will.i.am - #willpower

 

#willpower

 

will.i.am

Veröffentlichungsdatum: 19.04.2013

 

Rating: 2 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 14.11.2019


Selbst mit Hirn im Leerlauf wäre es zähe, einfallslose und unfassbar penetrante Reizüberflutung.

 

 "To have the time of your life

You must abandon all logic and inhibitions

Hence the term 'Let's go crazy'

To have a better experience while partying

Adopt this concept

Let's get dumb"

 

Hat man den Drang, seinem Album eine Spoken-Word-Passage hinzuzufügen, so betrifft das besser Zeilen, die entweder wirklich etwas aussagen, einen gewichtigen Hintergrund haben oder zumindest Humor beweisen. Kommt dagegen etwas wie das oben Zitierte heraus, dann ist bereits hinlänglich geklärt, dass da nichts geht und sicherlich nichts zu finden ist, das eines denkenden Menschen Zeit wert wäre. Das bedeutet blöderweise für all jene, die nicht komplett weich in der Marille sind, sich selbst ein bisschen respektieren und deswegen keine Lust haben, dem Motto "Let's get dumb" zu folgen, dass sie einen eher schwierigen Trip durch ein musikalisches Höllental erleben werden, sobald sie auf die bisher letzte und mit riesigem Abstand erfolgreichste Solo-LP von will.i.am treffen.

 

Natürlich überrascht das niemanden. Dass dem Mastermind der Black Eyed Peas - der Begriff Mastermind scheint etwas wohlwollend zu sein, aber er gibt eben dort den Ton an - nichts auskommt, das man als sonderlich wertvoll oder gar reich an Gedanken ansehen könnte, war im Jahre 2013 so klar wie die Tatsache, dass Limp Bizkit jetzt nicht noch einmal groß durchstarten würden. Insofern ist die katastrophale Qualität von "#willpower" keine Überraschung, sondern die Bestätigung kaum zu unterbietender Erwartungen, die nicht zuletzt der Tatsache entstammen, dass die Peas selbst in den Jahren davor künstlerische Tiefpunkte erreicht haben. Dieses Album prolongiert das gekonnt, allerdings ohne Fergie und damit den zumindest sporadisch rettenden Counterpart zu will.i.am und seinen Zumutungen und ohne jegliche jahrelang aufgebaute Harmonie innerhalb der Band. Stattdessen sieht man sich mit einer Armada an Kollaborationspartnern konfrontiert, über die das Wichtigste gesagt ist, wenn erst einmal festgehalten wird, dass die effektivsten von ihnen Britney Spears, Justin Bieber und Nicole Scherzinger heißen. Diese Dreifaltigkeit des seichten und dumpfen im Pop der letzten zwei Jahrzehnte sind tatsächlich in ihren Minuten rettende Protagonisten, dazu aber später mehr.

 

Die Basis dieses Albums ist die ultimative, nicht zu steigernde Form des grenzenlosen Willens zu Party, Tanzen und hirnlosem Was-auch-immer. Dementsprechend hat man es, grob umrissen, mit zwei Zutaten zu tun, nämlich mit den billigsten sowie fadesten Elektronik- und Produktionstricks, die sich so finden lassen, und mit Texten, die mitunter so komprimiert dämlich und erschöpfend minimalistisch sind, dass durchaus mentales Durchhaltevermögen gefragt ist. Also Four-to-the-floor-Beats, ein bisschen schillernde Keys, ordentlich Autotune, im besten Falle noch ein paar Crowd Chants im Hintergrund und zu Tode produzierte Streicher oder Synthesizer. Das ist es. Durchgehend. Man kann Variationen feststellen, sodass man das dank Eva Simons' sehr ordentlichem Gesangsbeitrag immerhin durchschnittliche This Is Love eher in David Guettas Sphären verortet, während der Auftritt von Miley Cyrus in Fall Down mitsamt den synthetischen Akustikriffs und dem endlosen Pfeifen im Hintergrund latent nach einer miserablen, jeden Lebens beraubten Version von Keshas Die Young klingt. Aber das sind fast nebensächliche Spezifikationen, weil letztlich die musikalische Ursuppe immer gleich mies ist.

 

Wobei das unbefriedigend unpräzise ist. Es gibt schon sehr deutliche Abstufungen, wenn man sich die Mühe macht, in dieser penetranten, über eine Stunde andauernden Elektronikstampede, die einen niederwalzt, wirklich danach zu suchen. Mit Chris Brown im Schlepptau wird Let's Go zu einem Abstecher in den R&B mit dem fadesten Beat seit Menschengedenken und dem müdesten Breakdown, den zumindest ich mir vorstellen kann. Love Bullets findet dagegen in einer kaum fassbaren musikalischen Sphäre statt, in der typischer dröhnender Synth-Pop auf Trance und so etwas wie Dancehall trifft, um damit einen der beschissensten Euphemismen für Sex aller Zeiten zu ummanteln. Und während das wohl der Tiefpunkt des Albums ist, erlaubt sich will.i.am mittendrin gleich ein Trio an absoluten Totalausfällen, die einen dermaßen quälen, dass man einen vorzeitigen Abbruch in Erwägung zieht. Passend eröffnet mit dem lächerlich schlechten Gettin' Dumb, das die Essenz der LP wie nichts sonst einfängt, ist das alles eine endlose Aneinanderreihung flackernder Elektronik in Form fader Keys, lähmend uninteressanter Breakdowns, grässlich klingender Claps und dem einen oder anderen, zum Drüberstreuen eingebauten Soundeffekt. Und nichts davon passt, nicht einmal die ohnehin banale Key Hook in Gettin' Dumb passt irgendwie in dieses nicht zu verdauende Ganze. Mit Geekin' und Freshy entsprechend prolongiert, ist das Album irgendwann so weit unten angekommen, dass man kaum noch etwas anderes als wirklich dermaßen schlecht wahrnehmen kann. Einem Track, nämlich Great Times Are Coming, gelingt es, weil er nicht nur Let It Be massakriert, sondern die krudeste Koppelung von synthetischem Schmalz und penetrantem Trance-Machwerk ist, die es geben kann.

 

Der Verweis auf mögliche Abstufungen war aber nicht nur dahingehend gedacht, dass man absoluten Dreck in seiner Ausformung unterscheiden kann, sondern auch mit Blick auf die qualitative Ebene. Jetzt ist es nicht so, als würde man Hello und damit billigsten Dance-Pop, für den sich Avicii zu schade gewesen wäre, auf einmal gut findet, nur weil er nicht so miserabel ist wie manch anderes. Es gibt allerdings gegen alle Widerstände noch ein paar positive Eindrücke, die man mitnehmen kann. In Schmalspurvarianten ist das der ziemlich frische Beat und die starke Kombo mit den Streichern von The World Is Going Crazy, das nur an der unterwältigenden Vorstellung von will.i.am und seinen schmerzhaft seichten Weltschmerz-Ergüssen scheitert und deswegen ziemlich durchschnittlich wirkt. #thatPOWER wiederum ist der kleinste gemeinsame Nenner des Dance-Pop, nur ist es der einzige Track hier, in dem nicht nur das Feature von Justin Bieber ziemlich ordentlich klingt, sondern sogar will.i.am im Breakdown einmal halbwegs einen Flow zusammenbringt und seine sinnlosen Rhymes passabel runterrasselt.

Weil damit aber immer noch das Mittelmäßige der Gipfel des ganzen Spektakels wäre, bekommt man zwei Songs, die sogar mehr anzubieten haben. Nicht auf die revolutionäre Art, aber Far Away From Home ist selbst mit einer Extraportion Autotune ein stimmiges Duett mit Nicole Scherzinger, das sich ultimativ dort einnistet, wo Katy Perry in ihren wenigen wirklich guten Momenten landet. Das ist dann zwar immer noch nicht gehaltvoll und der sonnige Hollywood-Traum ist auch keine textliche Revolution, aber was lockeren Elektronik-Pop anbelangt, ist das wenigstens mal wirklich gute Arbeit. Auf der ganz anderen Seite steht Scream & Shout und damit Britney Spears. Während der vermeintliche Refrain des Songs banale, bestmöglich zu verdrängende Penetranz ist, funktioniert hier das eine einzige Mal ein Breakdown mal wirklich. Womöglich liegt das nur daran, dass er mit dem Sample von Spears' Zeile "It's Britney, bitch!" auf merkwürdige Art gut eingeleitet wird und Spears selbst dem elektronischen Flimmern mit ihrem schrägen, im britischen Akzent gehaltenen Sprechgesang einen surrealen, fast düsteren Stempel aufdrückt. Aber das ist doch schon einmal was, wenn auch nur, damit ich einmal in meinem Leben Britney Spears loben kann. Dass es sowas mal gibt...

 

Das verdeutlicht auf der anderen Seite auch eine gewisse Verzweiflung, die einsetzt, sobald man auf "#willpower" trifft. Gelingt erst einmal Britney das Nennenswerteste und vor allem Originellste an positivem Beitrag zu einem Album, dann läuft ein bisschen gar viel schief. Doch das erfasst ja nicht einmal im Entferntesten, wie dramatisch miserabel fast alles hier ist. Man braucht nicht einmal bis zur Hälfte der Tracklist, um schon halb verzweifelt nach dem Ende zu lechzen und das, nachdem man eigentlich nicht einmal das volle Intro des Albums braucht, um zu wissen, dass das definitiv nichts wird, was man genießen kann. Es geht schon gar nicht mehr um die Frage, wie einfallslos und repetitiv das alles stilistisch ist, sondern es läuft einfach durch die Bank so unpackbar viel falsch, dass man nicht mehr hinterherkommt mit dem Aufzählen. Da kommt alles zusammen, was an der Person oder, besser gesagt, dem Musiker will.i.am nicht passt und das ist letztlich sowieso beinahe alles, weil mir keine Ebene einfällt, auf der dieses Album wirklich funktioniert, selbst wenn man sich meinetwegen so weit zurückziehen kann, um festzustellen, dass die Produktion mitunter ganz griffig ist. Aber das ist ein bisschen so, als würde man einen Haufen Müll notdürftig dekorieren. Es ist irgendwie immer noch Müll. Und was bleibt einem dann für ein Fazit, immerhin besser als brokeNCYDE?

 

Anspiel-Tipps:

- Scream & Shout

- Far Away From Home


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