Metallica - Master Of Puppets

 

Master Of Puppets

 

Metallica

Veröffentlichungsdatum: 03.03.1986

 

Rating: 9 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 17.01.2015


Man lässt die Puppen headbangen und kreiert im Vorbeigehen das nächste Meisterwerk für die Ewigkeit.

 

Ich finde das ja etwas unfair, dass der Kollege, wie letztens berichtet, zu seiner Geburt immerhin Peter Gabriels "Us" veröffentlicht bekommen hat. Nicht das größtmögliche Werk, aber bei mir findet sich außer dem, natürlich immens einflussreichen, Hard Rock-Produkt einer japanischen Band nichts, aber auch gar nichts. Man kann sich immer einreden, die eigene Ankunft in der tristen Welt hätte solch immense Bedeutung gehabt, dass ein Albumrelease für jeden noch so erfolgreichen Musiker außer Frage stand. Naja.....

Oder man trickst etwas. Acht Jahre vorher stand der Planet nämlich knappe 24 Stunden davor, den Trash Metal noch einmal ganz neu kennen zu lernen. Und weil die Leute ja auch damit angeben, sie wären über fünf Ecken mit Barack Obama oder ähnlichen verwandt, lassen wir das einmal gelten und begleiten also die US-Amerikaner, wie sie bereits so früh die Fanfaren für den kleinen K auspacken.

 

Super, jetzt fehlen auch noch die Fanfaren! Keine Bläser weit und breit. Diese Verfehlung wird aber dann doch eindrucksvoll auf anderen Ebenen wettgemacht. Und dabei kommen erst einmal unweigerlich Erinnerungen an den Vorgänger auf, so man sie denn hat. Man startet mit dem schon für sich legendären Akustik-Intro von Battery und wird so genüsslichst verladen. Wenn Metallica nämlich einen wütenden Song schreiben, dann bedeutet das, dass der stimmungsvolle und hymnisch-bluesige Beginn nur kurz dauern darf, irgendwann müssen einem der Beat und ein Duo auf High-Speed getrimmte Gitarren entgegenfliegen. Selbiges passiert und bietet allen Grund zum Lob, macht man sich doch mit den altbekannten Punk-Anleihen gleich wieder daran, die einengenden Wände alle gleichzeitig einzureißen. Es gelingt fast, auch dank des wie üblich großartigen Solos und der treibenden Drums.

 

Letzte Zweifel räumt dann der Titeltrack aus dem Weg. Den weithin bekannten Minuten viele Worte zu widmen wirkt unnötig, ist doch sowohl der markante Riff Geschichte, als auch der abgehackte Refrain, der der Drogensucht mit der Zeile "Obey your master!" genau die richtige Spur des Unheimlichen verpasst. Prunkstück des Songs, des Albums, vielleicht sogar einer ganzen Karriere ist und bleibt allerdings das über die Perfektion hinausgehende Solo, das allein zur Hymne taugt, sich mit dem großartigen Gitarrensound im Gedächtnis verewigt. Bereits lange vorher werden einem die markanten Unterschiede zu früher klar. Rohe Gewalt war gestern, fein austarierte Arrangements und klassische Anleihen sind heute - zumindest wenn heute 1986 ist. Denn Brachialphasen werden Passagen entgegengestellt, die in ihrer Präzision ein neues Bild geben, zudem mit weniger Tempo, aber dem selben Nachdruck oft für mehr Tiefgang sorgen. Auch dank der aufpolierten Produktion, die den Gitarren mehr Volumen und James Hetfields Stimme fast etwas Singendes einbringen.

 

Wo so viel Gutes da ist, scheint es nur folgerichtig, dass genau das die Perfektion unmöglich macht. Von Schwäche kann nirgendwo die Rede sein, weder in der bedenklich schnellen Schlussnummer Damage Inc., die an Monotonie kaum zu überbieten wäre, noch im lange träg heruntergespielten Leper Messiah - das sich mit dem Solo zum Ende ohnehin rehabilitiert. Doch dem vielschichtigeren Sound und der neu gefundenen Tiefe fällt die umgehende emotionale und allumfassende Wucht von "Ride The Lightning" zum Opfer. Das großartige Disposable Heroes, das Filme wie 'Full Metal Jacket' oder 'Platoon' vorwegnimmt, lässt ganz im Gegenteil erstmals so etwas wie Überlange erkennen. Da können die Riffs noch so genial, die Härte noch so unübersehbar sein, kämpft der Track damit, es bei gleicher Länge nicht ganz Master Of Puppets nachmachen zu können.

 

Kritik auf hohem Niveau, um nichts anderes geht es hier aber auch. Allein deswegen, weil mit Welcome Home (Sanitarium), inspiriert von 'One Flew Over The Cuckoo's Nest', noch ein Hochkaräter in Form der üblichen Power-Ballade hinzukommt. Dort wird mit dem atmosphärischen Zusammenspiel von Hetfields dezentem Gezupfe einerseits, wuchtigen Riffs und mächtigem Solo von Kirk Hammett andererseits genug Stimmung für ein ganzes Album aufgebaut. Eben jene Stimmung, die zwar dem in aller Trägheit anziehenden Mid-Tempo-Schwergewicht The Thing Should Not Be gegeben ist, aber dann doch nicht den beiden oben genannten Ausreißern. Die wirken gegen Ende isoliert, treffen auf das sphärische Bass-Meisterwerk Orion, das als achtminütiges Instrumental zwar als Cliff Burtons ewiges Denkmal dient, aber bei allem Respekt auch an jedermanns Geduld nagt.

 

Vielleicht liegt es dann an gerade dieser sphärischen, der Klassik entlehnten Größe, dass man hier an eine sehr hohe, aber nichtsdestotrotz an irgendeine Grenze stößt. Man fühlt sich etwas geschlaucht in Anbetracht der wuchtig vorgetragenen Hymnen, die die LP bereithält. Und so sehr man da über den Titeltrack und Welcome Home (Sanitarium) zu schwärmen vermag, so sehr muss man dann auch Abstriche machen. Denn die brutale Leichtigkeit der ersten beiden Alben, die permanente ungetrübte Hochspannung unter der man auf "Ride The Lightning" stand, die wird gestutzt und dafür wird das überlange Monster vorbereitet, das "...And Justice For All" heißen sollte.

 

Und bei dieser zwiespältigen Betrachtung kommt unweigerlich die Frage auf, wie kleinlich man eigentlich sein kann. Kein zweiter 10er ist es geworden, alles in allem muss man sich aber schon fast dazu zwingen, wirklich die Schwächen von "Master Of Puppets" auszugraben. Die sind da, aber dann doch eher auf die Art, wie einem Ameisen den Weg versperren, wenn man durch eine Wiese geht. Also kein nennenswertes Hindernis für all jene Lebewesen, deren Größe einen Zentimeter übersteigt. Was dank unser aller Anatomie bedeutet, dass das dritte Album des Quartetts eigentlich ausnahmslos genossen werden kann, auch wenn man nicht gerade am 03.03.1986 das Licht der Welt erblickt hat.

 


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