MusicManiac Top 10

MusicManiac Top 10 - Phil Collins Songs

Nachdem wir mittlerweile an einem Punkt sind, an dem sich die Meinungen zu Phil Collins von der zeitweise allgegenwärtigen Mischung aus Abneigung und Häme eher in Richtung eines generellen Desinteresses am Briten gewandelt haben, scheint eine kleine Rückschau mit Blick auf seine besten Momente nicht mehr so gefährlich zu sein. Der Meister des 80er-Synth-Pop - und dieser Titel ist genauso wertschätzend gemeint, wie er die verdammt vielen schlechten Seiten seiner Musik einfangen soll - macht es einem damit eigentlich relativ leicht, weil er vor allem in seine Solokarriere tunlichst darauf geachtet hat, einem nicht zu viele starke Songs zu liefern und stattdessen genug durchschnittliches oder gleich komplett entbehrliches Material dazwischen zu schieben. Insofern filtert man die guten Collins-Tracks schnell einmal heraus, was nichts daran ändert, dass gerade einmal zehn davon auszuwählen nicht unbedingt die einfachste Übung ist. Aber sie ist gelungen.

 

Erstellt am: 24.11.2018


10.

 

Something Happened On The Way To Heaven

 

...But Seriously
1989

 

Das Wunderbare an Phil Collins ist, dass er auch in beinahe all seinen stärksten Kompositionen die gesamten negativen Eigenschaften seiner Musik durchscheinen lässt. In seiner kommerziell erfolgreichsten Phase, also Mitte und Ende der 80er, war das am deutlichsten. Insofern bleibt "...But Seriously" generell und Something Happened On The Way To Heaven im Speziellen nicht verschont davon. Das Ding ist kitschig, überfrachtet mit klinisch wirkenden Bläsersätzen und baut so sehr auf Collins' schmalzigen Einsatz von Synthesizern, Bläsern und der irgendwann omnipräsenten Vermengung organischer Drums und der Drum Machine, dass man klaustrophobische Zustände beim Anhören bekommt. So viel dazu, jetzt zu den Qualitäten, die er dem entgegenstellt. Unabhängig davon, dass einen bei seinen Songs nicht gerade außergewöhnliche kompositorische Kniffe anspringen, ist er ein Meister der Pop-Hook und kann das im besten Fall nicht nur mit seinem markanten Stimmchen akzentuieren, sondern gerade eben mit den oben beschriebenen Sounds, die 2018 zwar aus der Zeit gefallen wirken, aber den Killerinstinkt für eingängiges Material und makellos aufeinander abgestimmte Arrangements auf ihrer Seite haben. All das wirkt hier, auch wenn man nicht in die Verlegenheit käme, nennenswerte Emotionen herauszuhören.

9.

 

You Can't Hurry Love

 

Hello, I Must Be Going!
1982

 

Collins' erste Alben haben den Vorteil, dass er da zwar durchaus schon seine Vorliebe für Synthesizer, die ihm allein schon von der Arbeit mit Tony Banks bei Genesis mitgegeben worden sein dürfte, ausleben wollte, die Arrangements insgesamt aber weit organischer und luftiger dahergekommen sind. Meistens zumindest. Das Cover von You Can't Hurry Love ist das womöglich eindeutigste Beispiel dafür, auch weil sich Collins darauf verstanden hat, dem 60er-Hit nicht durch eine Kompletterneuerung die Ehre zu erweisen. Stattdessen ist es ein Track, der sich trotz produktionstechnischer Schärfe und Eigenheiten durch den beigesteuerten Background-Chor, das Glockenspiel oder die Streicher relativ nahe am Original-Sound hält und laut Eigenaussage eben auch wirklich ein Remake sein sollte. Gelungene Sache und in Collins' Œuvre ein Moment zum Durchatmen.

8.

 

Don't Lose My Number

 

No Jacket Required
1985

 

Klammert man qualitative Bedenken aus, ist "No Jacket Required" nicht ein, sondern das Synth-Pop-Album. Es ist in seiner kompletten Machart und mitten in den 80ern platziert so charakteristisch für den oft und gerne kritisierten Sound des Jahrzehnts, dass es allein deswegen schon kitschig und schwierig ist. Allerdings ist es neben allem Stirnrunzeln über dieses Bombardement mit für Collins charakteristischem Reverb bei den Drums, dahinschwimmenden, melodramatisch langsamen Synth-Spuren und den jeglichem rauen Unterton beraubten Riffs das poppige Meisterwerk des britischen Schnulzenbarden. Mit Betonung auf poppig. Denn meisterlich ist im Großen und Ganzen wenig, andererseits ist die LP voll mit großartigen Hooks, Arrangements, die in der klinischen Sterilität trotzdem noch Atmosphäre und dank Collins selbst auch ein bisschen Emotion finden, während man den theatralisch inszenierten Refrains, wie der von Don't Lose My Number einer ist, einfach nicht entfliehen kann. Vielleicht sind es tatsächlich auf Erfolg getrimmte Songs, so oder so gebührt manchen davon - und dazu gehört dieser - der Erfolg aber durchaus.

7.

 

Heat On The Street

 

...But Seriously

1989

 

Es fällt ein bisschen schwer, Heat On The Street wirklich treffend zu beschreiben, weil es wirkt wie ein swingender, von frühem R&B und Motown inspirierter Unterbau, der nur von der klassischen Instrumentierung und Produktion des Briten ummantelt wurde. Was hier gelingt, auf dem dazugehörigen Album sonst aber selten, ist eben diesen Unterbau noch weitestgehend zu erhalten und ihm musikalisch treu genug zu bleiben, dass man nicht in Kitsch und musikalischem Plastik erstickt. Stattdessen ist es der stimmigste Auftritt von Collins und seinen begleitenden Soulstimmen, genauso abseits von Eric Claptons Auftritt in I Wish It Would Rain Down der passendste Auftritt an der Gitarre. Es ist auch hier, dass sich die organische Percussion als Ersatz für die Drum Machine vom Vorgänger am meisten auszahlt und dafür sorgt, dass man den Track so wenig in seiner Zeit festnageln kann wie kaum einen anderen Collins-Track.

6.

 

It Don't Matter To Me

 

Hello, I Must Be Going!
1982

 

"Hello, I Must Be Going!" war das Album, auf dem Collins endgültig die scheinbare Allmacht des omnipräsenten Bläsersatzes für sich entdeckt hat. Natürlich hat er die Trompeten schon auf dem Debüt hin und wieder eingesetzt, allerdings war die tragende Rolle noch nicht annähernd in dem Maße gegeben. Ob es nur am sonnigeren Sound des Albums liegt, dass eben gerade die Blechbläser mitunter überall zu sein scheinen, wird sich schwer klären lassen. Dass teilweise verdammt gut funktioniert hat, was Collins mit ihnen aufgeführt hat, ist vor allem bei It Don't Matter To Me überdeutlich. Der pulsierende Bass als Hauptantrieb, die Drums dafür verstärkt mit den Becken beschäftigt und die Bläser beinahe schon als unterstützende Stimmen hinter Collins' Gesang, der sich zwar definitiv nicht in textlichen Abenteuern verliert, die Einfachheit aber immerhin ohne Theatralik und dafür mit lockerer Ausdrucksstärke ausmerzt.

5.

 

Who Said I Would

 

No Jacket Required
1985

 

Womöglich der einsame Höhepunkt der Collins'schen Plastik-Ära - gut, es gibt Sussudio und vor allem einen Haufen emotionsloser Schmacht-Balladen -, ist Who Said I Would aber auch der angriffigste Track, den er je geboten hat. Vorteilhaft ist das gerade wegen des synthetischen Gewands, das sich abgesehen vom kurz eingesetzten Saxophon, das wirklich das klassischste aller unnötigen 80er-Verbrechen darstellt, erfrischend dynamisch und energisch gibt. Die dafür verantwortliche Hook gehört zu Collins' besten und führt auch dazu, dass die Bläser so gut eingebettet sind in den Song wie es selten sonst in der ganzen Diskographie der Fall war. Da kommt man an einen Punkt, wo man sogar die wuchtigen Reverb-Drums ein bisschen lieb gewinnt, weil sie so gut in diese ganze unnatürliche Szenerie passen, in der ein "normaler" Drum-Part wohl leicht verloren wirken würde.

4.

 

Doesn't Anybody Stay Together Anymore

 

No Jacket Required
1985

 

Es besteht die Möglichkeit, dass die durchaus elegante und nachdenkliche Komposition, die Doesn't Anybody Stay Together Anymore eigentlich darstellt, in einem organischeren und abgespeckten Stil besser zur Geltung gekommen wäre. Der leichte Worldbeat-Touch bei den Drums bringt zwar trotz übertriebener Lautstärke die nötige Dynamik hinein, die schimmernden Synths hätte es im Refrain aber trotz nicht unbedingt gebraucht, um die Melodie zu verstärken. Nichstdestoweniger klingt die Sache harmonisch und begräbt die persönliche Note des Songs nicht komplett. Und allen Bedenken zum Trotz bleibt einem auch mit leichtem Bauchweh ob der Ausstaffierung ein Gesamtpaket, das  insbesondere im Albumkontext nicht überfrachtet oder gegen jede Atmosphäre arbeitend wirkt.

3.

 

Can't Find My Way

 

Both Sides
1993

 

Es wird der einzige Vertreter der Post-80er-Arbeit von Phil Collins bleiben. Das hat einerseits mit dem repetitiven Songwriting, aber auch mit zunehmenden sound- und produktionstechnischen Schwierigkeiten zu tun, die gerade dann aufgekommen sind, als er sich vom wanddicken Klangteppich der 80er verabschiedet hatte. Die Bedingungen für "Both Sides" waren schwierig, die selbstgewählte Isolation des Sängers hat nicht unbedingt bei der musikalischen Umsetzung des Projekts geholfen. Unsympathische Gitarreneffekte und Keyboardklänge waren die Folge, genauso wie langatmige, bewegungslose Brocken, die als fertige Songs durchgehen sollten. Natürlich könnte man auch Can't Find My Way da einordnen, allerdings findet Collins mit den pulsierenden, an der World Music anstreifenden Drums den nötigen Antrieb und in seiner einsam erklingenden Stimme die nötige, jeder Melodramatik ferne Verlorenheit. Insofern ist es der bei weitem beste Track des Albums, der gerade durch die ruhige, einfach gestrickte Monotonie seine atmosphärische Kraft generiert und den emotionalsten Moment in Collins' Diskographie seit langer, langer Zeit markiert hat.

2.

 

The Roof Is Leaking

 

Face Value
1981

 

Das erste Soloalbum war natürlich das überzeugendste. Es war auch das musikalischste, um es möglichst blöd auszudrücken. Zwar wurde auch da schon auf instrumentaler und der Produktionsebene herumprobiert, die Qualität der Kompositionen und ihre gefühlsechte Umsetzung schien aber weit eher im Mittelpunkt zu stehen als in den folgenden Jahren. Insofern ist "Face Value" trotz diverser Genreausritte und auch mit einem unnötigen Beatles-Cover im Schlepptau der einsame emotionale Höhepunkt in seiner Karriere. Das allein hat bei weitem nicht alles meisterlich wirken lassen, The Roof Is Leaking allerdings sehr wohl. Fast komplett um das melodisch aber gedämpft dahinspielende Klavier und den - abseits von Soundtracks - einzigen Auftritt eines Banjos in Collins' Diskographie aufgebaut, ist die Erzählung vom verarmten Familienvater, der nicht weiß, wie er den Winter überstehen soll, gleichermaßen perfekt inszeniert, wie es eine leidenschaftliche Performance von Collins ist.

1.

 

In The Air Tonight

 

Face Value
1981

 

Jetzt ernsthaft, hat irgendwer zu irgendeinem Zeitpunk mit etwas anderem gerechnet? Würde irgendjemand zu irgendeinem Zeitpunkt etwas anderes auf Platz 1 hieven? In The Air Tonight ist das Ass in Phil Collins' Ärmel gegen alle seine erbitterten Kritiker, es ist auch einfach ein popmusikalisches Meisterwerk. Ob man sich nun die von der Drum Machine dominierte erste Hälfte oder die organischere, lautere zweite vornimmt, hier wie da ist es eine theatralische, aber tief emotionale Vorstellung, die da geboten wird. Nicht gewollt atmosphärisch, dafür ein makelloses Arrangement, das in keiner Sekunde musikalisch einen Schritt zu weit oder in die falsche Richtung geht, den idealen Ton für die gespenstische Atmosphäre der ersten Hälfte und die dramatischere zweite findet. Im Zuge dessen ist es auch mit der beste Einsatz von Stimmverzerrungen bzw. -manipulationen, der mir je begegnet ist. Vom ersten, leise das Fade-In eröffnenden Ton über Collins' gesangliche Ausbrüchen gegen Ende und bis zur alles umspannenden textlichen Kryptik ist da kein Fehler zu finden.

Schlusswort:

Hätten wir also dem Mann mit zu viel Erfolg und zu wenig Feingefühl für musikalische Zurückhaltung auch ein paar Zeilen gewidmet. Es passt auch zeitlich, immerhin will Phil Collins auf seine alten Tage ja doch noch einmal ein Album aufnehmen, obwohl er kaum noch etwas hören dürfte. In Anbetracht dessen, wie das das letzte Mal geendet hat, vielleicht nicht die allerbeste Idee. Es bleiben einem aber ohnehin die guten Momente seiner musikalischen Vergangenheit, um ihn durchaus auch mögen zu können. Muss man nicht, aber man kann es ja mal versuchen. Sollten übrigens ausgewiesene Disney-Enthusiasten einen Collins-Beitrag zu "Tarzan" oder "Brother Bear" vermisst haben, sei ihnen gesagt, dass zumindest Two Worlds sehr nahe dran war, aber dann doch ein bisschen zu gezwungen exotisch geklungen hat. Was gibt es sonst noch zu sagen? Ach ja, nichts. Na dann...

 

Kristoffer Leitgeb, definitely not on the way to heaven


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