikalischer Form zu bieten hat. Die Kompositionen von John Powell & Harry Gregson-Williams überschlagen sich dafür in ihrer klischeehaften Überzeichnung, tänzeln an einem vorbei und reißen einen unweigerlich mit, wenn in Building The Crate anstandslos zwischen Dramatik, skurriler Geschäftigkeit und ein bisschen Action hin und her geschwungen wird. Das dafür notwendige Gemisch aus einer Streicherarmada und ständigen Wechseln zwischen hellen Flöten, schweren Blechbläsern, hohem und niedrigem Tempo, ist unschlagbar. Die erst spät einsetzende, absolut göttliche Einmischung der Kazoos ist es umso mehr.

178.

 

Luna Y Sol

 

Manu Chao

 

Clandestino
1998

Einst zog einer aus, die lateinamerikanische Welt zu erobern. Dies tat er so ziemlich alleine, weil seine anarchistisch veranlagte Punkband positiver Nachrede irgendwann ihr Ende gefunden hatte. Und so war die Zeit reif dafür, dass Manu Chao höchstselbst zu einem Helden der World Music werden sollte. Selten hat einer den Begriff so ernst genommen und sich in so vielen Sprachen, auf so vielen Kontinenten und mit so vielen Einflüssen ausgetobt. Nichtsdestotrotz liegen die Wurzeln einerseits in Frankreich, andererseits noch viel eher im Spanischen und Lateinamerikanischen, sowohl musikalisch als auch sprachlich. Dementsprechend erfreut man sich bei Luna Y Sol einer Vorstellung, die wegen ihrer explosiven Energie fast den Titel Latin-Punk verdient. Jedenfalls hält einen nichts, wenn die Gitarren einsetzen, noch weniger wenn alsbald ein halbchaotisches Gemenge aus akustischen und elektrischen Gitarren, einem Haufen an Percussion und markanten Bläsern an einem vorbeirauscht.

177.

 

When I'm Gone

 

Eminem

 

Curtain Call: The Hits
2005

Zu dem Zeitpunkt, als Eminems erste Compilation und in Verbindung damit als neuer Song When I'm Gone auf der Bildfläche erschienen ist, war in Wahrheit nicht nur bereits sein Zenit überschritten, sondern seinerseits auch bereits zu oft über seine Tochter und das zerstörte Verhältnis zur Mutter gerappt worden. Trotzdem ist es diese Vorstellung, die sich auf dieser Ebene auch mit musikalisch eher stolpernder Aufmachung am deutlichsten einprägt. Das liegt wohl daran, dass hier erstmals weder mit Wut im Bauch und ohne Rücksicht auf Verluste noch mit kitschigen Liebesgrüßen aufgewartet wird. Stattdessen ist es eine wegen ihrer schnörkellosen Erzählung schon eher traurige Sache im Setting der Selbsthilfegruppe, die Eminems eigene Verfehlungen, die Vernachlässigung seiner Tochter und der eigenen Familie, aufarbeitet. Der Refrain kommt dabei nicht ohne Schmalz aus, alles Übrige macht diesen Fehler aber mehr als wett.

176.

 

Outlaw State Of Mind

 

Chris Stapleton

 

Traveller
2015

An gewaltigem Jubel für sein Debüt hat es nicht gemangelt, damals, 2015. Chris Stapleton war zwar nicht komplett aus dem Nichts, aber doch relativ unvermittelt einer der großen Namen des modernen Country und Southern Rock, was insofern sehr gut ist, weil er diesen Status mit seiner Musik verdammt gut rechtfertigen kann. Als eine der kernigsten Gestalten, die die Country-Schmiede Nashville so zu bieten hat, ist er ein Meister des urig-naturbelassenen, vor Blues und Soul überquillenden Country Rock, in dem sich Drums und Gitarren schwergewichtig dahinwälzen und hier und da genauso wie die Mundharmonika zu ausschweifenderen Kunststücken ansetzen. Das ist insbesondere dann ein Traum, wenn wie bei Outlaw State Of Mind noch dazu tunlichst darauf geachtet wird, das Ganze so aufzubereiten, dass man ein Höchstmaß atmosphärischer Stärke irgendwo zwischen dem titelspendenden Outlaw-Feeling, endloser Wüste und Road Movie mitbekommt.


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