A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 8 der unendlichen Liste!

 


325.

 

Green Light

 

Lorde

 

Melodrama
2017

Zwar hat es nicht gerade an Jubel gemangelt, als die gerade mal 17-jährige Lorde mit Royals und dem dazugehörigen Debütalbum 2013 immensen Erfolg gefeiert hat, ein bisschen einförmig, ereignisarm und inhaltlich anstrengend war das Gehörte nebst allem spürbaren Potenzial aber trotzdem. Ein Album später und von all dem ist hauptsächlich das Potenzial geblieben, das auf Melodrama verdammt stark ausgespielt wird. Am besten auf der Leadsingle Green Light, die die atmosphärische Ambivalenz des Album so gut wie kein anderer Song darauf verkörpert. Auf einsame Klavieranschläge und angespannte Ruhe folgen hektische Stimmmanipulationen und vor allem ein fast schon euphorisch anmutender Refrain, der kaum vermuten lässt, dass sich hinter der schillernden Elektronik-Ausstattung eigentlich eine Abrechnung mit dem Ex-Freund verbirgt.

324.

 

I Want You

 

Bob Dylan

 

Blonde On Blonde
1966

Bob Dylan, der alte Romantiker! Damals auf Blonde On Blonde und damit seinem ersten wirklich ausschweifenden Album war er es einmal sogar in einer süßlich-kitschigen Form, wie man es von ihm nur allzu selten gehört hat. I Want You galoppiert in einer hellen, locker-beschwingten Art dahin, dass man darüber fast überhört, wie Dylan in gewohnter Manier unzählige Charaktere einbaut und mit Referenzen um sich schmeißt. Und es ist recht so, sprudelt doch aus der Komposition eine romantische Fröhlichkeit, die ihresgleichen sucht und im Kanon des Singer-Songwriters einen so eigenständigen Platz einnimmt, dass man sie nur schätzen kann.

323.

 

Wait

 

The Beatles

 

Rubber Soul
1965

Befreit vom Stress ewigen Tourens, von kreischenden Fanmassen und Filmaufnahmen hatten die Beatles Mitte der 60er endlich Zeit und Freiheit, um in ihrem Sinne am eigenen Sound zu feilen. Das Ergebnis war mit Rubber Soul der weithin bekannte Quantensprung, der sie klanglich dem aufsteigenden Folk Rock näher brachte, vor allem aber eine Präzision und klangliche Klarheit mit sich brachte, die man von den Briten bis dahin nicht gekannt hat. Und während bei all dem auch erste musikalische Ausflüge gewagt wurden, Norwegian Wood beispielsweise den ersten Einsatz der Sitar brachte, klingt für mich eines der einfachsten Stücke des Albums auch nach Jahren noch am besten. Wait ist damit noch nahe dran an vorangegangenen Pop-Rock-Übungen, das aber in einer so feinsinnigen Art, mit einer so herrlichen Melodie und einem wehmütigen Unterton, dass es Rubber Soul als Ganzes ideal verkörpert und die simplere Seite der Band zu einer etwas mehr als zweiminütigen Vollendung bringt.

322.

 

Harder, Better, Faster, Stronger

 

Daft Punk

 

Discovery
2001

Als womöglich wichtigste Vertreter elektronischer Musik in den letzten 25 Jahren, haben Daft Punk dafür gesorgt, dass bei ihrer Nennung verdammt viele umgehend ins Schwärmen geraten. Mir ist das ob der eigenwilligen, oft langatmigen und atmosphärisch schwierigen Art vieler ihrer Songs nicht in dem Maße gegeben. Immerhin aber schlägt Harder, Better, Faster, Stronger so sehr ein, dass er auch meinerseits etwas Huldigung einheimst. Der in genialer Weise gleichermaßen funkig dynamische und abgehackt mechanische Klang des Songs spielt mit seinem Keyboard-Loop, mit den klassischen Daft-Punk-Vocoder-Vocals, die mehr Melodie mitbringen als die umgebende, dauerhaft stockende Musik und mit den immer präsenten Cymbals ein Traum von einer Klangcollage, die einen nicht ruhig sitzen lässt.

321.

 

Passing Afternoon

 

Iron & Wine

 

Our Endless Numbered Days
2004

Fernab jeglicher klanglicher Kunststücke findet sich mit Sam Beam einer, der als Iron & Wine die gitarrenlastige Ruhe so verinnerlicht hat, dass man ihn sich eigentlich in keinem anderen musikalischen Setting vorstellen kann. Passing Afternoon bleibt diesem Stil treu, findet trotz Unterstützung durch das Klavier und kaum spürbare Drums zu einer aufs Nötigste reduzierten, berührend gefühlvollen Darbietung, die letztlich alle Vorzüge des US-Amerikaners in einen Song komprimiert. Stimmlich wie musikalisch durchgehend sanftmütig und in behänder Gleichmäßigkeit verharrend, ist es gerade diese Ruhe, die dafür sorgt, dass sich der zerbrechliche Song emotional zunehmend tiefer eingräbt.

320.

 

Unprotected Sex With Multiple Partners

 

Against Me!

 

Searching For A Former Clarity
2005

Diesem genialen Exemplar eines Songtitels folgt zwar im Song selbst keine hocherotische Eskapade, dafür aber eine großartige Abrechnung mit der Musikindustrie und der vielen Einflüsterer und Hindernisse, wenn man sich für den Erfolg nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen will. Laura Jane Grace bellt sich da in gewohnter Manier die Seele aus dem Leib, während die Band mit einem erstklassigen Riff und ebensolcher Bassline dem punkigen Background der Band alle Ehre macht und jegliche sonst auf dem Album zu Tage getretenen folkigen Anwandlungen außen vor lässt. Stattdessen wird mit galoppierendem Drive in den Strophen auf den fast wehmütigen Chant im Refrain zugesteuert.

319.

 

All That Is My Own

 

Nico

 

Desertshore
1970

Just zum Anbruch der 70er sollte Nico ihren Höhepunkt erreichen. Während die später zunehmend ausufernde Drogensucht erst in ihren Anfängen war, war die Deutsche künstlerisch der Vollendung nahe und schuf zusammen mit John Cale ein Album, das gleichermaßen beeindruckend und beängstigend ist. Ähnlich wie Vorgänger The Marble Index blüht auch Desertshore in den unwirklichen, zwischen klassischer Romantik und depressiver Entrückung wandelnden, mitunter klaustrophob anmutenden Arrangements auf. All That Is My Own tut das auf alle Fälle, unterlegt Nicos schon für sich genommen schrägen, die schlimmsten Zustände heraufbeschwörenden Sprechgesang mit einer bizarren Mischung aus ihrem heißgeliebten, monoton dahintrabenden Harmonium, kratzig-schrägen, omnipräsenten Streichern, sporadisch dumpf einsetzenden Trompetenklängen und wuchtigen Trommelschlägen. Das Resultat ist ein Gesamtkunstwerk, allerdings in einer Form, die einen nicht ruhig schlafen lässt.

318.

 

The Roof Is Leaking

 

Phil Collins

 

Face Value
1981

Schnulzenbarde Phil Collins ist ja nebst allen kitschigen Anwandlungen und zunehmenden Geschmacksschwierigkeiten immer noch ein guter Musiker. Und nirgendwo hat er das während seiner Alleingänge eher unter Beweis gestellt als auf Face Value, das sich von später bis zum Exzess praktizierten 80er-Anwandlungen fast komplett fernhält und stattdessen ein organisches, atmosphärisches Ganzes ergibt. Hin und wieder sogar in so reduzierter und perfekt intonierter Form, dass wie im Falle von The Roof Is Leaking einer seiner emotionalen Höhepunkte herausschaut. Das selbstverständlich ohne Schmalz, sondern viel eher als karge, dem Blues und Country angenäherte Ballade, die in einer von Pomp befreiten Kombination aus Klavier, Slide Guitar und Banjo einen idealen Unterboden findet für Collins trost- und hoffnungslose Erzählung vom verarmten Bauern, der seine Familie nicht zu ernähren weiß.

317.

 

Blue Orchid

 

The White Stripes

 

Get Behind Me Satan
2005

Der Hang zu Theatralik und einer gewissen klanglichen Übertreibung hat bei den White Stripes zu höchst durchmischten Resultaten geführt, immerhin aber auch eine Perle wie Blue Orchid gebracht. Die glänzt allein schon wegen des gruselig-stylischen Videos, das an Tim Burton erinnert und nicht umsonst von jener Dame inszeniert wurde, die schon bei Marilyn Mansons The Beautiful People Regie geführt hat. Nicht minder strahlend ist aber auch die hemmungslos monotone musikalische Aufmachung, die Meg White notorisch einförmige, wuchtige Drums mit einem immerwährend dahinröhrenden, metallisch anklingenden Gitarrenriff paart, dessen stockender Einsatz eine ungeahnte Dynamik mitbringt. Was auch immer es ist, das da funktioniert, es sollte der glänzendste Moment der White Stripes sein.

316.

 

Kreise

 

Wir Sind Helden

 

Bring Mich Nach Hause
2010

Ein zweites Mal dürfen die Helden noch, diesmal sogar in für sie marginal typischerer Form. Man hört im Refrain das Keyboard im Hintergrund eher verhalten schimmern, bekommt ein bisschen mehr von Judith Holofernes' verschroben-kindlicher Textkunst mit, darf sich einer feinen Popmelodie hingeben.  Nichtsdestoweniger entspricht das atmosphärische Gesamtbild aber dem dazugehörigen Album. Ein Hauch von Tristesse, von depressiver Beklemmung ist zu spüren in diesem Song, der einen zum Gefangenen in seinen eigenen Gedanken und seiner selbsterwählten Isolation macht. Und weil Holofernes und die Ihren ein Talent dafür haben, derlei in ihrem ureigenen Spagat zwischen spürbarem Gefühl und einer lapidaren Nüchternheit zu beschreiben, ist es ein gelungener Höhepunkt eines kurzen Banddaseins.

315.

 

I Might Be Wrong

 

Radiohead

 

Amnesiac
2001

Der kleine Bruder von Kid A, das verhaltener aufgenommene Amnesiac, hat spürbar mit seinem roheren Klang, mit seiner weniger durchkonzipiert wirkenden Form und den schlicht weniger effektiven Songs zu kämpfen, sodass statt eines immerwährenden Klassiker lediglich ein ziemlich starkes Album verbleibt. Während das schon keine wirkliche Niederlage ist, wird diese noch viel weniger spürbar, wenn man auf der LP auf etwas wie I Might Be Wrong stößt. Da entfaltet sich nämlich genau jene, halb rockige, halb der Elektronik verpflichtete Beklemmung, die die Briten rund um die Jahrtausendwende perfektioniert hatten. Ein bisschen kryptisch, ein bisschen unterkühlt, ein bisschen inhuman anklingend ist die schmucklose, endlos trabende Loop, über dem sich Yorke in gewohnter Manier wissend und verloren zugleich, jedenfalls aber in unheilvollen Gedanken versunken anhört. Was will man mehr von ihnen, wenn sie das so perfket können?

314.

 

Nowhere Fast

 

The Smiths

 

Meat Is Murder
1985

Eine erneute Verneigung vor den Smiths, diesmal sogar vor ihrer schwierigsten in Albumform gepressten Vorstellung. Beinahe platt in ihrer allzu direkt politischen Manier war es, spätestens an jenem Punkt, als der die Geister scheidende Titeltrack des Albums seinen Auftritt hatte. Davor hat zwar der fast missionierende, jedenfalls botschaftsbeladene Stil auch Spuren hinterlassen, die der Musik ein bisschen ihrer melodieseligen Leichtigkeit und irgendwie anmutigen Art genommen haben. Für glänzende Minuten war dennoch Platz, insbesondere bei Nowhere Fast, dessen galoppierende Drums sich perfekt mit dem Johnny Marrs raueren Riffs und dem countryesken Bass vertragen und den gewohnt gedankenvollen und doch pointierten Morrissey begleiten, wenn dieser die Zeilen "I'd like to drop my trousers to the queen / Every sensible child will know what that means" ins Mikro singt.

313.

 

Woman

 

Kesha feat. The Dap-King Horns

 

Rainbow
2017

Keshas Ausbruch aus der nur teilweise selbsterwählten musikalischen Ausrichtung ihrer ersten Alben brachte ein Comeback, das sich in allen ihr nahen klanglichen Formen austobte. Und so wurde aus dem Elektronikmonster plötzlich eine, die sich liebend gerne zwischen ein bisschen Rock, ein bisschen Country, Gospel, Folk und vielem mehr auszutoben und dabei oft genug verdammt stark zu klingen wusste. Woman, dieses herrlich derbe Manifest auf die selbstbestimmte Frau, gelingt dabei das Kunststück, ihr früheres Ich und das neue am ehesten zu verbinden. Eher überraschend ist es, wie genial diese ausgeflippte, partybereite Attitüde plötzlich daherkommt, wenn sie statt mit elektronischem Vorschlaghammer durch die Dap-King Horns und damit geschmeidigen Bläsersätzen unterstützt wird, auf dass aus dem Song etwas verführerisch Funkiges spricht.

312.

 

Walking On Thin Ice

 

Yoko Ono

 

Walking On Thin Ice
1981

Die vielleicht schwierigste aller schwierigen Damen, die die Musikwelt so zu bieten hat, musste sich über die Jahrzehnte viel gefallen lassen. Nicht nur soll sie die Beatles zerstört haben, nein, auch ihre Musik wäre dermaßen jenseitig und an jedem Geschmack vorbei, dass es fast schon lustig ist. Während ersteres eine ziemliche Realitätsferne erkennen lässt, liegt ein ziemlich vernichtendes Urteil über Yoko Onos musikalische Eskapaden durchaus nahe. Gesanglich nie wohltuend, sondern oft genug zwischen Urschreitherapie und undeutbarem Gekreische, Jaulen und anderem unterwegs, waren ihre Songs eher Performancekunst als sonst etwas. Das ist verdammt - wirklich VERDAMMT - schwierig. Unter Beteiligung der richtigen Personen konnte und den tragischerweise passenden Begleitumständen führte das aber dennoch zu einem beeindruckenden Schauspiel in Form von Walking On Thin Ice. John Lennons letzter musikalischer Akt vor seiner Ermordung sollte die Arbeit an diesem Song sein. Wenige Monate nach seinem Tod veröffentlicht ist es eine in klassischer Ono-Manier exzentrische Vorstellung, die aber mit einem genialen, eigenwilligen Disco-Charme aufwartet und noch dazu textlich erschreckend passend für den erlittenen Schicksalsschlag klingt.

311.

 

Lose Yourself

 

Eminem

 

8 Mile: Music From And Inspired By The Motion Picture
2002

Selten war der Höhepunkt eines Musikers so sehr Höhepunkt wie der von Marshall Mathers im Jahre 2002. Die Musikwelt lag ihm zu Füßen und selbst wenn manch Eingefleischte Fans das künstlerische Hoch mit seiner Eminem Show bereits beendet sahen, konnte er sich definitiv erlauben, was er wollte. Das Ergebnis war eine Filmbiografie, in der er sich selbst spielte und die unverschämt erfolgreich war, sowie ein dazugehöriger Song, der zu einer der bedeutendsten Hip-Hop-Hymnen wurde. Lose Yourself ist seinem damaligen Stilwandel hin zu rockigeren Klängen verpflichtet, macht aber auf dieser Ebene weniger Eindruck als vielmehr dank einer von Eminems souveränsten, punktgenausten und formvollendsten Rapperformances.

310.

 

New Damage

 

Soundgarden

 

Badmotorfinger
1991

Es hat ehrlicherweise ein bisschen gedauert, bis Soundgarden wirklich stilistisch zu sich selbst gefunden hatten. Mit dem Anbruch der Grunge-Welle der frühen 90er war die Suche aber definitiv abgeschlossen und eine Form des schwergewichtigen, hymnischen Hard Rock gefunden, der die Brücke zu schlagen wusste zwischen den Metal-Vorbildern und den hochpräzisen Rock-Monolithen, die Led Zeppelin geschaffen hatten. Am besten näherte man sich dem auf der dritten LP ausgerechnet ganz zu Anfang und ganz zum Schluss an, wobei der Closer noch etwas mehr Eindruck macht. Die unbändige Wucht, diese erdrückende, düster schwelende, sich dahinwälzende Riffwand und die gleichzeitig darin nicht im geringsten untergehende Stimmgewalt von Chris Cornell machen New Damage zu etwas, das an einem nicht spurlos vorüber gehen kann, ob man es will oder nicht.

309.

 

Money Ain't For Keeping

 

The Weight

 

The Weight
2017

Es hat nicht ganz den Erwartungen an österreichische Bands entsprochen, was The Weight im Jahre 2017 unter die Menschen gebracht haben. Wie auch immer es gelungen ist, das Land hatte plötzlich eine Band, die in überzeugender Manier den Classic Rock channelte und sich musikalisch an allen verfügbaren Rockvorbildern der späten 60er und 70er abarbeitete von A wie AC/DC bis Z wie ZZ Top, mit The Who, Led Zeppelin, Deep Purple und vielen anderen mittendrin. Money Ain't For Keeping halt davon am spürbarsten nach, präsentiert diesen naturbelassenen, kernigen Stil mit einem lockeren Drive und einer Energie, die den Track zu einem unüberhörbaren Ohrwurm machen und vor 50 Jahren gut und gerne als erstklassige Rockvorstellung hätten dastehen lassen.

308.

 

Beide Allan

 

Felix Kramer

 

Wahrnehmungssache
2018

Um die andere Seite der Heimat nicht minder gut aussehen zu lassen, kam wenig später Felix Kramer daher und lieferte ein Debüt, das sich ebenfalls auf die 70er zu besinnen wusste, dabei aber eher an österreichische Vorbilder andockte. Der Wiener versteht sich auf das Handwerk des Singer-Songwriters, noch dazu in einer Manier, die im besten Sinne an Wolfgang Ambros oder Georg Danzer erinnert, ohne in irgendeiner Weise verstaubt oder gar kitschig nostalgisch zu wirken. Stattdessen ergibt sich unter Beteiligung von 5/8erl In Ehr'n Mitglied Hanibal Scheutz ein hemmungslos melancholisches, nachdenkliches und ambivalentes Album, das sich trotz fülliger Instrumentierung oft berührend dezent gibt. So auch bei Beide Allan, einem unumwunden ehrlichen, vom Kitsch meilenweit entfernten Trennungssong, der die gescheiterte Beziehung in fast trockener Art Revue passieren lässt und gerade deswegen umso größeres emotionales Gewicht bekommt.

307.

 

Undercover Martyn

 

Two Door Cinema Club

 

Tourist History
2010

Der Hype rund um drei Nordiren, die sich auf den Indie Pop verstanden, war ein ziemlich kurzer. Daran waren die drei in Anbetracht ihrer nachfolgenden Alben zumindest teilweise nicht ganz unschuldig, 2010 könnte aber auch einfach ein denkbar ungünstiger, weil reichlich später Zeitpunkt zum Einstieg in den gitarrenlastigen Indiezirkus gewesen sein. Immerhin hat es dafür gereicht, mit Undercover Martyn einen hypermelodischen, in hellen Riffs fast ersaufenden Song zu kreieren, dessen Hook solchen Killerinstinkt beweist, dass sie trotz ihrer leichtgewichtigen Art wohl die Zeiten und mit ziemlicher Sicherheit die so ziemlich in der Versenkung verschwundene Band überleben wird.

306.

 

Say It Ain't So

 

Weezer

 

Weezer
1994

Weezer. Schwieriges Thema. Die Band mit dem umtriebigen Frontmann Rivers Cuomo, der sich im 21. Jahrtausend zwar eine gewisse Omnipräsenz im weiten Feld des Pop Rock gesichert hat, in diesem aber viel zu oft durch belangloses Zeug und schlichte Geschmacksverirrungen auffällt. Aber eben auch die Band, die in den 90ern plötzlich zu den beliebtesten Geeks der Welt mutiert ist und eine LP von unbändiger Qualität geschaffen hat. Das Debüt war eine solche zwar für die meisten Kritiker, meiner einer sieht es aber als Werk eher überschaubarer Stärke, das nur selten voll ins Schwarze trifft. Gelungen ist es in Wahrheit überhaupt nur mit Say It Ain't So, diesem Mahnmal jugendlicher Unsicherheit, das sich rund um Rivers Cuomos Eltern dreht und eine der stimmigsten Vermählungen von Grunge und Pop darstellt, die man sich vorstellen kann. Wie da die dezent gezupften Strophen plötzlich in den rauen, drückenden Riffs des Refrains münden und Cuomo insbesondere in der zweiten Songhälfte seine hohe Stimme in verzweifeltes Schreien ausarten lässt, das kann verdammt viel.

305.

 

Sayuri's Theme

 

John Williams

 

Memoirs Of A Geisha
2005

John Williams hat, wenn man ganz ehrlich sein darf, im Laufe seiner Karriere verdammt viele Ehrungen nachgeschmissen bekommen. Darunter auch fünf Oscars bei 52 Nominierungen, wodurch er zweifellos als meistgewürdigter Soundtrackkomponist aller Zeiten durchgeht. Hier haben wir es daher mit einem skurrilen Exemplar zu tun, weil es der eine musikalische Beitrag zu einem Film ist, für den sich Williams einen Oscar verdient hätte, ihn aber nicht bekommen hat. Memoirs Of A Geisha ist dennoch dank seiner Arbeit und der Beteiligung von Yo Yo Ma ein klangliches Meisterwerk, das seinem herausragenden visuellen Spektakel in nichts nachsteht. Der flehende Klang des Cellos in Sayuri's Theme ist davon eigentlich nur ein sehr kleiner Happen, aber auch ein verdammt starker, dessen behände Machart bereits viel dessen mitbringt, was der Soundtrack sonst noch so kann.

304.

 

Crazy Love

 

Chelsea Wolfe

 

Abyss
2015

Chelsea Wolfe verstand sich zwar zu Zeiten von Abyss vor allem auch darauf, ihre Songs in kompromisslos verzerrten Gitarren und damit verbundenen, metallisch dröhnenden Riffwänden untergehen zu lassen. Der Glanzpunkt des Albums ist aber trotzdem Crazy Love und damit eine unfassbar atmosphärische Ballade, deren Klang mitunter den am Albumcover zu sehenden Fall in die Tiefe so perfekt symbolisiert, dass es fast gespenstisch ist. Gleichzeitig ist es ein untypisch eleganter Song für die US-Amerikanerin, dessen karge Gitarrenakkorde von kurzen Streicherstakkatos und langgezogenen, im Hintergrund schrill verhallenden Noten begleitet wird. Zwar erlebt man das mittendrin im Album, in Wahrheit ist es aber die perfekte Einführung in die Düsternis, die die LP als Ganzes ausmacht, und ein herrlich gefühlvoller, ins Dunkel fallender Moment.

303.

 

Heite Drah I Mi Ham

 

Wolfgang Ambros

 

Es Lebe Der Zentralfriedhof
1976

Nebst aller weinseligen Heiterkeit und provokanten Aufmüpfigkeit verstand sich Wolfgang Ambros in jungen Jahren schon auch auf die Schattenseiten der Musik und des Lebens. Wobei er das wohl nicht so gut gekonnt hätte, hätte ihm nicht Georg Danzer diesen herausragenden Song geschrieben. Es ist eine erschreckend frohe Darstellung eines Selbstmords, fast eine Anleitung dazu, die dementsprechend wenig überraschend bis heute schockieren kann. Dass nämlich der Suizid in derart friedfertiger Form besungen wird, man ihn mit sanften Bläsern und Streichern unterlegt und der Text den Tag zu einem, den man feiern muss, erklärt, hinterlässt wohl bei jedem, der dem Lied begegnet, merkliche Spuren. Ein Meisterwerk, aber eines von der ganz, ganz schwierigen Sorte.

302.

 

Demolition Lovers

 

My Chemical Romance

 

I Brought You My Bullets, You Brought Me Your Love
2002

Wir bleiben beim Tod, wenn auch diesmal keinem freiwilligen, dafür in etwas theatralischer Manier inszeniert. All dem waren My Chemical Romance zeit ihres Bestehens immer sehr nahe, im Falle des Closers ihres noch einigermaßen am Hardcore Punk andockenden Debüts wurde all das aber in einer rohen und doch fast feierlichen Art umgesetzt und insbesondere von Gerard Way in dramatischer, manischer Art besungen, dass es unter die Haut geht wie nichts sonst von der Band. Das Liebeslied der anderen Art, das die Geschichte vom fliehenden Liebespaar erzählt, das im Kugelhagel umkommt, wird zum sechsminütigen, zweigeteilten Epos, das zwischen hoffnungsloser Trostlosigkeit und dramatischen, leidenschaftlichen Ausbrüchen mitsamt Ways gequältem Geschrei hin und her wandert und dabei atmosphärisch und emotional immer dichter wird.

301.

 

Land Of Confusion

 

Genesis

 

Invisible Touch
1986

Auf dem Gipfel des Pop angelangt, waren Genesis zwar wohl für ihre frühen Anhänger, die sich am Prog Rock aus Peter Gabriels Tagen erfreuten, kaum wiederzuerkennen. Der Erfolg war aber gewaltig. Ebenso enorm war die Treffsicherheit, wenn es um poppige Ohrwürmer mit Hitgarantie gegangen ist. Womöglich deswegen, weil dabei Phil Collins' kitschige Seite nicht wirklich zum Vorschein kommen konnte. Stattdessen gibt es dann etwas wie Land Of Confusion, diese Anklage gegen die britisch-amerikanische, neokonservative Dominanz mit besonderem Augenmerk auf Ronald Reagan. Selbstverständlich steht im Zentrum dessen unweigerlich dieses jede Grenzen der Genialität überschreitende, von den Machern der Serie Spitting Image verbrochene Video, das die Band genauso wie diverse Musikerkollegen und den im Weltgeschehen herumirrenden Reagan zu Puppen werden lässt und Komik mit politischem Statement verbindet. Und weil das mit einer unwiderstehlichen Hook, Tony Banks' patentierten Synth-Bauwerken und knackig-sprödem Gitarreneinsatz daherkommt, ist es auch schon ein Volltreffer.


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