Muse - Absolution

 

Absolution

 

Muse

Veröffentlichungsdatum: 15.09.2003

 

Rating: 5.5 / 10

von Mathias Haden, 23.05.2015


Eine kurze Abhandlung von Größenwahn, symphonischem Bombast und den Propheten des Rock.

 

Jede Dekade hat ihre Landmarken, Flops, Newcomer, Eintagsfliegen, aber auch ihre zweifelhaften Helden, bei denen man sich immerzu fragt, wie diese mal ganz groß werden konnten. Was in den 70ern mit der theatralischen Gauklertruppe Queen und den australischen Testosteronbomben AC/DC noch einigermaßen harmlos begonnen hatte, sich bei den 80ern dann praktisch auf das ganze Glam-Metal-Genre übertragen ließe, findet Anfang des frischen Jahrtausends mit den pseudo-epischen Rock-Göttern von Muse dankbare Bewahrer einer traurigen Tradition. Als die in den 90ern aus den Scherben des Britpop als würdige Nachfolger von Radiohead gefeiert wurden, hätten die Alarmglocken bereits in schrillster Form bimmeln müssen, als das 2003 erschienene, dritte Album Absolution schließlich als eines der größten des Rock abgefeiert wurde, nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Das Trio um Matt Bellamy wurde unter Superlativen begraben, zur wichtigsten Band des 21. Jahrhunderts gekürt und erhielt auch für seine Live-Auftritte nur euphorische Worte. Zugegeben, auf der Bühne lassen es die Briten mit aufwendigen Inszenierungen tatsächlich krachen, auch Absolution weiß, die Stärken der Band richtig auszuspielen.

 

Zumindest am Anfang gelingt das auch in halbwegs eindrucksvoller Manier. Apocalypse Please wartet mit unheilvollen Pianoakkorden auf, die in eine melodramatische Weltuntergangsstimmung münden und schließlich mit flimmernden Synthies augmentiert werden. Klingt gut, musikalisch at least; denn was Titel und Stimmung schon andeuten, manifestiert sich im triefenden Pathos und den fast schon peinlichen Zeilen:

 

"Proclaim eternal victory

Come on and change the course of history

And pull us through

And pull us through

And this is the end

This is the end of the world"

 

Besser machen es die Rock-Propheten im folgenden Time Is Running Out, das sich zwar in abgeschwächter Form mit ähnlichen thematischen Problemen rumschlagen muss, die schon den Einstieg und den Großteil des Albums belasten, mit seinem mitreißenden Refrain und starkem Bass aber wieder musikalisch punkten kann.

 

Leider ist es mir nicht wie so oft in den letzten Wochen gegönnt, nach einem guten Einstieg auf einen abfallenden Mittelteil und ein versöhnliches Ende zu verweisen, die negativen Voraussagen bleiben also vorerst nicht nur Matt Bellamy, dem Nostradamus der Neuzeit, vorbehalten. Denn das Trio tut viel dafür, ja nicht sympathisch zu wirken. Stockholm Syndrome hat alle Zutaten, die einen ordentlichen Track ergeben würden: gesunde Härte, knüppeldicke Riffs, polternde Drums und eine trotz typischem Keyboard-Bombast in den Refrains nicht ganz so erdrückende Dramatik. Trotzdem schaffen es die Briten eindrucksvoll, ihn in ihrem überproduzierten Klangbrei bis zur Ziellinie nach fünf Minuten zu ersticken. Dennoch, eine der besseren Darbietungen auf LP #3.

Bleiben wir weiterhin auf der rockigen Seite, denn auf die kann man sich auf Absolution zumindest stellenweise verlassen. Bestes Beispiel dafür: das vielgelobte Hysteria. Musikalisch hat der mit seiner Kombination aus elektrisierenden Gitarrenriffs, rumpelndem Bass und fetzigem Schlagzeug schon einiges zu bieten, leider bleibt der pathetische Text darunter wieder auf der Strecke: "And I want you now / I want you now / I'll feel my heart implode / And I'm breaking out / Escaping now / Feeling my faith erode". Bleibt noch der wohl sympathischste Vertreter der Rock-Fraktion, das kleine, rotzige The Small Print, das ausnahmsweise auch ohne überberstenden Pathos, überstrapazierte Dramatik und vor allem ohne seine ausgedehnten Längen auskommt, die dem ganzen gekünstelten Schauspiel die Krone der Unmittelbarkeit aufsetzen.

 

Die andere Seite der rostigen Medaille würde auch nicht einmal unverdünnte Phosphorsäure wieder sauber kriegen, jene der schwermütigen Balladen. Oft haben wir uns ja schon über melancholische Performances gefreut, aber was Bellamy hier teilweise ins Mikro raunzt, geht auf keine Kuhhaut. Während das müde Sing For Absolution mit angenehmen Crescendo noch einigermaßen den Spannungsbogen aufrechterhalten kann und seine Liebes-Thematik nicht überreizt, wird es mit der Coldplay-Anbiederung Falling Away With You mit schmalzigem Klagegesang zunehmend schwieriger, ehe mit dem passend betitelten Endlessly Kitsch in seiner reinsten und endlosesten Form präsentiert wird. Immerhin sorgt Closer Ruled By Secrecy mit melodischen Klaviersequenzen noch für ein paar entspannende Momente im Endspurt, auch wenn Bellamys Gejaule zwischendurch immer wieder einen Strich durch die Rechnung der sanften Atmosphäre macht, die sich gegen Ende noch in harte Akkorde und deftige Bassnoten steigert.

 

Was soll ich an dieser Stelle denn sagen? Ich versuche es mal mit dem Offensichtlichen, zudem auch in einer Form, die Fanbrillenträgern der Opulenzrocker nicht zu heftig aus ihrer fantastischen Traumwelt zurückbringt. Obwohl, egal, dann doch lieber die harte Wahrheit: Absolution, Muse' vermeintliches Magnum Opus ist weder der Rettungsanker des Rock, noch ein Meilenstein der 2000er Jahre. Auch wenn das dynamische Trio (das eigentlich nie so etwas wie Dynamik verströmt) immer wieder ihre Klasse an den Instrumenten aufblitzen lässt, liefert es letztlich nur eine LP, die vorgibt, größer zu sein, als sie eigentlich ist. Ganz egal ob es die im wahrsten Sinne apokalyptischen Texte, der symphonische Bombast - man denke nur an das Orchester von Blackout - oder Bellamys weinerlicher Gesang ist, vergleichsweise viel zu selten für ihren Aufwand kommt eine Nummer weit über den Durchschnitt hinaus; und genau dort pendelt sich dieses Album voller Weltschmerz und Größenwahn auch ein.

 


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