U2 - War

 

War

 

U2

Veröffentlichungsdatum: 28.02.1983

 

Rating: 7 / 10

von Mathias Haden, 15.03.2016


Erfrischendes Frühwerk, dessen Vorzüge sich hauptsächlich auf den Single-Auskopplungen entfalten.

 

Wer mich kennt, weiß, dass ich jenen, denen Ehre gebührt, diese gerne auch zuteilwerden lasse. Nicht umsonst haben die Pimpfe von Panic! At The Disco bei uns beinahe abgeräumt und nicht umsonst werden sich auch die Schweinebacken von Fall Out Boy noch über ein paar großzügige Bewertungen freuen dürfen. Bei U2 sieht das freilich etwas anders aus, lassen sich gehaltvolle Songideen nicht selten nur umständlich aus unsympathischen Soundgebilden und dem mit der Band notorisch verwobenen Pathos herausfiltern. Für jeden knackigen The Edge-Gitarrenlick gibt es meistens eine unerträgliche Bono-Inszenierung und für jede berührende Zeile und jeden songdienlichen Keyboardtupfer mindestens eine kitschige, gerne auch mit dem obligatorischen Bombast beladene Hook. Dass aber selbst die Iren in ihrer scheinbar ewigen Karriere den konstanten Jubelzurufen das eine oder andere Mal doch gerecht wurden, will ich natürlich nicht bestreiten. Denn z.B. War, ihre dritte LP, hat durchaus ihre erfreulichen Meriten.

 

Das liegt auch daran, dass das Album mit dem grimmigen Jungengesicht zwei der besten, womöglich die besten, Singles der Band auf seine Tracklist bannt. Auf der einen Seite natürlich die unsterbliche Hymne, die bis heute nachhallenden Protestrufe in Richtung britischer Truppen, die am 30. Jänner 1972 unbewaffnete Demonstranten für Bürgerrechte in Nordirland über den Haufen schossen, Sunday Bloody Sunday. Bei dem interessanten Mix aus melodiöser Pop-Affinität, angriffigem Gitarrensound und Marschtrommeln erwartet man, sofern - wie auch immer das bewerkstelligt - unbefangen, ambivalente Gefühle, am Ende sind die knapp fünf Minuten Kampfansage - so fair muss man doch sein - ein klarer Fall für goose bumps und weiche Knie:

 

"I can't believe the news today
Oh, I can't close my eyes and make it go away
How long?
How long must we sing this song?"

 

Auf der anderen Seite ist es freilich der New Wave-Kracher New Year's Day, der zwar nicht minder politisch, aber auf andere Art und Weise seinen Weg unter die Haut findet. Wie The Edge - ach, dieser bescheuerte Name jedes Mal - hier am Klavier und Adam Clayton mit einer genialen Bassline den Hörer auf eine betörende Reise mitnehmen, überwältigt mich immer wieder aufs Neue. Selbst Bono, den ich nicht schon wieder pauschal verunglimpfen will, der es aber versteht, stets mit unangebrachten Woo-Hoos den Jacko des Rock zu mimen, stört hier kein bisschen, den Refrain ("I... will be with you again") nimmt man ihm auch tatsächlich ohne Wenn und Aber ab.

 

Da es sich bei War aber um eine Langspielplatte und nicht um eine Double-A-Side-Single handelt, ist das Happy End in dieser Geschichte längst nicht geschrieben. So sehr die beiden Klassiker auch als Lebensversicherung herhalten, so wenig vermögen sie als lediglich ein Fünftel der Trackliste ein ganzes Album zu tragen.
Gut, dass das Quartett es am Anfang ihrer Karriere noch bestens Verstand, Pathos nicht immer mit slickem Pomp zu unterbuttern. Von Understatement ist man nämlich auch 1983 schon ein gutes Stück entfernt, das hindert (Single) Two Hearts Beat As One aber zumindest nicht daran, mit seinem treibenden Bass und präzisen Licks richtig stark zu tönen. Ruhig können sie auch, darum funktioniert (der ebenfalls als Single ausgekoppelte) Closer 40, wiederum mit einem exzellenten Clayton am Bass und einer hymnischen, an Opener Sunday Bloody Sunday anknüpfenden Hook ("I will sing, sing a new song"), mit der sich der politische Albumkreis schließt, ebenfalls nur allzu bestens.
Schlecht, dass U2 nicht U2 wären, hätte man nicht noch eine laut bellende Mogelpackung mit auf die Platte geschmuggelt. In Sachen Hingabe und Leidenschaft kann man den vier Iren freilich keine Vorwürfe machen, doch wirkt sich dies letztlich mitunter in fadem Genöle aus. Ganz schlimm geraten ist etwa The Refugee, dessen unkontrollierte Aggressivität mit affigem Gebrüll und polternden Drums mit seinen funkigen Ansätzen kein bisschen in Einklang zu bringen sind. Auch Seconds weiß mit seinem hypnotischen Bass-Vibe eigentlich nichts anzufangen, streut mittendrin ein TV-Sample (aus der Dokumentation "Soldier Girls") ein, um im finalen Vers vor Atomwaffen zu warnen. Gar nicht so übel eigentlich, würde der Sänger hier nicht unerträglich klingen.

 

Der Rest ist ordentlich, bewegt sich jedoch selten aus dem Rahmen der gehobenen Durchschnittlichkeit heraus, im Gegensatz zu den Vorgängern wirkt War in seiner überwiegenden Zuwendung dem Rock gegenüber indes beachtlich kohärent und konsequent im Verwerten der eigenen, in dieser Anfangsphase ziemlich politischen, Ideen. Ein wichtiger Meilenstein der Bandentwicklung also, dessen Vorzüge sich hauptsächlich auf seinen 7'' Single-Auskopplungen richtig entfalten, in seinen schwächeren Momenten aber die Richtung für aufgeblasenes Gehabe der Zukunft vorgibt. Dazu noch ein kleines Kompliment an The Edge und Adam Clayton, die hier wirklich gut harmonieren und Zeugnis ablegen, wer U2 ihren heutigen Status beschert hat. Und wie eingangs verkündet: Ehre, wem Ehre gebührt - das gilt hier gelegentlich sogar für Papa Bono. So, aber jetzt: Happy End.

 

Anspiel-Tipps:

- Sunday Bloody Sunday

- New Year's Day

- 40


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