EAV - Geld Oder Leben!

 

Geld Oder Leben!

 

EAV

Veröffentlichungsdatum: 11.10.1985

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 03.03.2021


Plötzlich ganz oben und doch überm Zenit, jongliert man bissigen Kommentar, Parodie und Stumpfsinn.

 

An dieser Stelle gehört es einfach mal gesagt: Wenn man bei einem Interpreten behaupten kann, ihm wäre auf dieser Website eine ungebührende numerische Überrepräsentation vergönnt, dann ist es wohl oder übel die EAV. Oder die Black Eyed Peas, Kid Rock, Nickelback, Alkbottle, ... ach, lassen wir das lieber. Immerhin ist es ja auch ein Teil der Wahrheit, dass die sich alle hauptsächlich dafür eignen, einen ordentlichen Verriss in die Tasten zu hämmern, wenn gerade wieder einer gebraucht wird. Diesen Verdienst soll man nicht kleinreden. Auch die EAV hat sich da mal für mal als sehr dankbares Ziel erwiesen, sollten mal wieder die unteren Regionen der Bewertungen beleuchtet werden. Auf der anderen Seite verlangt die Seriosität auch nach einer gewissen Wertschätzung für Einsteins Relativitätstheorie, damit für die Feststellung, dass das auch bei der EAV mit der qualitativen Bescheidenheit ja relativ ist, und also für einen fairen Ausgleich durch einen beherzten Griff zu einem ihrer Karrierehöhepunkte. Realistisch betrachtet kann das nur einer so wirklich sein, der große Durchbruch nämlich, der sie zu einer der erfolgreichsten österreichischen Bands aller Zeiten hat werden lassen und das Kunststück geschafft hat, sowohl in Österreich als auch in Deutschland über ein Jahr in den Charts zu bleiben. Greifen wir also zur Puff'n, zahlen wir was ein und sagen wir, was zu sagen ist: Geld oder Leben!

 

Genauso wie dieses Album ein nicht unbedingt vorprogrammierter Megaerfolg war, ist auch die musikalische Ausrichtung eine, die nicht als zwingender nächster Schritt nach dem vorangegangenen Material anzusehen ist. Ursprünglich als vor allem auf das Livegeschäft fokussierte Musikkabarett-Truppe gestartet und damit Jahre befasst, war zwar bereits "Spitalo Fatalo" eine reife, dem Studiosetting mehr als würdige Produktion, der eingeschobene Nachfolger "À La Carte" erst recht ein Genuss, jedoch immer noch eine zugrundeliegende Theatralik und kabarettistische Note, die ursprüngliche Umsetzung als Liveshow zu spüren. "Geld Oder Leben!" ist nun ein Album um des Albums willen, dementsprechend eher als LP gestaltet, mit Skits versehen und auch mit einem dem Jahrzehnt geschuldeten, glatten Popsound gesegnet, der davor kaum zu finden gewesen wäre. Außerdem sind die Zeiten unterschiedlicher Sänger vorbei, Klaus Eberhartinger endgültig der stimmliche Platzhirsch. Nachdem der zwar gesanglich wenig fulminant ist, aber über die Fähigkeit verfügt, seine Stimme komödiantisch in alle Richtungen zu verbiegen, sie an jeden Dialekt, Akzent und Tonfall anzupassen, ist das mal kein Nachteil. Was in diesem nun endlich für ein paar Jahre gefestigten Line-Up steckt, illustriert auch sofort der Opener und Titeltrack, der sich der Welt des schnöden Mammons und dessen unermesslicher Bedeutung widmet, das in ein humorvoll-atmosphärisches Liedchen packt. Eberhartinger gelingt da genauso der abgehackte Monolog im ruhigen, hymnischen Intro, in dem er vom hohen Backgroundchor, minimalistischen Synths und kurzem, dramatischem Streichereinsatz begleitet wird, wie auch sich mit gepresst-kehligem Gesang im gitarrenlastigen Synth-Rock zu behaupten, der darauf folgt. Das Gesamtpaket ist eines der dynamischsten und klanglich frischesten, das die Steirer je zu bieten hatten, schafft es, die unterschiedlichsten musikalischen Eindrücke unter einen Hut zu bringen.

 

Das Album als Ganzes ist, wie es sich für eines der EAV gehört, um nichts weniger vielfältig und erratisch. Die Schnittmenge von mal melodischerem, mal kantigerem Synth-Pop, Parodien von Country und Hard Rock, dem Klavier überlassenen Wienerlied und wenig ernst gemeinten Ausflügen nach Italien und Arabien ist quasi nicht vorhanden, heißt eigentlich ausschließlich Klaus Eberhartinger bzw. EAV. Die Band schafft es aber, dieses Allerlei nicht allzu zerrissen wirken zu lassen bzw. die dauernden, oft von kurzen Skits unterbrochenen Stilsprünge zu ihrem Vorteil und für eine kurzweile Scheibe zu verwerten. Langweilig wird es jedenfalls nicht, wenn man zuerst noch den legendären Zeilen von Ba-Ba-Banküberfall lauschen darf, alsbald in Heiße Nächte (In Palermo) klanglich und textlich in die kriminelle Unterwelt Siziliens eintaucht, zwischendurch im stampfend-harten Rock im Häf'n landet und irgendwann wieder bei einem gediegen nasalen Klavierstückerl herauskommt. Natürlich ist nicht alles davon einwandfrei hörbar, die Volltrefferquote ist jedenfalls keine astronomisch hohe. Aber die Vielfalt macht Spaß und irgendwie beschleicht mich der Verdacht, dass damit das hauptsächliche Ziel der Band bereits erreicht ist.

Man kann sich ausgeprägter Sympathien aber auch nicht erwehren, wenn man sich über dem stampfenden Beat und den angestaubt flimmernden Synths von Ba-Ba-Banküberfall dessen textliche Perlen zur Brust nimmt und zur Erkenntnis kommt, dass die beinahe genauso denkwürdig sind wie die der wichtigsten, satirischen Studie der Wiener Seele, des Films "Muttertag" sind. Thomas Spitzer hat eine seinem Namen gerecht werdende Feder und diese selten so gelungen eingesetzt wie hier, wo nach Schnitzel gelechzt, die Bank mit Strumpfhose am Kopf und Finger statt Waffe überfallen wird, nur um beim ersten Widerstand zu resignieren und das Sparbuch mit ein paar Schilling anzufüllen. Alt, zu Tode gehört und selbstverständlich nicht von musikalischer Virtuosität geprägt, aber ein absolutes Glanzlicht des heimischen, musikalischen Humors. Ähnliches lässt sich wohl sonst mit solch ausschweifendem Lob nur über das finale Morgen sagen, dessen Refrainzeile "Morgen, ja, morgen fang ich ein neues Leben an" wie so Vieles hier zum geflügelten Wort wurde und eine herrliche Beschreibung der oft ambitionierten Vorsätze mancher, die im Stammbeisl schon zum Inventar gehören, darstellt. Dass die noch dazu in uriger Manier auf das nicht ganz so wunderschön dahinklimpernde Klavier und die schmalzigen Streicher reduziert wird, verstärkt die Wirkung genauso wie Eberhartingers großartige, mitunter alkoholgeschwängerte Darbietung.

 

Es wäre natürlich kein EAV-Album, müsste man nicht genauso über markante Schwachstellen sprechen. Das merkwürdige Einsamkeit ist eine solche, klingt elendiglich langweilig und erweckt als Synth-Rock-Stückl den Eindruck, es wäre der unfertige, zusammengeschusterte Bruder von Falcos Macho Macho, das im gleichen Jahr auf "Falco 3" erschienen ist. Virtuose Einlagen erwartet man zwar ohnehin nicht, wird dann der Humor aber auch noch auf so ein kaum erkennbares Mindestmaß gestutzt, das Augenzwinkern so lahm zum Besten gegeben, bleibt wenig bis nichts übrig. Genauso geht es auch der Country-Parodie Helden, die musikalisch zwar so schön billig, kitschig und nicht ernst zu nehmen ist, dass Potenzial zu vermuten ist, die aber dank ihres höllischen Gesangs und des miserablen Witzes, der sich im Vergessen des Texts erschöpft, kaum zu ertragen ist. Dass da im Hintergrund ein Laugh Track eingebaut wurde, um Eberhartingers Aussetzer und sein unpackbares Gejaule zu unterstützen, ist der einzige Hinweis darauf, dass hier etwas Humor beinhalten könnte. Das sind jedoch auch schon die ganzen Reinfälle und das sind für die Verhältnisse dieser Band recht wenig. Dazu gesellt sich zwar die hemmungslose Monotonie der vierten, bis heute nachhallenden Hitsingle Fata Morgana, die trotz anfangs sympathischen Sounds irgendwann höchst durchschnittlich klingt, aber das ist eigentlich ein verschmerzbarer Makel. Genauso wie auch Küss' Die Hand Herr K., das zwar das Verbrechen in kernig österreichischer Manier gut aus dem Häf'n beleuchtet, Kritik an Polizei und Doppelmoral, an eingekastelten kleinen Fischen und in Freiheit urlaubenden Korruptionshelden übt, aber so undynamisch und lahmend veränderungslos ewig dahinstampft, dass es einfach zu viel ist. Auch und nicht zuletzt, weil Eberhartinger im Refrain das Schlimmste aus seiner Stimme herausholt.

 

Dem gegenüber stehen zusätzlich zu den oben erwähnten Höhepunkten die Single-Klassiker Heiße Nächte (In Palermo) und selbstverständlich Märchenprinz. Bei dem wird zwar kein Mensch das hohe Nervpotenzial und die offensichtlichen Schwächen wegdiskutieren können - Thomas Spitzer wollte den nicht umsonst zuerst gar nicht auf dem Album haben -, selbst mit seinem bewusst tödlichen, süßlichen Refrain schafft es der Track aber nicht, die einmal mehr treffsicheren, bissigen Zeilen, die Städter und Provinzler gleichermaßen ins Visier nehmen, und Eberhartingers ideale Performance ihrer Wirkung zu berauben. Und letztlich darf es ja auch bei Zeiten ein bisschen Humor der flacheren Sorte sein, wie die knackig-kurzen, gesprochenen und zur Mafia-Parodie gereichenden Johnny-Einschübe zeigen. Mit denen ist das gelungen, was beim Blick auf die Diskographie der Band eigentlich undenkbar erscheint. So oft sie es nämlich als notwendig empfunden haben, die Tracklist ihrer Alben mit unnötigen Skits zu verlängern und bedenkliche Witzeleien in diese zu verpacken, ist das immerhin beim allerersten Mal in grundsolider Manier gelungen. Zumindest Johnny 1 - Fahrscheine und Johnny 2 - Zuckerwatte fügen sich qualitativ bestmöglich in die musikalische Umgebung ein und umrahmen Ba-Ba-Banküberfall mit eigenen Lachern.

 

Auch deswegen ist "Geld Oder Leben!" ein Album, das man mögen darf - es ist hiermit offiziell erlaubt. Da die EAV in den 80ern noch voll im Saft stand und gerade erst den Weg einer zunehmend poplastigeren, dem ursprünglichen Charakter einer Theater- bzw. Kabaretttruppe entgültig komplett entwachsenen Band beschritten nach, ist das hier Gebotene verdammt frisches Material. Erst mit den langen, langen Jahren ihres Bestehens, sollte die Band irgendwann so beschränkt in ihren Ideen und in ihrem Humor werden, das beinahe alles wie eine schnöde, oft müde Reproduktion dieser erfolgreichen Zeit gewirkt hat. Wie es nun einmal so ist bei diesem Ensemble, bedeutet das leider trotzdem nicht, dass man vor Fehltritten gefeit ist, sodass es ein kurzweiliger, vielseitiger, oft lustiger, oft unterhaltsamer, aber doch auch ein holpriger Ritt ist. Die Schlaglöcher, seien sie nun dem fehlgeleiteten Humor, der klanglichen Bescheidenheit oder beidem geschuldet,  sind zu groß, als dass das nicht so sein könnte. Die Rechnung geht insgesamt trotzdem auf, weil man es hier mit einem Klassiker zu tun hat, dessen Songs sich zu einem Gutteil schon ewig im Gedächtnis halten und doch immer wieder gefallen, der noch dazu den einen oder anderen versteckten, unterhaltsamen Moment bereithält und zum Lachen einlädt. Mehr muss man manchmal nicht wollen.

 


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