Billy Talent - Dead Silence

 

Dead Silence

 

Billy Talent

Veröffentlichungsdatum: 11.09.2012

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 05.01.2014


Ein Trilogie endet, das Danach beginnt mit mehr Tempo, mehr Politik und auch mehr Pop als auf dem Vorgänger.

 

Es braucht schon ein wenig Mut, sich von dem zu verabschieden, was man doch bisher so erfolgreich unter die Leute gebracht hat. Und es kann auch ganz schön schief gehen. Wir alle kennen die Geschichte von der großartigen 'New Coke', die in den 80ern zum kolossalen Flop für Coca Cola wurde. Oder Hewlett-Packards klägliche Versuche Smartphones und Tablets anzubringen. In der Musik erinnert man sich da gerne an Linkin Parks Flop mit "A Thousand Suns", aber auch an ein nicht gänzlich unbekanntes "Kid A", Radioheads großen Triumph. Gut, bei Billy Talent gab's für Teil 3 ihrer Trilogie wenig Beifall. Da bräuchte es noch mehr Mut, trotzdem weiterzumachen. Genau der fehlt ihnen aber und so kommt ein Mix aus alt und neu mit weit mehr Pop als man gern hätte.

 

Dabei kam mit den Vorab-Singles Viking Death March und Surprise, Surprise bei all den enttäuschten Fans ja doch wieder Hoffnung auf. Da erwarteten einen harte Gitarren, hohes Tempo und aggressive politische Statements, die man von der Band so noch nicht gehört hat. So pendelten sich die beiden Tracks dort ein, wo man sie haben will. Als eine Mischung aus den alten Hardcore Punk-Tagen, trockenem Hard Rock und einem ordentlichen Energieschub für Ben Kowalewicz' Gesang sind sie genug, um nicht zu enttäuschen, lassen für das übrige Album aber doch noch genug Luft nach oben. Denn bei allem Respekt für die Rückbesinnung auf alte Stärken und dem Verzicht auf störrischen Mid-Tempo-Rock wirken die Minuten nicht gerade wie die aller frischesten. Spaß macht's, aber man hat sie in früheren Jahren dank Songs wie Devil In A Midnight Mass oder This Suffering schon mehr bestaunt.

 

Noch kein Beinbruch. Der bleibt auch über Albumlänge aus, irgendwie. Zumindest wird es kein offener Bruch, aber angeknackst ist schon irgendetwas. Denn "Dead Silence" offenbart neben all den starken Bass-Lines, den großartigen Riffs und dem Comeback vom lebendigen Kowalewicz doch markante Schwächen, sowohl im Großen, wie auch im Detail. Was nämlich allzu auffällig ist, ist die Abwechslung, nicht aber, weil sie das Album kurzweilig macht. Nein, sie glänzt viel eher durch Abwesenheit. Denn hat man sich erst einmal durch die Hälfte durchgehört, merkt man, dass da wenig an Tempo- oder Stimmungswechseln durchkommt. Das stört per se nicht, wenn einem diese Einförmigkeit Top-Material in Form von Love Was Still Around oder Crooked Minds einbringt, doch aber bei Songs wie Stand Up And Run.

 

Denn gerade neben der geballten Power, die drumherum geboten wird, wirken diese Minuten einschläfernd. Billy Talents Ausflug in Richtung Pop-Rock gerät mit den hellen Gitarren, dem verzichtbaren hohen Gesang und kitschigen Zeilen wie "Can't you see there is no logic to love / And we're lost just like the stars up above / If I'd known how you'd make me feel / I would kiss the ground that touches your heel" zur Verwandlung zu streichelweichen Romantiker und noch dazu zu gelangweilten Musikern. Denn bei Stand Up And Run, genauso wie bei Show Me The Way bleibt nichts übrig von der anfänglichen Härte oder der Gesellschaftskritik. Dafür gibt's lahme Riffs und müden Background-Gesang.

 

Wenigstens spielt sich an anderen orten genug ab. Dort wo Gitarrist Ian D'Sa nämlich lauter wird, beweist er doch eindrucksvoll sein Talent. Am ehesten in Running Across The Tracks und Love Was Still Around, in denen er sich irgendwo zwischen Angus Young und My Chemical Romance' Ray Toro wiederfindet. Allerdings gibt's auch dann wenig zu bemängeln, wenn er in Surprise, Surprise oder Man Alive! einfach seine Riffs trocken runterspielt und so für die tanzbarsten Mintuen auf "Dead Silence" sorgt. Am besten steigt er aber sicher in Crooked Minds aus, das sich als gelungene Kombination aus der Stimmung von Devil In A Midnight Mass und dem Tempo von Rusted From The Rain präsentiert. Dort gelingt ihm über die fünf Minuten verteilt schon der ein oder andere außerordentliche Griff.

 

Und so macht einem das Album eigentlich doch die meiste Zeit Spaß. Auf die Nummer 1 der Platte muss man aber dann bis zuletzt warten. Denn der Titeltrack bietet mit seiner gelungenen Kriegsstimmung dank Zeilen wie "I heard the soldiers say / Don't let him get away / But I could not escape their bullets and grenades / A casualty of war? A victim of mistake? / Another widow has been made" wohl textlich die besten Minuten, überzeugt dazu mit Aaron Solowoniuks eingängigem Beat und dem gelungen Gesang, sowohl von Kowalewicz, als auch im Hintergrund. Das versöhnt für manch schwierige Phase, die die Platte durchläuft.

 

Wer nämlich glaubt, mit dem lächerlichen Pop wären die Schwächen abgehakt, der irrt. Denn zwischen gelungenen Alt Rock in Form von Hanging By A Thread und Don't Count On The Wicked drängelt sich das störrische Cure For The Enemy, das nicht nur als schnulzige Verarbeitung von Vaterkomplexen dient, sondern mit den mühsamen hohen Strophen auch musikalisch nicht glänzt. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Billy Talent offensichtlich nichts daran finden, in Swallowed Up By The Ocean zu Beginn nach High School Musical zu klingen.

 

Genauso wie die, dass es auf "Dead Silence" nicht an gutem Material, sondern an herausragendem Material mangelt. Während sie sich oft genug als unterhaltsam, kurzweilig und verglichen mit dem, trotz allem stärkeren, Vorgänger aktiver präsentieren, fehlen offensichtlich die zündenden Ideen. Nichts da, das an This Suffering, Standing In The Rain oder Saint Veronika heranreichen könnte. Dafür eine Menge an sehr ordentlichen, temporeichen Alt Rock-Tracks, die dafür sorgen, dass sich ein Reinhören durchaus auszahlen kann. Auch wenn die Kanadier offensichtlich nicht gerade steil bergauf wandern, sind sie nämlich noch immer um Einiges weiter oben als so manche Kollegen.

 


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