Damien Rice - O

 

O

 

Damien Rice

Veröffentlichungsdatum: 01.02.2002

 

Rating: 8 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 13.10.2013


Der 'King Of Pain' ist nicht nur einer von Vielen unter den Folk-Rockern.

 

Oh Gott, schon wieder einer von diesen Typen, die glauben einen mit ihrem banalen Gitarren-Gezupfe faszinieren zu können. An sich geht so etwas hin und wieder ja schon sehr gut runter und jeder kennt da irgendeinen ganz persönlichen Favoriten, dessen simple Songs ihn ziemlich beeindrucken (meiner heißt Joshua Radin). Und so ganz unverständlich ist es ja auch nicht, denn dieser Bob Dylan, von dem alle immer reden und der so gar nicht singen kann, bei dem hat's ja auch geklappt. Aber der wohl meistgecoverte Künstler der Welt hat eben für den Großteil des Genres zu große Fußstapfen hinterlassen. Damien Rice passt allerdings schon wieder ganz gut hinein. Vor allem deswegen, weil er, von der ersten Minute an offensichtlich, nicht davon träumt, der nächste Dylan oder Paul Simon zu sein. Nein, er schafft in Wirklichkeit sogar noch mehr und geht dorthin, wo's wirklich - und zwar wirklich wirklich - weh tut.

 

Natürlich gilt das nur für all jene, die durchaus für Depression in musikalischer Form empfänglich sind. Denn wenn einem an Damien Rice' Liedern eines auffällt, dann die Tatsache, dass da wenig an Positivem herauszuholen ist. Man wird nämlich auf "O" das Gefühl nicht los, er würde sich die meiste Zeit aufmachen, die schlimmsten Seiten von Beziehungen in CD-Form zu präsentieren. Egal, ob die erfolgreichen Singles Volcano und Cannonball oder aber die bedrückenden Hidden Tracks Prague und Silent Night, allesamt zeigen sie, dass die Liebe vielleicht doch nicht das schönste aller Gefühle ist. Das könnte natürlich auch ein ganz kolossaler Schuss in den Ofen sein, Rice meistert die Aufgabe ebensolche Tracks nicht in untragbare Schnulzen zu verwandeln allerdings brilliant.

 

Die Gründe dafür sind vielfältig. Allen voran gehört da Lisa Hannigan genannt. Die fungiert nämlich als schlicht großartige Begleitstimme in Songs wie Volcano oder auch I Remember und hat in der A Capella-Nummer Silent Night auch einen mächtigen Soloauftritt. In Wirklichkeit stiehlt sie Rice bei jedem ihrer Auftritte gehörig die Show. Denn ihre ruhige, zerbrechliche Stimme ist problemlos in der Lage, Silent Night auch ohne musikalische Begleitung zu tragen. Eine Fähigkeit, die man Rice selbst kaum zugestehen kann. Der zeigt zwar im reinen Gitarren-Song Cannonball auch, dass seine Stimme durchaus Verzweiflung und Selbstzweifel und Trauer auf glaubhafte Weise präsentieren kann. In I Remember wird der Kontrast zwischen dem genialen ruhigen Hannigan-Teil zu Beginn und der ziemlich deplatzierten lauten, fast geschrienen Performance von Rice im zweiten Teil allerdings zu offensichtlich. Lediglich in Volcano scheinen beide gesanglich tatsächlich auf Augenhöhe zu sein, was eindeutig einem verbesserten Damien Rice, nicht einer schwachen Lisa Hannigan, zu verdanken ist.

 

Dazu kommen Arrangements, die stark und vor allem variantenreich genug sind, um ein solch puristisches Album auch über die gesamte Dauer am Leben zu halten. Da sticht zum Beispiel die eindrucksvolle Mischung von leichter Gitarre, Top-Cellospiel und dem gezupften Bass in Volcano heraus. Oder aber die von Rice selbst gespielte Klarinette in Cheers Darlin', einem Song, der sogar auf dieser Platte an Emotionalität nicht zu überbieten ist. Dem gegenüber steht die minimalistische musikalische Ausleuchtung in Cannonball oder Prague, die für ein ordentliches Maß an Beklemmung sorgt.

 

Und natürlich nicht zu vergessen die Texte, die vor allem durch ihre direkte Art überzeugen und selten einmal deplatziert wirken. So wartet Cheers Darlin' mit den Zeilen "Cheers Darlin', here's to you and your lover boy / Cheers Darlin', I've got years to wait around for you / Cheers Darlin, I've got your wedding bells in my ears" auf; oder aber "What I am to you is not real / What I am to you, you do not need [...] You give me miles and miles of mountains / And I'll ask for the sea" im zum Trennungsgespräch stilisierten Volcano. Mit solchen Zeilen kann man Rice durchaus Theatralik vorwerfen oder man akzeptiert den offensiven Stil des Textes als einen Schritt weg vom kitschigen hin zur blanken Realität. In Wahrheit scheint es eher letzteres zu sein.

 

Nun ist aber eben doch nicht alles hier von höchster Qualität. Unter viele starke Momente mischen sich Tracks die einerseits an das Problem des Nachfolgers "9" erinnern. Nämlich jenes, das einem Songs von einschläfernder Langeweile präsentiert. Das befällt aber, wenn überhaupt, nur Amie, das trotz durchaus sympathischem Violin-Satz wenig an sich hat, das nachhallen könnte. Schwerer wiegen da der musikalische Fehltritt Cold Water und das umringt von Top-Nummern lächerlich wirkende Eskimo. Ersterer scheitert nach starkem Beginn, lediglich mit ruhiger Gitarren-/Klavier-Kombination am merkwürdigen Background-Chor, der die Stimmung nicht vertieft, sondern mit einem mal zerstört. Bei Eskimo ist es die peinliche Refrain-Zeile "I look to my eskimo friend, when I'm down" und vor allem der aus dem Nichts kommende Auftritt von Opern-Gesang in der zweiten Hälfte, der so weit weg vom Rest des Albums ist wie nur irgendmöglich.

 

Allerdings bleibt es trotz dieser vereinzelten Missgeschicke ein Album, das auf alle Fälle seine Daseinsberechtigung hat. Denn Damien Rice ist mehr als der nächste fade Folk Rocker. Er ist ein Meister der Depression, der die meiste Zeit ganz genau weiß, wann welcher Ton gespielt, welche Zeile wie gesungen werden muss. Insofern bleibt einem eine nicht ganz lupenreine Stunde an Musik, die sicher nichts fürs nette Nebenbei-Aufdrehen ist. Viel zu schwer wiegt die düstere Stimmung und die dazu passenden Texte. Man verneige sich vor dem 'King Of Pain'.

 

Anspiel-Tipps:

- Delicate

- Volcano

- Cannonball

- Cheers Darlin'


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