Linkin Park - The Hunting Party

 

The Hunting Party

 

Linkin Park

Veröffentlichungsdatum: 13.06.2014

 

Rating: 7 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 26.09.2019


Die wutentbrannte Verjüngung und harte Abrechnung mit den eigenen elektronischen Fehlern.

 

Die dann doch nicht einmal zwei Jahrzehnte andauernde Ära Linkin Parks, in der die US-Amerikaner es tatsächlich zur kommerziell erfolgreichsten Rockband der 00er-Jahre gebracht haben, ist eine von gar nicht so wenigen Veränderungen gekennzeichnete. Das fällt nicht so wirklich auf, weil man die Band relativ einfach als Kommerzrock schubladisieren und darüber vergessen konnte, was sich eigentlich so getan hat. Aber nach zwei stilistisch quasi deckungsgleichen Nu-Metal-Alben war man auf einmal beim aufgeblasenen und doch aufgeweichten Stadion-Rock, wenig später bei der experimentellen, von Selbstüberschätzung geprägten Dystopie-Elektronik und dann beim verwaschenen Elektronik-Rock. Dieser Weg hat relativ eindeutig nach unten gezeigt, sieht man einmal davon ab, dass "Meteora" eine deutlich verbesserte Version des Debüts war. Und dieser Abwärtstrend hat zwar nur bedingt an der monetären Zugkraft des Sextetts genagt, aber dann doch irgendwie an der Geduld aller, die sich nicht über ihre Alben ärgern wollten. Umso mehr war es eine gegen alle Erwartungen gehende Rückbesinnung auf alte Tugenden, die urplötzlich mit "The Hunting Party" passiert ist.

 

Na gut, es waren jetzt nicht zwingend Tugenden im engeren Sinne, aber es war endlich wieder harter, wütender und nicht von übertriebenen Produktionsanstrengungen bis zur Unkenntlichkeit verzerrter Rock, den man hier geboten bekommen hat. In Maßen zwar, weil sich die Band ganz eindeutig nicht von hymnischen, manchmal etwas verweichlichten und pseudo-tiefgründigen Tendenzen abbringen hat lassen, aber erfrischend ist das allemal. Die LP dient folglich als eine zumindest teilweise auch von der Band oder zumindest Mike Shinoda so angedachte Abnabelung von dem, was auf den vorangegangenen Alben veranstaltet worden ist. Dementsprechend startet man mit zwar elektronisch ordentlich unterstützten, aber kompromisslos durchdringenden Geschrei von Chester Bennington und unablässigen Riffkanonaden in dieses Album, die noch dazu von den härtesten und dynamischsten bisher aus dem Hause Linkin Park gehörten Drums verstärkt werden. Und das haut rein, wenn es wie in Keys To The Kingdom wirklich auf vollen Zylindern geboten wird, die man selbst dann nur ein bisschen zurückfährt, wenn Shinoda Rap-Verses einsetzen und die Riffs kurzfristig durch kratzige, bewusst mäßig gemütliche Elektronik ersetzt werden. Passiert nur kurz, was umso besser ist, weil man sich relativ schnell nach Benningtons zwar etwas dünnem, aber pausenlosem Schreien und der dahinter stattfindenden Härteeinlage zurücksehnt.

 

Die gibt in gewisser Weise auch den generellen Ton des Albums an. Kombiniert zwar mit etwas, das man in Form von Marching Drums und geschliffen verzerrtem Gitarrensolo bereits im Opener bekommt, nämlich einer hymnischen, in reguläre Bahnen gelenkten Alt-Rock-Mischung, aber selten hat man das Gefühl, es würde zahm agiert. Und das ist wirklich gut, weil zum einen die Texte nicht subtil genug sind, um der näheren Betrachtung in relativer musikalischer Ruhe sonderlich lange standzuhalten, zum anderen aber vor allem diese phasenweise spürbare Kompromisslosigkeit sehr gut tut und wie ein Jungbrunnen für die Band wirkt. Umso mehr ist das der Fall, weil man sich gleichzeitig nicht so einförmig präsentiert wie in den erfolgreichsten Jahren, sondern mit oftmaligen Tempo- und Rhythmuswechseln, häufigen Soli und produktionstechnischen Härteabstufungen genug an Nuancierungen hineinbringt. Am deutlichsten wird das bei der für Bandverhältnisse untergegangenen Leadsingle Guilty All The Same, die sich nach einem chaotischen, rohen Gitarren- und Drumintro langsam mit Verstärkung durch Keyboard und Military Drums in Richtung eines hymnischen Heavy-Metal-Parts bewegt. Die Strophen fast ausschließlich mit diesem Gemisch aus Keys und Drums unterlegt, hört man im und rund um den Refrain wieder melodische Riffs, die sich mit den harten Drums perfekt vertragen. Garniert wird das ganze noch mit einem von harter Gitarrenarbeit unterlegten Rap-Part von Rakim, der sich perfekt in die Szenerie einfügt und den anfangs nicht ganz schlüssigen Gastauftritt - immerhin gibt es schon Mike Shinoda zum Rappen - mehr als rechtfertigt.

Will man es einfacher und geradliniger, kann man sich gerne War zuwenden, das zwar textlich und gesanglich ziemlich dumpf ist, dafür aber in gelungener Manier Richtung Hardcore-Punk rauscht, dabei trotzdem noch ein starkes Solo einbaut und sich konträr zu Guilty All The Same nach zwei Minuten schon wieder verabschiedet. Man kann sich aber auch daran erfreuen, dass mit Daron Malakian ein weiterer Gast eine verdammt gute Figur macht und in Rebellion die frenetische Gitarrenarbeit aus seiner Zeit mit System Of A Down in den Song, vor allem das Solo mitbringt und damit für einen der markantesten Ausbrüche aus den sonst oft sehr ähnlichen Grundzüge der Tracks sorgt.

 

Denn die verwendeten Mittel sind auch dann gleich, wenn das Tempo nachlässt. Dann allerdings macht die durchdringene Wut, die man beispielsweise im Opener deutlich zu spüren bekommt, einem gesitteteren Ganzen Platz. Der schon erwähnte hymnische, etwas übersteigerte Touch lässt die Band nicht ganz los, paart sich mit melodischeren Gesangsparts und Mid-Tempo-Gitarrenwänden. Trotzdem findet man dabei eine durchaus gelungene Balance, auch wenn einen nichts auf die Idee bringen würde, All For Nothing oder gar das phasenweise an "Minutes To Midnight" erinnernde Mark The Graves als herausragende Arbeit zu bezeichnen. Und wo wir schon beim Blick auf etwas ruhigere Minuten sind: Es gibt sie natürlich, die Fehltritte. Wenig überraschend sind sie die erfolgreichsten Singles des Albums und klingen genauso, wie man sich erfolgreiche Singles von Linkin Park zu diesem Zeitpunkt vorzustellen hat. Einerseits der melodramatische, überproduzierte Elektronik-Rock von Until It's Gone, dessen textliche Leere ideal zum angestaubten und schmerzhaft defensiven Sound passt. Andererseits das noch weit kitschigere und nach billigem Stadion-Rock klingende Final Masquerade, das eine lahme Powerballade der unnötigsten Sorte darstellt. Will man dagegen etwas Ruhigeres hören und trotzdem zumindest teilweise auf seine Kosten kommen, muss man Tom Morello danken, dass er bei Drawbar mitgewirkt hat. Das ist zwar nur ein kurzes Instrumental, doch dank des markanten Auftritts des Gitarristen von Rage Against The Machine und dem gut eingebauten Klavierpart würde man sich hier mehr wünschen als nur dieses Instrumental und vielleicht zur Abwechslung einmal ganz ohne Military Drums, deren Omnipräsenz auf Albumlänge unweigerlich monoton wirkt.

 

Besser allerdings, man konzentriert sich auf die etwas beherzteren Minuten wie das in Richtung When They Come For Me driftende Wastelands, dessen laute Drums und markanter Beat sich gut mit den sporadischen harten Gitarreneinsätzen vertragen und eine starke Unterlage für Shinodas besten Auftritt bieten. Oder aber man wartet bis zum Schluss, weil da nämlich A Line In The Sand wartet, das zwar in relativ melodramatischer Manier und mit übermäßig autogetuntem Shinoda-Gesang startet, allerdings bald in einem Wiederaufleben der harten Seite des Albums mündet. Und da wird es dann mit diversen Tempo- und Rhythmuswechseln durchaus eindrucksvoll, ganz abgesehen davon, dass die immer wieder aufflammenden Gitarrenwände im Zusammenspiel mit Benningtons unablässig leidenschaftlichen Vocals ihre Wirkung nicht verfehlen.

 

Viel mehr muss man auch wirklich nicht verlangen. Das, was man hier serviert bekommt, reicht auf alle Fälle, um davon sprechen zu können, dass Linkin Park sich selbst wiederbelebt haben. Die Irrwege der Jahre davor, in denen man zwar nicht ohne Ambition, aber ohne musikalische Anziehungskraft agiert hat, sind mit "The Hunting Party" relativ abrupt und überdeutlich abgehakt. Rückfälle hat die Band zwar nicht komplett verhindern können, immerhin sind diese aber auf ein Mindestmaß reduziert und ziehen nicht genug der Aufmerksamkeit auf sich, als dass man sich nicht genüsslich den eindrucksvollen Härteeinlagen widmen könnte. Die sind eigentlich auch keine wirkliche Rückbesinnung auf das, was Linkin Park ursprünglich Erfolg gebracht hat. Stattdessen reicht die harte Mischung aus Metal und Punk, die man hier oft genug zu hören bekommt, noch weiter zurück in die graue Vorzeit der Band und ihre stilistische Entstehungsgeschichte. Und das ist in Kombination mit einer Trittsicherheit auf kompositorischer und produktionstechnischer Ebene, die definitiv unerwartet kommt, ein ziemlicher Gewinn. Mögen muss man diese Mischung aus brachialer Härte einerseits und hymnischer, bedeutungsschwangerer Übersteigerung andererseits natürlich trotzdem, aber das fällt wenigstens um ein Vielfaches leichter, als das in den Jahren davor der Fall war.

 


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