A MusicManiac's Top 500 Songs

Nach fast acht Jahren als MusicManiac und noch ein paar mehr der Beschäftigung mit Musik wird es Zeit für einen unzureichenden Versuch eines musikalischen Fazits. Natürlich kommt es, typisch für diesen MusicManiac, in ausufernder Listenform und kürt die verwegene Zahl der 500 als beste befundenen, liebgewonnensten und geschätztesten Songs.
Das eher irrsinnige Ausmaß der Liste, die stilistische Bandbreite der Songs darin und die Wankelmütigkeit im Urteil sorgen dafür, dass auch alle Sorgfalt bei der Erstellung nichts daran ändert, dass sie weder vollständig, noch für mich als Ersteller ultimativ zufriedenstellend oder richtig wirkt. Um den Titel der Liste und ihre Aussagekraft noch weiter zu untergraben, sei auch gleich angemerkt, dass sich unter viele, viele wirkliche Songs auch einige klassische Kompositionen und Soundtrackstücke mischen und ihren wohlverdienten Platz bekommen.

 

Deswegen sei gesagt, dass man diese Liste schon ein bisschen, aber tunlichst nicht zu ernst nehmen darf, sondern man viel eher ein bisschen stöbern, die Musik genießen, Spaß haben, überrascht sein, sich wundern sollte. Für Aufregung, Fragen zu meinem Geisteszustand, Beschwerden über die einen Songs und Jubelstürme wegen anderer ist aber natürlich trotzdem immer in den Kommentaren Platz.

Also dann, rein in Part 15 der unendlichen Liste!

 


150.

 

Frozen

 

Madonna

 

Ray Of Light
1998

Die gefühlt 15. stilistische Neuerfindung in Madonnas Karriere zum Abschluss ihrer so erfolgreichen 90er ist rückblickend wohl ihre eindrucksvollste und womöglich einzige auf Albumlänge wirklich überzeugende musikalische Volte gewesen. Urplötzlich versank die damalige Königin des Pop in einer Vermengung der damals dominierenden elektronischen Musik, irgendwo zwischen Trip Hop, Techno, Ambient und Electronica. Nicht alles davon war überwältigend, zumindest Frozen aber ein fulminanter Volltreffer, der als atmosphärische, minimalistische Ballade emotionale Eiseskälte mit dem überbordenden Mystizismus der damaligen Madonna-Inkarnation zu verbinden wusste. Gebraucht hat es dafür an Zutaten nicht viel, weil das Wenige, was zu hören ist, einfach so perfekt funktioniert. Ein schwermütig mäandernder Streichersatz, ein mechanischer Beat umringt von mehr oder weniger organischer Percussion und vor allem eine Sängerin, die der entrückten visuellen Erscheinung im Video eine genauso unwirkliche stimmliche Darbietung entgegenstellt.

149.

 

The Way I Am

 

Eminem

 

The Marshall Mathers LP
2000

Wut war wohl das vorherrschende Motiv der Marshall Mathers LP. Und wütend war Eminem damals eigentlich so ziemlich auf alles und natürlich auch auf jene, die in den Folgejahren noch viel öfter ihr Fett abbekommen sollten. Die mediale Aufmerksamkeit, der Druck von Label und Fans waren groß genug, um in The Way I Am überzukochen und zu einem Auftritt zu führen, der so durchgehend wütend und fertig mit sich und der Welt klingt, dass man eine Steigerung schwer für möglich hält. Und wenn das auf dem Peak seiner textlichen Fähigkeiten und mit dem dafür perfekt passenden, staubtrockenen und aggressiven Sound der LP auf einen trifft, kann man von einem quintessenziellen Eminem-Moment im besten Sinne sprechen.

148.

 

Jamming

 

Bob Marley & The Wailers

 

Exodus
1977

Die ultimative Vermählung von Entspannung und Ekstase bekommt keiner so hin wie Bob Marley, der zu Zeiten von Exodus mit seinen Wailers gleichermaßen daran gearbeitet hat, Politik und Spiritualität wie auch Reggae und Rock unter einen Hut zu bringen. Jamming existiert allerdings losgelöst von solchen Zielen, ist als eine der leichtgewichtigsten Kompositionen der damaligen Jahre eher ein Mahnmal des großartigen Musikers, den der Jamaikaner auch hergeben konnte, geht mit einer göttlichen Hook und einer so vollendeten Harmonie zwischen allen Beteiligten hausieren, dass es der ideale Gegenpol zu militanten, rebellischen Chants und leidgeplagten Balladen aus seiner Feder ist.

147.

 

Opening Title

 

Stephen Sondheim

 

Sweeney Todd: The Demon Barber Of Fleet Street
2007

Stephen Sondheims großartig morbides und schauriges Musical Sweeney Todd war in seiner filmischen Aufarbeitung ein atmosphärisches Meisterwerk, dessen Stoff und schwarzer Humor nicht besser zu Tim Burton passen hätten können. Notwendigen Änderungen in der Adaption ist es geschuldet, dass von Sondheim extra für den Film auch eine nicht zu überbietende musikalische Einleitung komponiert wurde, die alle klanglichen Horror-Klischees bestmöglich nutzt und aus ihnen epische, getriebene, verfluchte und doch irgendwie romantisch veranlagte dreieinhalb Minuten macht, die nicht zuletzt dank der Orgel unvergesslich bleiben.

146.

 

Tired Of Sex

 

Weezer

 

Pinkerton
1996

Überbordende Selbstironie und depressiver Verdruss haben Rivers Cuomo zur Mitte der 90er dazu veranlasst, eigentlich uns allen aus der Seele zu sprechen, wenn es heißt, er hätte genug vom Sex. Dass der Nerd unter den Nerds seine unzähligen Beischlafpartner auf der Suche nach der wahren Liebe aufzählt, ist dabei zwar humoristisches Gold, aber weniger zündend als dieser einzigartige Sound. Als Einleitung in diese bewusst raue, ungeschönte Lo-Fi-Szenerie, die Pinkerton ausmacht, ist Tired Of Sex als Höhepunkt der abweisenden Klänge des Albums ideal und gleichzeitig der deutlichste mögliche Bruch mit dem Debüt. Was mit schrillem Feedback an der Gitarre startet, geht über in eine der genialsten Synth Lines aller Zeiten, deren schräger Ton anfangs alles überstrahlt und erst im Laufe des Songs von der dumpfen Wucht der Drums, den rauen Riffwänden und Cuomos ausuferndem Geschrei übertüncht wird. Da klingt alles so ideal unsauber, wie es nur geht.

145.

 

Dumb

 

Nirvana

 

In Utero
1993

Als krassester Kontrast zur bewusst ausufernden, abweisenden und von Feedback gezeichneten Manie, die In Utero ausmacht, ist Dumb eine der größten Leistungen Kurt Cobains. Gerade weil es sich in Zurückhaltung übt, den erwartbaren lauten, grungetypischen Ausbruch vermeidet und stattdessen dem kargen Setting nur im Refrain das Cello zur Seite stellt, ist es ein denkwürdiger Moment, dessen emotionale Eindringlichkeit umso größer wird, je mehr Understatement die Band klanglich betreibt. Was alles in allem ein weiteres Indiz dafür ist, dass Cobains stärkste Seiten immer dann zur Geltung gekommen sind, wenn er seinen depressiven Anwandlungen und seinem zumindest zerstört klingenden Selbst in ruhigeren Momenten Platz gelassen hat.

144.

 

I Am A Rock

 

Simon & Garfunkel

 

Sounds Of Silence
1966

Trotz unverändert harmonischem Grundton, ist I Am A Rock als kompositorisches Überbleibsel aus Paul Simons düsteren Tagen ein ungewohnt depressiv anmutendes Stück Musik für das Duo. Und vielleicht macht es da gerade der verhältnismäßig helle Folk-Sound der zweiten LP, die die beiden gemeinsam aufgenommen haben, dass die beschriebene Isolation und Emotionsferne eine umso größere Tiefenwirkung entfaltet. Ein bisschen grotesk wirkt sie, diese Gegenüberstellung heller Akkorde und jedem positiven Gefühl entsagender Zeilen wie "I won't disturb the slumber of feelings that have died /
If I never loved I never would have cried", und genau das ist es letztlich, was den Abschluss des Albums zu einem der besten Songs des Duos macht.

143.

 

Still Ill

 

The Smiths

 

The Smiths
1984

Die Smiths haben wenig Vorlaufzeit gebraucht, um Songs in die Welt zu setzen, die in alle Ewigkeit großartig sein werden. Still Ill ist einer davon und ist die vielleicht gewinnendste Blaupause dessen, was die Band Zeit ihres Bestehens ausgemacht hat. Ein melodisches Gustostückerl der Marke Marr, der mit seinen hellen Riffs durch den Song tänzelt und dabei genauso sehr Kontrast wie Verstärkung für Morrissey ist. Der versinkt derweil in fast resignativer Melancholie, singt sich sein Leid über das UK seiner Tage und persönliche Unzustände von der Seele, blickt gleichzeitig wehmütig in die Vergangenheit zurück. Das sind die Smiths in Reinkultur und Bestform.

142.

 

Shallow

 

Lady Gaga & Bradley Cooper

 

A Star Is Born
2018

Bei aller Wertschätzung für die Stimme, die in Lady Gaga steckt, war die längste Zeit dennoch eher nicht denkbar, die Chart-Dominatorin der späten 00er- und frühen 10er-Jahre irgendwann in einer Form zu hören, die den krassestmöglichen Gegensatz zu ihren verdammt schwierigen Dance-Pop-Anfängen darstellt. Passiert ist es, abgesehen von einer Jazz-Pop-Kollaboration mit Tony Bennett letztlich endgültig 2018, als ein Remake von A Star Is Born die US-Amerikanerin in Richtung Folk und Country und zu Bradley Cooper brachte. Und das war Anlass genug für einen der grandiosesten Popsongs des Jahrzehnts, gleichermaßen gefühlvoll und dezent in seinen ersten Akkorden wie ausufernd dramatisch und majestätisch im weiteren Songverlauf. Dass Coopers Whiskey-Stimme dabei so ideal mit Lady Gagas harmoniert, ist dabei das eine, dass letztere sich aber in der zweiten Songhälfte ins musikalische Nirvana singt und für einen unpackbaren Höhepunkt sorgt, ist die eigentliche Krönung.

141.

 

Volcano

 

Damien Rice

 

O
2002

Tristesse war das vorherrschende Merkmal von Damien Rice' Debüt, allerdings in der am schönsten ausgeformten Art, die man sich im Indie Folk vorstellen kann. Dementsprechend ist auch Volcano atmosphärisch beklemmend in seiner emotionalen Ausweglosigkeit, die das Beziehungsende darstellt, gleichzeitig aber eine klanglich vollendete Komposition. Maßgeblich verantwortlich dafür ist, wie es bei Rice fast immer war, natürlich auch die in ihrer Zerbrechlichkeit alles vereinnahmende Stimme von Lisa Hannigan, aber auch dieser unterschwellig wütende Trab, der sich musikalisch abspielt und dem das Cello mit seinem schwergewichtigen Flehen zur Seite steht.

140.

 

Wiener Blut

 

Falco

 

Wiener Blut
1988

Falcos Genialität hat sich insbesondere dann gezeigt, wenn ihm seine spitze Feder ausgekommen ist und mit einer erstklassigen Pop-Hook dahinspaziert ist. War das auf seinem Debüt noch einer gewissen Regelmäßigkeit unterworfen, ist diese Mixtur in den darauffolgenden Jahren nur mehr selten so prägnant zum Vorschein gekommen, dass man ihr nicht entfliehen konnte. Wiener Blut war aber genau dieser Moment, der sich in Videoform und textlich gleichermaßen an den Grenzen der Genialität an der Wiener Politik, ihren Verhaberungen und korrupten Auswüchsen abarbeitet. Das allein ist bei Falco schon ein Gewinn, in Kombination mit dem ungewohnt dialektlastigen Text und dem rockigeren, härteren Klang, den er sich damals selbst verordnet hat, ist es aber erst recht ein Glanzpunkt dessen, was er konnte.

139.

 

London Calling

 

The Clash

 

London Calling
1979

Die Punkhymne aller Punkhymnen kann eigentlich kaum wirklich beschrieben werden, weil sie zum einen sowieso jeder von hinten bis vorne und zurück kennt und weil ihre Wirkung das Musikalische weit übersteigt. Das soll nicht heißen, dass Simonons Bass nicht genauso erstklassig dahinrollt wie sonst auch oft oder Mick Jones Stop-and-Go-Riff nicht von der zündendsten Sorte wäre. Aber während oft genug Alben mehr sind als ihre Song-Einzelteile, ist selten ein Song in seiner energiegeladenen Darbietung, in seiner politisch wachen, fast endzeitlichen Lyrik, in seiner musikalischen Vollendung noch so viel mehr gewesen als seine gar nicht so imposant klingenden Einzelteile, sieht man vom Gemisch aus hartem Punk und latenten Reggae-Unterton ab, der die Briten damals bereits auf Schritt und Tritt begleitet hat.

138.

 

Beating Around The Bush

 

AC/DC

 

Highway To Hell
1979

Sträflich übersehen wird er meistens, der explosivste und eindringlichste Moment der australischen Testosteron-Bomber. Beating Around The Bush taucht in keinen Bestenlisten auf, nicht mal in denen, die sich nur AC/DC widmen, und ist mit diesem unschlagbaren Riff und Bon Scotts hingerotztem Auftritt nicht nur der Song für jede Barschlägerei, sondern auch bei allen anderen sich bietenden Gelegenheiten ein erstklassiges, unschlagbares Stückchen Hard Rock. Dass es dabei für die Band ungefähr so viele revolutionäre Ideen bereithält wie ein Hahn Eier legt, tut dabei nichts zur Sache. Wenn Angus Young so mit der Gitarre hantiert, braucht's nichts anderes.

137.

 

Bück Dich Hoch

 

Deichkind

 

Befehl Von Ganz Unten
2012

Deichkind mögen mit Befehl Von Ganz Unten die Grenzen des guten Geschmacks in Sachen elektronischer Dröhnung mitunter weit hinter sich gelassen haben. Gleichzeitig ist ihnen aber eine der textlich brillantesten, sarkastischen Annäherungen an die moderne Arbeitskultur gelungen, die man sich vorstellen kann. Und während der Beat wummert und die Elektropunker das mit dem Punk mehr denn je nicht musikalisch, sondern nur ideell ins Auge fassen, fühlt man sich mit jeder Zeile ein bisschen mehr dazu verführt, die größtmöglichen Lautsprecher zu besorgen, heimlich bei der nächsten Vorstandssitzung im Unternehmen damit vorzufahren und die Trommelfelle der dort sitzenden ins Nirvana zu blasen. Auf dass man sich beim Chef beliebt macht!

136.

 

Black Friday Rule

 

Flogging Molly

 

Swagger
2000

Das ordentlich Eindruck hinterlassende Studiodebüt von Flogging Molly hatte neben explosivem Celtic Punk vor allem auch einen Haufen Beobachtungen Dave Kings anzubieten, die dessen Fähigkeit zur Verbindung politischer und persönlicher Themen untermauern. Als langgezogenes, siebenminütiges Epos ist es ein Blick auf den Tod seiner ersten Frau und seinem damit verbundenen Wunsch, aus den USA zurück nach Irland zu ziehen, was jedoch aufgrund der jahrzehntelang anhaltenden inneririschen Unruhen bzw. deren zwischenzeitlicher Eskalation nicht möglich war. So wird der Song zu einem steten, von Instrumentalpassagen durchzogenen Punk-Galopp, in dem erstklassige Riffs einander ablösen und King seine Verzweiflung hinaussingt.

135.

 

Purple Haze

 

The Jimi Hendrix Experience

 

Are You Experienced
1967

Ich weiß nicht, ob es wirklich 10 Sekunden braucht, um Purple Haze zu verfallen, oder ob dieser legendäre Auftritt seine Wirkung nicht doch schon schneller entfaltet. Jedenfalls ist es eines der nicht wenigen Mahnmale für die manischen Distortion-Exzesse des Jimi Hendrix und seine Fähigkeit, auch in diesen dauerverzerrten Minuten mit einem unfassbaren Groove zu Werke zu gehen und einen melodisch mitzunehmen. Was da rauskommt, ist psychedelischer Hard Rock vom Feinsten, der sich mit seinem brachial dahinhämmernden Beat zu Beginn genauso ins Gedächtnis frisst wie mit Hendrix' unwiderstehlicher Gesangsperformance. Und...ja...Gitarre gespielt wird auch ein bisschen....

134.

 

Redemption Song

 

Bob Marley & The Wailers

 

Uprising
1980

Er darf unerhörterweise gleich noch einmal vorkommen, immerhin aber mit der strikten Antithese zum bereits geehrten Jamming. Bereits mit einer Krebsdiagnose konfrontiert und mit seinem bis dahin offensiv politischsten Album, Survival, im Rücken, bedeutete Uprising zwar keine Absage an politische Aussagen, an Reggae oder Melodik, aber es war insbesondere auch ein Ausdruck von Marleys spiritueller Seite. Und es bot mit Redemption Song die drastischste Abweichung vom klassischen Sound, den er zu prägen wusste. Plötzlich war er da allein und nur mit der Akustikgitarre ausgestattet. Daraus wurde ein denkwürdiger Moment, dessen Emotionalität in jedem Wort spürbar ist und der womöglich mit die tiefsten Spuren von Marleys Karriere hinterlassen hat.

133.

 

Whole Lotta Love

 

Led Zeppelin

 

Led Zeppelin II
1969

Schon das Debüt von Led Zeppelin war keines, das sich strikt an irgendwelche Konventionen gehalten hätte, sondern schon mal Jimmy Page mit Violinbogen an der Gitarre schrammeln hat lassen. Doch erst die zweite LP war die, bei der die Briten wirklich begonnen haben, sich klanglich präzise in Szene zu setzen und abenteuerliche, exzentrische Ideen zu denkwürdigen Rockminuten werden zu lassen, die so davor noch keiner gehört hat. Allen voran gilt das für Whole Lotta Love, dessen an sich steter, bluesiger Riff irgendwann plötzlich versiegt, nur um in dieses ausufernde Etwas zu münden, in dem sich verzerrte Gitarrenriffs, Bonhams Drums, das Theremin und Robert Plants Geschrei zu einer außerirdischen Klangcollage vermischen, die zwischen den Ohren hin und her wandert und alles an klanglichen Einfällen zelebriert, die die Band damals so hatte. Und das ist einfach nur herrlich.

132.

 

Billie Jean

 

Michael Jackson

 

Thriller
1982

Der King of Pop hat seinen Namen schon nicht ganz zu Unrecht tragen dürfen. Zwar hat sich das mit Blick auf seine ganze Karriere nicht unbedingt in der Masse der Songs geäußert, aber einzelne legendäre Momente von unfassbarer Strahlkraft kann man ihm nicht absprechen. Man nehme Billie Jean und also eine derart mächtige Mischung aus genialer Bassline, lockerem Beat, endlosem Funk an der Gitarre und genau dem richtigen Maß an Theatralik in den Streicher- und Synthpassagen, dass ein Makel eigentlich unidentifizierbar bleibt. Und dann stelle man noch einen Michael Jackson in die Mitte dessen, der Jahre vor immer mehr ausufernden Darbietungen noch das perfekte Maß aus selbstsicherer Coolness und Exzentrik zu finden wusste, um das gewisse Etwas auch wirklich genau richtig klingen zu lassen.

131.

 

When?

 

Bad Religion

 

Suffer
1988

Die kompromisslose Rückkehr zum Hardcore Punk bedeutete für Bad Religion bei ihrem Comeback Ende der 80er zwar schon auch, dass man auf Suffer durchgehend in jedem Song so gleich geklungen hat, wie es nur vorstellbar wäre. Es war aber eben doch ein verdammt herausragender Sound, der einem da wieder und wieder präsentiert worden ist. Weil man sich jeglichen Schnickschnack erspart hat und stattdessen einfach die röhrenden Gitarren hat sprechen lassen und weil Greg Graffin die paar Jahre der Reifung als Songwriter insofern gut getan haben, als dass daraus etwas wie When? geworden ist. Und wer solche eine leidenschaftliche Abrechnung mit dem Status Quo und den Leiden der Welt hinbekommt, steht auf der richtigen Seite der Musikgeschichte.

130.

 

Down On The Street

 

The Stooges

 

Fun House
1970

Die Stooges haben, nachdem die 60er ein Ende gefunden hatten, gut daran getan, sich vollends der Härte und dem Proto-Punk hinzugeben. Ansonsten wäre die Welt vielleicht nie in den Genuss zu kommen, den steten Riff von Down On The Street aus Ron Ashetons Gitarre vorgesetzt zu bekommen oder den im Gleichklang pulsierenden Bass bis ins Mark zu spüren. So und nicht anders sollen die Stooges, sollen Iggy Pop klingen, am besten inmitten der monoton brodelnden Härte noch mit einem ekstatischen Solo dazu, das den sechs Saiten alle Ehre macht.

129.

 

Tombstone Blues

 

Bob Dylan

 

Highway 61 Revisited
1965

Mitte der 60er hatte Bob Dylan ziemlich viel Spaß im Studio. Zumindest klingt es meist so, wenn man seiner damaligen Inkarnation lauscht. Und dem US-amerikanischen Gott der Songwriter war es zu eigen, dass man fast immer mit ihm Spaß haben konnte, selbst wenn man kaum in die Verlegenheit gekommen wäre, annähernd jede der unzähligen lyrischen Anspielungen von seiner Seite zu verstehen. Was dann aber die ultimative Leistung eines Songs wie Tombstone Blues ist, ist die Tatsache, dass der locker dahingaloppierende Blues Rock fast, aber dann doch nicht ganz zu verdecken gedenkt, dass sich darunter ein trister, anklagender Blick auf die gesellschaftliche Realität, auf ein kriegsgezeichnetes Land verbirgt. Dylan eben, da gibt's nichts außer Begeisterung für das, was der Mann insbesondere damals drauf hatte.

128.

 

St. Anger

 

Metallica

 

St. Anger
2003

Die ganze Entstehungsgeschichte von St. Anger ist so ereignisreich und problembeladen gewesen, dass ihr ein eigener Film gewidmet wurde. Und die Reputation dieses Albums ist denn auch so bescheiden, dass die Fanscharen der Band oft genug nur darüber lachen und spöttisch auf Lars Ulrich und seine "Tin Can Drums" verweisen. Warum genau der Däne mit dem schwierigen Charakter sich bemüßigt gefühlt hat, für dieses Albums sein Getrommel latent nach Aluminium klingen zu lassen, sei zwar dahingestellt. Tatsache ist aber, dass darunter zwar definitiv das Album, nicht aber der Titeltrack gelitten hat. Denn wenn aus dieser LP eines spricht, dann bewusste Verrohung und eine Band sowie insbesondere ein Frontmann, die kurz vor ihrem Ende standen und den dort getroffenen Dämonen einige Songs widmen wollten, um sie zu besiegen. Insofern ist es ein musikalisches Massaker ohne Finessen, dafür mit einer buchstäblichen Dröhnung, die sich in endlosen Riffkanonaden, der Absenz jeglicher Soli und besagtem Drumsound äußert. Eigentlich eine Mixtur des Grauens, in realita aber die bestmögliche Verkörperung roher, verzweifelter, hoffnungs- und steuerungsloser Wut, die in schlichte selbstzerstörerische Raserei ausartet. Nichts anderes symbolisiert St. Anger, das aber auf so richtige Art "falsch", dass es beeindruckend ist.

127.

 

Für Elise

 

Ludwig van Beethoven

 
1810

Vollendete Eleganz. Eine andere, knackig-kurze Beschreibung fiele zumindest mir nicht in den Schoß, wenn es um Für Elise geht. Als steter Bewunderer des Klaviers ist es vielleicht auch ein Leichtes, mich dafür zu gewinnen, aber wann wurde denn je so herrlich an den weißen und schwarzen Tasten gewerkt, so göttlich getänzelt und im einen Moment so verspielt romantisch, im anderen so schwermütig dramatisch, im nächsten wieder luftig dynamisch geklungen? Und selbst wenn man bis heute nicht weiß, wie es denn jetzt hätte klingen sollen, wenn es nach dem guten Wickerl geht, sei einfach einmal vorausgesetzt, dass Herr van Beethoven das schon genau so haben wollte, wie es heute in unterschiedlichen Versionen unwiderstehlich erklingt.

126.

 

Come Out Swinging

 

The Offspring

 

Conspiracy Of One
2000

The Offspring haben immer am besten funktioniert, wenn sie sich etwaiger Abweichungen von der Geradlinigkeit entledigt haben und stattdessen in Aufbringung aller zur Verfügung stehenden Energie losgeprescht sind. Deswegen war auch die Eröffnung der Zusammenarbeit mit dem durch Pearl Jam und die Stone Temple Pilots zu Ruhm gelangten Brendan O'Brien mit Come Out Swinging verdammt vielversprechend. Denn O'Brien hat zwar in den 00er-Jahren zumindest für meine Ohren die Tendenz entwickelt, ehrbare Rockbands mit seinem geschliffenen, schwergewichtigen Sound jeder Dynamik und Spielfreude zu berauben. Im Falle der kalifornischen Pop Punker war das aber phasenweise nicht spürbar und stattdessen lebte ein Höchstmaß an Kraft und Explosivität auf, was den unverändert zum Niederknien einladenden Riffs von Gitarrist Noodles, aber auch diesem unfassbaren Punch der Drums zuzuschreiben ist, der einem die Ohren eindrischt. Es sollte ein sporadisches Vergnügen sein, Offspring und O'Brien beim Zusammenarbeiten zuzuhören, während viel zu oft die Ernüchterung über das durchschnittliche Endergebnis Einzug halten durfte, aber solange es für einen solchen Song reicht, soll es so sein.


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