EAV - Im Himmel Ist Die Hölle Los

 

Im Himmel Ist Die Hölle Los

 

EAV

Veröffentlichungsdatum: 25.08.1997

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 10.11.2017


Im Allgemeinen ändert sich die Verunsicherung nicht, soviel ist sicher. Das Ergebnis ist bekannt schwach.

 

Wie wahrscheinlich schon irgendwo in den Untiefen vergangener Reviews ausführlich dargelegt, hat es einen weitaus größeren Charme und zumindest auf diesen armseligen Rezensenten eine oft größere Anziehungskraft, die schlechten Seiten der Musikwelt zu beleuchten und ihnen überproportional viele Worte zu widmen, als irgendwelchen Überdrüber-LPs zu huldigen. Jetzt weniger wegen der klanglichen Beglückung durch die Black Eyed Peas oder Alkbottle, das ist der für alkoholfrei lebende Menschen schwer zu ertragende Nebeneffekt. Aber einfach nur deswegen, weil man da seltener in die unwürdige Übersteigerung abdriftet oder gar jede kritische Haltung vermissen lässt. Wenn etwas im 1000-Wort-Format nicht zumutbar ist, dann Reviews, die klingen wie die hyperromantischen Anwandlungen eines Friedrich Schiller, der vergeblich versucht, seine Euphorie im Zaum zu halten und dabei noch dazu jegliche Analysefähigkeit vermissen lässt. Die EAV bietet einem die Möglichkeit zu allem außer genau dieser Grässlichkeit. Weil sie selbst zu oft eine Band gewordene Grässlichkeit war, seitdem Kurt Cobain Teen Spirit gerochen hatte.

 

Auch deswegen wird das hier eine der unnötigsten Jubiläumsfeiern, die das Jahr 2017 erleben darf. Gibt da wenig zu feiern, weil auch "Im Himmel Ist Die Hölle Los" einfach nur eine dem Kabarett-Rock, der durchdachten, hintergründigen Zeilen und beinahe jeglicher Musikalität entstiegene Truppe beim Herumfuhrwerken im Austropop zeigt. Das allein ist kein Achsbruch, da zwei der drei Grundpfeiler dieser Band eigentlich immer noch da sind: Hier die Parodie der vielen, vielen Kollegen, die im In- und Ausland das Geschehen bestimmen, dort die dumpf-dämlichen Ohrwürmer irgendwo zwischen Elektronik-Pop und dem selbstverordneten, klischeebehafteten Eklektizismus. Und das hat zwar vom ersten Jahr an die musikalischen Fähigkeiten aller Beteiligten in ein zweifelhaftes Licht gerückt, aber eben auch für sehr viele, die dafür noch nicht einmal volltrunken um Mitternacht auf einer Betriebsfeier sein mussten, blendend funktioniert. Denn es gibt Ba-Ba-Banküberfall, den Alpen-Rap oder Ding Dong. Nur darf so etwas nie ein ganzes Album ausfüllen und selbst in Maßen genossen ist es ein Tanz auf einem sehr zarten Seil auf dem Dach eines Wolkenkratzers. Die Unerträglichkeit ist nahe und sie beherrscht diese LP genauso wie Vorgänger "Nie Wieder Kunst (Wie Immer...)", davon legen allein schon die Songtitel Blöd, Möpse oder Wo Ist Die Kohle? ausreichend Zeugnis ab. Vielleicht sind die Titel doch noch nicht aussagekräftig genug, aber diese Vermengung billiger, an den, die 90er beherrschenden, Eurodance angepassten Elektronikbeats mitsamt wenig anziehender Synthie-Melodik und die bestenfalls pflichtschuldig eingestreuten Gitarren-Klänge lenken nicht gerade von den Texten ab und die sind wiederum...naja, heutzutage facepalmt man zu sowas, wenn man nicht überhaupt den Glauben an die Menschheit verliert und sich zum neuen Nietzsche aufschwingt.

 

Andererseits hat gerade der erwähnte Eklektizismus immer auch die Möglichkeit geboten, sich kurzfristig zu rehabilitieren, indem man irgendwo den passenden musikalischen Mikrokosmos für die billige Aufmachung findet. Hier gelingt das mit dem späten Bandklassiker Die Russen Kommen, der zwar mit stumpfem Beat antanzt und seine zaghaften Anleihen an russischer Musik mit der künstlichen Balalaika gar klein hält, dafür aber die Quintessenz der Mitsing-Hymne für alle Illuminierten darstellt. Qualität bedeutet das vielleicht weniger, allerdings findet sich Klaus Eberhartinger in stimmlich ansprechender Form, harmoniert da unverändert glänzend mit Mastermind Thomas Spitzer und findet den Hauch von Genialität, die schlichte Dämlichkeit in sich bergen kann. Das ist ein Privileg, das in dieser Form nur noch dem Techno-Hammer Tanzen vergönnt ist, was dort allerdings auch damit zu tun hat, dass dem Hedonismus der Ecstasy-Generation ein ebenso ausbaufähiger wie prägnanter Song gewidmet wird.

Was sonst noch wirklich trifft, trifft anders, weil mit ehrlich vorhandenem Verteidigungspotenzial. Das findet man im Humor-Epos, das der Titeltrack darstellt, weil es einer der letzten musikalisch hochwertigen Momente der Band ist. Dort passt beim Arrangement alles zusammen, sodass Erinnerungen an die komödiantisch unheilvolle Qualität von Der Tod wach werden, Klavier, Gitarren, Streicher, Drums und der umgebende Kleinkram aber eher schon die Großspurigkeit von Queen zum Ziel haben. Daraus entsteht ein langatmiger, tatsächlich aber atmosphärischer und mitunter genuin witziger Song, dessen Prunkstück ein glorreicher Refrain ist. Textlich schaut für die ehemaligen Wortakrobaten trotzdem wenig raus, bis man verdammt spät über Das Leben Das Ist Kurz und damit einen dem Klavier, der Tuba und der Rhythm Section vorbehaltenen Auftritt stolpert. Der ist der Haupttreffer des ganzen Jahrzehnts für die Steirer, katapultiert sie auch wegen des erfrischend organischen Sounds und dem damit verbundenen Humors zurück in ihre besten Tage. Mitsamt der ehemals typischen spitzen Feder:

 

"Und wenn die Funzel im Altersheim verlodert, 

und wenn man zahnlos den Haferschleim verzehrt, 

wenn welkes Fleisch an morschen Knochen modert, 

dann wird es Zeit, dass man im Rollstuhl den Jordan überquert!"

 

Was sonst geboten wird, wäre schon mit den Begriffen Stückwerk oder Auf und Ab äußerst freundlich beschrieben. Umrahmt von jeglicher Gedanken und allen Witzes beraubten Skits - zu dem Zeitpunkt schon Tradition für die EAV -, ist die Belanglosigkeit Trumpf und bestimmt das Geschehen in Blöd und also dem zigsten Versuch, (erfolglose) amouröse Anbandelungen in ein möglichst stumpfsinniges, elektronisches Gewand zu verpacken, im vergeblich nach Stimmung suchenden Blues-Fehler von Der Teufel oder in der musikalisch lebhaften, insgesamt aber inhaltlosen Percussion-Lehrstunde Bongo Boy. Es geht nicht viel und wenn, dann bergab. Dass immerhin das funktioniert, beweist Möpse, das leider nicht von Hunden handelt. Und dieser Halbsatz allein muss das Grauen vor Augen führen, das dieser Bandtiefpunkt darstellt. Eine karibische Reggae-Parodie in dieser von Unfähigkeit geprägten Form ist ohnehin schon kaum noch zu retten, mit diesem schlicht untragbaren Text, der den Titel ohnehin bis zum Exzess wiederholt, ist man aber tatsächlich nicht mehr im Himmel, sondern ganz woanders.

 

Will man überhaupt noch einigermaßen klingen oder zumindest für einen Schmunzler sorgen, müssen gefälligst Parodien der heimischen Szene her und das bietet man immerhin im Doppelpack an. A Jodler & A Stromgitarr' funktioniert zwar nicht als Lied an sich, ist also mitnichten klanglicher Genuss, schafft aber erfolgreich den Spagat, gleichzeitig Verbeugung vor und Parodie des ursprünglichen und einzig wahren Volks-Rock'n'Rollers Hubert von Goisern zu sein. Der hat das Genre durch klangliche Ausritte in so manche Richtung belebt und sich der Volksmusik mit ungekannter Weltoffenheit angenommen, den Sound aber eben doch irgendwie zum Gimmick werden lassen. Die EAV dürfte beides wahrgenommen haben. Genauso wie man die Kokain-Affinität der gehobenen Schicht erkannt hat, weswegen die Schlager-Parodie Schau, Wie's Schneit zwar in ihrer Zeit gefangen ist, aber allein wegen dieser damaligen Tagesaktualität schon bissiger wirkt als der versammelte Rest zusammen.

 

Musikalisch kann das trotzdem nichts, wobei einfach nie so ganz zu klären sein wird, ob das überhaupt ein relevanter Aspekt bei der EAV ist. Also man kann jetzt schwer weghören bei dem, was die da im Hintergrund aufführen. Aber wenn in der Filmbranche gilt, dass Komödien nicht oft nach großer Kinematographie verlangen, dann gilt für dem Klamauk entgegen wandernden, komödiantischen Pop-Rock, dass klangliche Virtuosität kein Muss ist. Andererseits braucht man es nicht übertreiben und schon gar nicht darf man so irrelevant, fad und mitunter schlicht schlecht klingen, wie es die Österreicher hier schaffen. Zum Phänomen EAV gehört es zwar, wenig musikalische Finesse mitzubringen, viel zu oft billig zu klingen und eigentlich immer noch irgendwo die nötigen Ausreißer aufzutreiben, um den Totalausfall zu verhindern. Nur bringt einen das einfach keinem guten Album nahe genug, dass hier noch wahnsinnig viel zu holen gewesen wäre. Vielleicht dann doch irgendwann mit dem Rollstuhl über den Jordan, nicht?

 


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