The White Stripes - Elephant

 

Elephant

 

The White Stripes

Veröffentlichungsdatum: 01.04.2003

 

Rating: 7 / 10

von Mathias Haden & Kristoffer Leitgeb, 26.06.2015


Ausufernde Exzesse als große Spielverderber einer in technischer Hinsicht exzellenten Performanz.

 

Jack White ist momentan ein sehr gefragter Mann. Punkt. Diese Aussage lässt sich heute, wo der Jahrhundertgitarrist umtriebiger denn je die Medien aufwirbelt, ob er nun auf Auktionen eine sündhaft teure Elvis-Platte ergattert oder lediglich als Produzent für Neil Young die Werbetrommel in eigener Sache rührt, genau so treffen, wie 2003 auf dem Höhepunkt des Triumphzuges mit Kollegin Meg als White Stripes. Unfassbar eigentlich, dass dieser Bursche, der das Business wie seine eigene Westentasche kennt und mittlerweile auch hinter den Kulissen ordentlich die Fäden ziehen darf, in den kommenden Tagen erst seinen vierzigsten Geburtstag feiert. Grund genug jedenfalls, besagtem vermeintlichen Höhepunkt mit Namen Elephant ein paar Zeilen zu widmen.

 

Denn so wirklich vermag man auch aus der sicheren Distanz einer ganzen Dekade nicht ganz nachzuvollziehen, was denn am vierten Studioalbum der Whites so bahnbrechend sein soll, wie uns seit jenen Tagen 'weiß'-gemacht werden soll. Natürlich kann es niemals schaden, eine LP mit einem Riff wie jenem von Seven Nation Army einzuleiten. So tot konnte diese Hymne in Stadien, Werbungen und Co. gar nicht gespielt werden, als dass man sich ihrer Vorzüge, die in der kernigen Technik an der Gitarre, die hier gerne für einen Bass gehalten wird, liegen, nicht auch heute noch durchaus bewusst wäre. Auch abseits des Signaturstückes gibt es einige Argumente für diese LP, die sich mit ihrem in Blues-, Garage- und Punk-Rock getränkten Sound bestens in die Revival-Phase der frühen Noughties einfügen konnte und den Starstatus der Band endgültig einzementierte. Namentlich wären dies u.a. die brillant umgesetzte Adaption des von Pop-Koryphäe Burt Bacharach geschriebenen I Just Don't Know What To Do With Myself mit seinen rasanten Stimmungs- und Tempowechseln oder das beschwingte There's No Home For You Here, dem J. mit einer großen Melodie auf die Sprünge hilft.

 

Und was trägt eigentlich Meg White bei, während Jack sich als Sänger zwar meistens etwas übernimmt, als Gitarrenvirtuose aber überwiegend überzeugt und auch die schwächsten Songs mit knackigen Riffs über Wasser hält? Ihr bleibt neben undankbarer Gesangseinlagen, die der Abwechslung geschuldet immerhin ihren Zweck erfüllen, nur die Rolle als unscheinbarer Trommler im Hintergrund. Was über weite Strecken nicht unbedingt erwähnenswert erscheint, findet zumindest in Seven Nation Army und in erster Instanz The Hardest Button To Button mit stampfenden Beats dankbare Abnehmer.

 

Trotzdem kann man Elephant in musikalischer Hinsicht wenig vorwerfen. Genau darin liegt oftmals auch der Hund begraben. Während sich vor allem der XY-Chromosomer für seine Versiertheit ganz ungeniert auf die eigene Schulter klopft, überspannt er den Bogen mit dieser überschwänglichen Attitüde in Stücken wie Ball And Biscuit oder Little Acorns dann doch zunehmend und ertränkt diese in seiner aufwendigen Gitarrenarbeit; auf 50 Minuten ausgedehnt, ermüden seine Exzesse ohnehin schon recht früh. Nichtsdestotrotz steht die vierte LP der White Stripes aber für eine gediegene Darbietung des Duos, die all ihre Stärken vereint, Jacks große Liebe für 60s und 70s hervorragend einfängt und mit seinen akustischen Stücken, in denen man für die Absenz des Stroms gar nicht dankbar genug sein kann, auch ordentlich Abwechslung bietet.

 

M-Rating: 7.5 / 10

 


Sprudelndes Talent und doch wird zwischen den Exzessen klar: Jack ist weit eher Gitarrist als Frontmann.

 

Ja, er hat schon irgendwie recht, der Kollege. Also eigentlich sehr recht. Nur dass es eigentlich keine Sau interessiert, was Jack White aufführt, genauso wie eigentlich auch 2003. Da mögen die Rockwelt und Neil Young noch so sehr Kopf stehen, man wird es schon bald verwinden. Und irgendwann wird man zurückblicken und keine Ahnung haben, warum um ein rockiges, unausstehliches Rumpelstilzchen überhaupt so ein Trara gemacht wurde. Sollte das nicht passieren, dann bleibt immer noch der klärende Blick auf ein angebliches Wunderwerk in Rot, Schwarz und Weiß, das einen Gitarristen und nicht viel mehr hervorgebracht hat.

 

Gut, jetzt haben die Saitenzupfer oft nicht den schlechtesten Ruf und dürfen auch Legende werden. Fragen sie nach bei Jimmy Page, Steve Hackett oder Kirk Hammett. Nur wussten die meistens, wo Schluss ist, machten bei Seven Nation Army halt und preschten nicht vor bis zu Ball And Biscuit. Denn das Punker-Gen, das White der Leadsingle mitgegeben hat, macht sich mit geglätteter Produktion und Killer-'Bassline' zweifellos großartig und sorgt nicht ganz zu Unrecht für einen der umjubeltsten Releases der 00er-Jährchen. Nach dem Opener macht man auch noch ein Zeit'l gute Miene zum guten Spiel. Die durchgeknallte Power-Einlage Black Math lebt vom monoton-gschwinden Beat und Jacks präzis gesteuerter Fingerfertigkeit, die da noch keinen Hauch von Trägheit versprüht. Und trotz den schmerzlichen Gesangseinlagen des 'Alleskönners' darf man auch den markigen Liebling des Kollegen, I Just Don't Know What To Do With Myself, und Akustikstück You've Got Her In Your Pocket nicht vorverurteilen. Da steckt schon Gefühl für die richtigen Töne drin, genauso wie auch in Megs der Dezenz verschriebenen In The Cold, Cold Night, auch wenn sie es weniger mit dem Tönetreffen hat.

 

Irgendwann ist man sie aber doch leid, diese offenkundige Selbstbeweihräucherung des Zampanos, der sich mit seinem Run auf die Geschichtsbücher nicht gerade anbiedert. Nein, seine extravaganten Gitarreneinlagen werden zur schweren Kost - übrigens genauso wie sein Gimmick-Stimmchen mit all der Unnatürlichkeit Robert Plants, aber keiner Spur von dessen Coolness oder Emotion. Und da sitzt man dann, gibt sich das Hives-Gedächtnisstück Girl, You Have No Faith In Medicine oder das dezent idiotische I Want To Be The Boy To Warm Your Mother's Heart und will nicht mehr. 'Zu viel des Guten' ist für White etwas gänzlich Fremdes, endgültiger Beweis wird das siebenminütige Ball And Biscuit. Technische Finessen nützen wenig, wenn nach zwei Minuten jeder Drive aus der Nummer draußen ist, danach nur der Blues-Rock in aufgeblasenster Form überlebt. Und bei der Fadesse von The Air Near My Fingers bleiben dann in Hälfte zwei eigentlich nur mehr The Hardest Button To Button und das unrechtmäßig geschmähte Little Acorns als Farbtupfer. So ein Piano-Monolog von Mort Crim wirkt da schon Wunder.

 

Er macht eine wenig legendäre Platte aber auch nicht legendärer. Stattdessen reiht sich "Elephant" in die ohnehin endlos lange Liste der fragwürdigen Kritiker-Meisterwerke irgendwo zwischen dem damals zumindest neuen "Please, Please Me" und "Merriweather Post Pavillion" ein. Und dort gehört es auch hin, wo ordentliche Arbeit geleistet, aber nicht mehr zustande gebracht wurde. Verhindert wird das von einer zu großen Liebe zur Extravaganz, die sich mit dem Garage Rock nicht ganz so verträgt, und einem Frontmann, der nicht weiß, wann's genug ist: "Why don't you go off and love yourself? / If I did that, there won't be anything left for anybody else..."

 

K-Rating: 6.5 / 10

 


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