A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 16 der unendlichen Liste!

 


125.

 

This Is How I Disappear

 

My Chemical Romance

 

The Black Parade
2006

So sehr sich My Chemical Romance mit ihrer dritten LP auch darauf eingelassen haben, dass endgültig Theatralik und Melodramatik über alles andere siegen, haben sie ein Gutes daran getan, darüber nicht komplett auf ihre musikalischen Tugenden und im Idealfall auch ein bisschen verbliebene Härte zu setzen. Ist das nämlich passiert, hat man das beste von beiden Welten bekommen: Punktgenauen Sound, selbstaufopfernde Auftritte von Sänger Gerard Way, ein bisschen romantisierte Morbidität und als die gebündelte Wucht der beiden Gitarristen, die einen in dröhnenden Gitarrenwänden eingedeckt haben. So geschehen bei This Is How I Disappear, das die Band in ihrer absoluten Blüte einfängt wie nicht sonst.

124.

 

I Miss You

 

blink-182

 

blink-182
2003

Bei blink-182 bedeutete die Abkehr von verbliebenen Resten einer Skate-Punk-Vergangenheit eine Potenzierung der musikalischen Ambition. Die Resultate dessen waren definitiv nicht fehlerlos. Ein Einzelfall ergab sich jedoch, der auch bald zwei Jahrzehnte später noch stilistisch imponiert wie kein anderer Song der Band. I Miss You ist als akustisch gehaltene Ballade mit ihrer starken, an den alten Romantiker Robert Smith und The Cure angelehnten symphonischen Auskleidung rund um Cello und Klavier und dem unschlagbaren Beat ein klanglicher Volltreffer, der atmosphärischer nicht sein könnte. Auch und nicht zuletzt wegen der überzeugendsten gesanglichen Aufgabenteilung von Mark Hoppus und Tom DeLonge, die diese über die Jahre so abgeliefert haben.

123.

 

The Guns Of Brixton

 

The Clash

 

London Calling
1979

The Clash waren zu Zeiten ihres dritten Albums ja endgültig punkig genug, um auf eine irgendwie geartete Reinheit des Punk zu pfeifen und stattdessen London Calling zu einem rockmusikalischen Monolithen zu machen, auf dem von der Punkhymne über Rockabilly, Latin-Einschläge, Garage Rock, R&B und Reggae alles möglich war. Letzteres gibt man sich am besten in Paul Simonons größter Stunde. The Guns Of Brixton ist unschlagbar allein wegen der genreuntypischen Anspannung, die vom Bassisten textlich, aber auch von der ganzen Band mit ihrer getriebenen Annäherung an das eigentlich oft so relaxte Genre aufgebaut wird. Was könnte denn auch besser passen, als eine fast paranoide Beschau der Polizeigewalt und anderer Probleme in Brixton mit latent karibischem Flair...

122.

 

Fare Thee Well, Miss Carousel

 

Townes Van Zandt

 

Townes Van Zandt
1969

Die Kür des schönsten Songs aus der Feder von Townes Van Zandt ist in Wahrheit schwieriger als die seines besten. Das könnte daran liegen, dass mir die Evaluierung schöner Dinge prinzipiell weniger liegt, aber auch daran, dass die eindrucksvollsten Momente des "lonesome stranger" meist von einer derartigen atmosphärischen Tristesse geprägt waren, dass auch eher das der größte Quell ihrer Qualität ist. Die romantischeren Kompositionen haben dem gegenüber nicht selten einen schwierigeren Stand. Dem entgeht aber etwas wie Fare Thee Well, Miss Carousel sehr gut, weil es einfach so unfassbar starke Darbietung ist, dass man sich der süßlichen Melancholie Van Zandts nicht einmal ansatzweise entziehen wollen würde. Stattdessen heißt es, die Schönheit in Wort und Klang zu genießen und sonst nichts.

121.

 

The Murder

 

Bernard Herrmann

 

Psycho
1960

Die Tragweite dieses eigentlich kurzen musikalischen Bruchstückes ist schwer einzufangen. Jedenfalls hat Bernard Herrmann für die quintessenzielle Szene von Psycho, den allseits bekannten Mord in der Dusche, mit seinem schrillen, die Luft zerfetzenden Streicherstakkato den womöglich berümtesten filmmusikalischen Moment aller Zeiten - die Konkurrenz ist jedenfalls endenwollend - gesorgt. Und es gibt auch nichts, was einem einfallen würde zur Steigerung der Wirkung dieser wenigen Sekunden, die einem schon rein musikalisch wie endlose Messerstiche vorkommen und noch dazu in einem schwerfällig-düsteren "Epilog" endet, der die Wirkung des Ganzen noch einmal tiefer sacken lässt. So geht Soundtrack!

120.

 

Marie Douceure, Marie Colère

 

Marie Laforêt

 

Marie Laforêt: Vol. XI
1966

Es kommt zu einem kuriosen Unikat in dieser Liste, nämlich zwei aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Versionen desselben Liedes. Zu verdanken ist das meiner Unentschlossenheit, welcher denn nun wirklich den Vorzug verdient. Glänzende musikalische Überbleibsel der 60er sind sie jedenfalls beide. Im Falle Marie Laforêts als getriebener, wuterfüllter französischer Chanson Rock, dessen karge Gitarrenklänge mitsamt des rastlosen Beats die Anspannung besorgen, die Laforêts Stimme fast nicht in dieser Form hinbekommen kann. Dafür klingt sie zu verführerisch, auch wenn die unterschwellige Aggression in jeder Sekunde zu spüren ist.

119.

 

Paint It Black

 

The Rolling Stones

 

Aftermath
1966

Die eigentlichen Urheber erhalten dennoch den Vorzug, was definitiv nicht am Engelsstimmchen des Mick Jagger liegt. Dieses Duell verlieren die Briten innerhalb weniger Sekunden. Gleichzeitig ist der Song aber nicht minder atmosphärisch, steigert sich nach dem kurzen, ruhigen Intro zu einer depressiven, von Verlust gezeichneten Manie. Noch schwerer wiegt die musikalische Ausformung, bei der sich die Stones wie nicht wenige zur damaligen Zeit vom einen oder anderen Trip in indische Ashrams und vom großen Ravi Shankar dazu inspirieren ließen, die Sitar auf ihre Art einzusetzen. Das gelingt reibungslos, führt mitsamt manch anderer eigenwilligen Soundelemente zu einer einzigartigen klanglichen Kulisse und so nebenbei zu einem Musterbeispiel des dynamischen Rock mit einer Melodie, die ihresgleichen sucht.

118.

 

Darling, Don't Take Me

 

When You're Ready To Go

 

MAITA

 

Best Wishes
2020

Wenn MAITA auf ihrem Debüt etwas bewiesen haben, dann dass es ihnen nicht an der Fähigkeit mangelt, immens atmosphärische, düstere Balladen zu schaffen. Darling, Don't Take Me When You're Ready To Go ist hoffentlich nur die frühe Spitze eines Eisbergs, der da zukünftig noch aufzubauen ist. Jedenfalls ist es ein meisterlich beklemmendes, deprimierendes, freud- und hoffnungsloses Schauspiel, das sich um die vereinnahmende Stimme von Maria Maita-Keppeler aufbaut. Dass es sich aufbaut, ist vielleicht der einzige kleine Makel, ist es doch für eineinhalb Minuten das Nonplusultra einer schwermütigen Tristesse, in der nur versunken werden kann. Die relative Dramatik in der zweiten Songhälfte kann das nicht verstärken, tut aber wiederum auch nichts, um einen der Komposition weniger verfallen zu lassen.

117.

 

Wahrnehmungssache

 

Felix Kramer

 

Wahrnehmungssache
2018

Aus heimischer Sicht war es ein Debüt für die Ewigkeit, das Felix Kramer 2018 abgeliefert hat. Weil es sich nahtlos einreiht in eine traditionsreiche Riege urösterreichischer Liedermacher und dabei an die besten Momente dieser Spezies anschließen konnte. Gelungen ist das netterweise auch ohne klischeehafte Regionalität, ohne übertriebenen Wiener Schmäh oder ähnliches, sondern mit einer phasenweise tiefemotionalen, persönlichen Songsammlung. Im Falle der ersten Single gelang der Spagat zur Gesellschaftspolitik in überzeugendster Manier. Wahrnehmungssache kanalisiert Verdruss, Fassungslosigkeit, Überforderung und Zukunftsangst zu einem wehmütigen Blick auf die alltäglichen Zustände im Land und auf der Welt, der nicht ganz ohne Schmäh daherkommt, aber trotzdem vor allem von einer resignativen Aura bestimmt ist.

116.

 

Sweet Dreams (Are Made Of This)

 

Eurythmics

 

Sweet Dreams (Are Made Of This)
1983

Der Synth Pop hat Zeit seines Bestehens und insbesondere in seinen dominantesten Phasen wenig hervorgebracht, das vorbehaltlos genossen werden kann. Eurythmics dürfen sich aber rühmen, ein derartiges Exemplar geschaffen zu haben. Annie Lennox' unwiderstehliche, tiefe Stimme und die unvergesslichen Hooks der sich duellierenden Synthesizer haben Sweet Dreams zu berechtigtem Ruhm verholfen und sind verantwortlich für eines der atmosphärischsten Stücke des elektronischen Pop, die sich finden lassen. Dass dem thematisch nicht, wie fast die ganze Welt vermutet und das Video doch irgendwie zu suggerieren weiß, gewisse sexuelle Vorlieben zugrundeliegen, sondern die emotionalen Tiefen nach dem Zerbrechen der vorigen Band des Duos, soll da nicht weiter stören.

115.

 

Big Time

 

Peter Gabriel

 

So
1986

Fast immer mit mehr Ideen als Möglichkeiten der Entfaltung dieser ausgestattet, hat Peter Gabriel auch auf seinem kommerziellen Gipfel rund um Sledgehammer eher wenig so gestaltet, dass es fad oder uninteressant klingen könnte. Und so ist dem ehemaligen Genesis-Frontmann mit Big Time etwas ausgekommen, dessen funkiger Dance-Sound zur unwiderstehlicheren und eigenwilligeren Sorte zählt. Die markante Bassline, deren abgehackte Härte den Drums Konkurrenz macht, ist der Tatsache zu verdanken, dass Bassist und Drummer gemeinsam den Bass bearbeiten durften und die Sticks für die Saitenschläge verantwortlich sind. Selbst ohne dieses Unikum würde aber eine mächtige Hook bleiben, über der man Gabriels herrlich sarkastischen Blick auf wirtschaftliche Durchstarter und den Run auf finanziellen Reichtum genießen kann.

114.

 

Fell On Black Days

 

Soundgarden

 

Superunknown
1994

Nichts, was Soundgarden geschaffen haben, kann sich rühmen, eine Wirkung zu entfalten wie das düster brodelnde Fell On Black Days. Vielleicht liegt das daran, dass die oft diffusen Depressionsschwaden, die die sich schwergewichtig dahinwälzenden Powerballaden der Band symbolisieren, selten so mit dem Text harmoniert haben. Denn es regiert auch da Cornells unerklärliche Angst, selbst im höchsten Stimmungshoch plötzlich in Depression zu verfallen und gerade wegen der Grundlosigkeit keinen Ausweg zu kennen. Und wenn die US-Amerikaner mit Cornells unverwechselbarer Stimme, Kim Thayils Riffs und den drückenden Basslines von Ben Shepherd eines können, dann genau dieses Gefühl vermitteln.

113.

 

Out For Blood

 

Sum 41

 

Order In Decline
2019

Zwar war das eigentlich Comeback schon wieder ein paar Jahre Geschichte, als die Kanadier von Sum 41 2019 mit einer neuen Single antanzten. In Wirklichkeit konnte aber erst Out For Blood als Wiederauferstehung einer verloren geglaubten, kompromisslosen Schlagkraft gelten. Wie in besten Chuck-Tagen schreit sich Deryck Whibley seinen Frust von der Seele, zielt auf Donald Trump und wird dabei begleitet von einem klanglichen Sperrfreuer, in dem Frank Zummos wuchtige Drums mitunter fast untergehen, weil das Gitarristentrio Whibley, Tom Thacker und Dave Baksh - der so nebenbei ein großartiges Solo aus dem Ärmel schüttelt - derartig aufdreht, dass man fast weggeblasen wird.

112.

 

Me And The Devil

 

Soap&Skin

 

Sugarbread
2013

In einer an Höhepunkten insbesondere zu Anfang sehr reichen Karriere war die EP Sugarbread noch einmal ein ganz eigener. Unter anderem hat das mit Soap&Skins Rückgriff auf ganz altes Liedgut zu tun. Robert Johnsons Blues Me And The Devil wurde ihrerseits aus den 30ern ins neue Jahrtausend geholt und zu einer behänden elektronisch-symphonischen Ballade gemacht. Die erweist sich als gleichermaßen majestätisch-elegant und in Anja Plaschgs typischer Manier jede positive Regung erstickend düster und beklemmend, auf dass man sich tatsächlich dem Ende nahe fühlt und fast schon die Überfahrt über den Styx vor sich sieht.

111.

 

Run Through The Jungle

 

Creedence Clearwater Revival

 

Cosmo's Factory
1970

Wie wenig es manchmal braucht für legendäre musikalische Minuten konnten CCR generell ganz gut belegen und im Falle von Run Throught The Jungle umso mehr. Mehr melodische Monotonie geht an sich kaum und doch oder gerade deswegen ist der Track eine der ruhmvollsten Hinterlassenschaften der Band um John Fogerty. Zu verdanken ist das der erstklassigen Hook, den markanten Mundharmonikaeinsätzen, dem bluesigen Groove und den vielen kleinen musikalischen Eindrücken, die man bestenfalls sekundenweise gewinnt. Und weil irgendwo in diesem Song eine Urquell atmosphärischer Kraft steckt, den man gar nicht lokalisieren kann.

110.

 

Elevator Operator

 

Courtney Barnett

 

Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit
2015

Erwischt man den richtigen Song, braucht es genau nur diesen einen, um Courtney Barnett komplett zu verfallen. Oder zumindest gewissen Seiten der Australierin. Spezifisch sind das ihr zumindest am Debüt ausgelebtes Händchen für locker-rockige Arrangements und noch weit mehr diese unnachahmliche Mixtur aus Phlegmatismus, hintergründigem, teils absurdem Humor und gleichzeitiger Lebensfreude und -müdigkeit. Elevator Operator ist die Anlaufstelle, um all das in unwiderstehlicher Reinform zu erleben.

109.

 

Lucy In The Sky With Diamonds

 

The Beatles

 

Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band
1967

Wenige hatten ein solches Talent dafür, psychedelische Exzentrik so grenzenlos unterhaltsam zu machen, wie es John Lennon zum Ende der 60er hin entwickelt hat. All die ausschweifenden Studiospielereien und Klangcollagen, die freimütigen Genreausflüge und die Heerschar an Einflüssen und Instrumenten, die so leicht zu theatralischem Kitsch und klanglicher Übertreibung führen konnten,  waren bei ihm meist ein Mittel für humorvolle Grotesken und bewusste Entgleisungen. Lucy In The Sky With Diamonds ist eigentlich nicht wirklich etwas anderes, verarbeitet die Inspiration durch Sohn Julian und seine Kinderzeichnung zu einem Fiebertraum in Anlehnung an "Alice im Wunderland", der mit all seinen göttlichen Soundmanipulationen, seinem schrägen Orgelklang und den Tempobrüchen ein unschlagbares Erlebnis ist.

108.

 

Everybody Knows

 

Leonard Cohen

 

I'm Your Man
1988

Es ist gar nicht so oft passiert, dass sich Leonard Cohen dazu hat hinreißen lassen, seine doch meist romantischen Ergüsse durch etwas zu ersetzen, das sich fast schon als zynisch, jedenfalls aber als tiefschwarz humorvoll bezeichnen lässt. Netterweise ist es aber passiert, sodass die Welt Everybody Knows geschenkt bekommen hat und damit einen Song, der auf einzigartige Weise die Brücke zwischen einer hoffnungslosen Bestandsaufnahme der globalen und ganz persönlichen Missstände und bissigen gesellschaftskritischen Bemerkungen schlägt. Sein angestammtes, düster-nachdenkliches Terrain verlässt er damit zwar nicht, danach hätte aber sowieso keiner gefragt. Stattdessen bekommt man die vielleicht beste Facette dessen, was Cohen in diesen Sphären ausgraben kann.

107.

 

Mein Herz Brennt

 

Rammstein

 

Mutter
2001

Die cineastisch-orchestrale Epik, die Rammstein in ihren besten Tagen wie aus dem Effeff beherrscht haben, ist eigentlich nirgendwo so eindrucksvoll zur Geltung gekommen wie ganz zu Beginn ihres dritten Albums. Mein Herz Brennt wurde die Ehre zuteil, das musikalische Monument Mutter zu eröffnen und diese Aufgabe ist so glorreich übererfüllt worden, dass es bis heute rätselhaft bleibt, wie der Song nicht bereits damals zur Single werden konnte. Diesem Versäumnis zum Trotz hat  das albtraumhafte Schlaflied wohl auf ewig einen Platz unter den besten Momenten, den die Deutschen je erlebt haben. Wegen des großartigen Streicherarrangements, wegen der drückend schweren Aura des Songs, wegen der vielleicht ultimativen Darbietung von Till Lindemann.

106.

 

Schrei Nach Liebe

 

Die Ärzte

 

Die Bestie In Menschengestalt
1993

Gerade in jenen Tagen, in denen der Rechtsextremismus in Deutschland einen modernen Höhepunkt erreicht hatte und Anschläge auf Asylheime mit breiter Akzeptanz und Duldung in der Bevölkerung fast an der Tagesordnung standen, gedachten die Ärzte ihr Comeback thematisch passend zu feiern. Geworden ist daraus der wohl bedeutendste Song des Trios, der die punkige Seite der Band mit Streichern verstärkt, deswegen aber in puncto Nachdruck keine Abstriche macht und vor allem textlich bis heute als legitimer Klassiker und erstklassige Hymne wider den Neonazismus und rechte Gewalt besteht.

105.

 

Nothing Else Matters

 

Apocalyptica

 

Inquisition Symphony
1998

Während Nothing Else Matters innerhalb jener Menschenschar, die etwas für Metallica übrig hat, bis heute als Spaltpilz fungiert, war die dem Kitsch angenäherte Powerballade immerhin das ideale Rohmaterial für ein Quartett finnischer Metallica-Aficionados. Die können nämlich unter dem Namen Apocalyptica auf geniale Art miteinander Cello spielen und während sie das durchaus stark auch in Form von Covers lauterer Metalkompositionen getan haben, ist vor allem die den Streichern überlassene Version dieses Songs ein Meisterwerk, das als im genau richtigen Maße dramatisch, gefühlsbetont und wehmütig erweist.

104.

 

The Meaning Of Life

 

The Offspring

 

Ixnay On The Hombre
1997

Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist eine nachweislich schwierige und es lohnt sich ehrlicherweise nicht, danach in der Musik oder damit verbundenen Texten zu suchen zu beginnen. Viel lohnender ist es, sich von Dexter Holland in einem der punkigsten Offspring-Auftritte entgegenschreien zu lassen, dass er sich das mit dem Konformismus nicht geben und stattdessen sein Ding machen will. Das hat was, vor allem wegen dieses Riffs, der einem da von der ersten Sekunde an mitsamt Ron Weltys aggressivem Getrommel um die Ohren fliegt und diesem Refrain, den einem in klassischer Bandmanier irgendwie so nicht und nicht aus dem Kopf gehen will.

103.

 

Master Of Puppets

 

Metallica

 

Master Of Puppets
1986

Je nach musikalischem Werdegang, mag dies tatsächlich auch sehr anders ausschauen können, begegnet man jedoch Metallica erstmals und passiert das, was gar nicht so unrealistisch ist, zufällig mit Master Of Puppets, kann man sich auf eine neue klangliche Erfahrung gefasst machen. Denn Epik und Härte haben selten so eine vollendete Verbindung gefunden wie in diesem achteinhalbminütigen Koloss. Fast steckt schon so etwas wie Eleganz in diesem Song, der sich zuerst minutenlang der brutalen, hymnischen Härteeinlage hingibt, um plötzlich in ein sphärisch dahinschwebendes, spaciges Solo zu münden, das erst langsam wieder den Weg zu metallischer Wucht findet. Dann aber so richtig. Und weil diese Pole in für die Band auf ihrem Zenit gewohnter Souveränität ausgeformt werden und man dementsprechend gleichzeitig von der musikalischen Druckwelle umgerissen und atmosphärisch eingefangen wird, ist da nichts zu bemängeln.

102.

 

Silver

 

Pixies

 

Doolittle
1989

Keine Ahnung, wer die Pixies auf die Idee gebracht hat, sich in countryeskes Terrain vorzuwagen. Jedenfalls ist es geschehen und hat auf Doolittle mit Silver ziemlich reichhaltige Früchte getragen. Von Kim Deals großartiger Performance an der Slide Guitar angetrieben und durch Black Francis' hohe Stimme in groteske Sphären gebracht, ist es ein kurzer, aber unglaublich überzeugender Trip in Western-Terrain, der ohne Gesang gerne auch in einem Film von Sergio Leone seinen Platz finden dürfte. Und das ist eine Adelung für so ziemlich jedes Stück Musik.

101.

 

The Legend Of Ashitaka

 

Joe Hisaishi

 

Mononoke-hime
1997

Joe Hisaishis Talent der Anpassung seiner Soundtrackarbeiten an die Szenerie des jeweiligen Films hat dazu beigetragen, dass man von ihm genauso schillernde Keyboard-Sequenzen wie verspielte Orchesterklänge und voluminöse Streichersuiten haben kann. Letzteres hat sich insbesondere bei Mononoke-hime, das in längst vergangene feudale Zeiten Japans eintaucht, angeboten. Dementsprechend gerät auch The Legend Of Ashitaka als zentraler Teil des Soundtracks zu einem eleganten und doch emotiven Stück, das sich insbesondere auf die Armada an Streichern verlässt, die das Orchester hergibt. Und daraus kreiert der Japaner ein unvergleichlich stimmungsvolles Ganzes, das über fünf Minuten einige atmosphärische Auf und Abs erlebt, dabei aber fast durchgehend von einem schwergewichtigen, majestätischen Korpus an Instrumenten geprägt wird, die mitunter derart raumfüllend geraten, das sie beinahe wie eine Naturgewalt wirken.


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