Incubus - Morning View

 

Morning View

 

Incubus

Veröffentlichungsdatum: 23.10.2001

 

Rating: 5 / 10

von Mathias Haden, 11.12.2013


Der Stilbruch von RHCP zu Wish You Were Here erweist sich als zu harter Brocken für die Kalifornier.

 

Wie schaffen die das nur immer? Die Frage, die mein werter Kollege bei den Soft-Langweilern von The Fray schon in ähnlicher Art und Weise in den Raum stellte, möchte ich nun aufgreifen und bei den Alt-Rockern von Incubus erneut stellen. Die Jungs rund um Frontmann und Sänger Brandon Boyd haben ja eigentlich einen recht umständlichen Weg hinter sich. Von einem Debüt, das irgendwie an die Anfänge der Red Hot Chili Peppers erinnert, da gab es sowohl Funk als auch Metal, bis hin zu Radionummern wie Drive. Dazwischen lagen keine fünf Jahre und scheinbar hat sich dieser Umschwung ausgezahlt. Das vierte Album, Morning View, sollte für die Band zum bis heute größten Verkaufsschlager ausarten (Doppelplatin). Beachtlich, dachte man doch, Anthony Kiedis und Co. wären die einzigen, die einen derartigen Stilbruch mit Millionengewinn rechtfertigen könnten.

 

Aber zurück zu Incubus und der eigentlichen Frage, warum man als ehemals unbeachtete Funk-Metaler plötzlich als Crossover-Rock-Band ein Riesenpublikum erreicht. Bereits Vorgänger Make Yourself, angetrieben durch diverse Faktoren wie eine starke Lead-Single und gute Kritiken, verkaufte sich gut. Nicht zu unterschätzen auch der Einfluss, den Produzent Scott Jill (R.E.M., Nirvana) auf den Sound der Band hatte. Ende der 90er konnte man ja noch auf der Welle dieser beiden Bands reiten.

 

Jill ist es auch, der sich auf dem vierten Werk der Gruppe wieder eingefunden hat, um Boyd und Konsorten zu unterstützen. War Make Yourself trotz massenfreundlicher Singles noch als Übergangsalbum vom alten Stil zu verstehen, deutet hier alles auf Aufbruchsstimmung und Weiterentwicklung hin. Auf den dreizehn Tracks mussten sowohl Funk und Metal vom Beginn, als auch die vom Grunge nicht ganz unbeeinflusste Phase der späten Neunziger dem neuen Sound der Band weichen: einer verträumten, soften Mischung aus Rock und Pop.

Vorbei war es mit RHCP und Nirvana.

 

Nun ja, vollkommen haben sich die Jungs dann doch nicht vom Sound verabschiedet, der sie erst bekannt gemacht hat. Zumindest Opener Nice To Know You und Under My Umbrella lassen an die harten Gitarren der Vorgänger-LP erinnern. Man will sich ja auch nicht alle treuen Fans vergraulen. Das war es dann aber auch mit der amerikanischen Härte. Romantische Melodien zieren die Mehrheit der Tracks und stehen im Einklang mit sonnig leichten Instrumentationen.

 

Wenn Fans und Kritiker sich bei etwas einig waren, dann, dass diese Scheibe das Magnum Opus von Incubus, und auch einen Meilenstein im unpräzise definierten Bereich des Alternative Rock darstellt. Auf den ersten Blick könnte man sich diesem Lob eigentlich ganz gut anschließen. Da gibt es wahrhaftig Großes zu bestaunen: Ob es nun einfach gestrickter Rock wie in Circles ist, oder eine akustische Ballade wie Mexico, über Eintönigkeit kann man sich nicht beschweren. Und dann hält das Album noch zwei wirkliche Perlen bereit. Zuerst einmal Wish You Were Here, ein ernst zu nehmender Kandidat für die Single des Jahres. Dieser Track, von Boyd in aller emotionaler Tiefe vorgetragen, rechtfertigt allein schon den Kauf dieser Platte.

Der andere ist Closer Aqueous Transmission. Der ist dank asiatischer Begleitung (diverse chinesische Instrumente und japanisches Orchester) so schräg und unpassend, dass er schon wieder nur großartig ist. Fast 8 Minuten entführt dieser orientalisch angehauchte Tranquilizer in transzendente Sphären und bietet die entspannendsten Momente auf Morning View:

 

"Floating down a river named emotion

Will I make it back to shore?

Or drift into the unknown..."

 

Das war es dann aber auch mit Enthusiasmus und Gejubel. Nein wartet, einen hab ich noch! Are You In?, der trotz Uuuuuhh, Uuuuuhh-Gesängen nicht einmal so nervt, wie es hier klingt, hat die besten, weil zur Abwechslung groovenden Augenblicke von Bassisten Dirk Lance und kurz fühlt man sich wirklich wieder an RHCP erinnert.

Boyd, bei dem man sich nicht nur wegen seiner Band an Anthony Kiedis erinnert fühlt, der aber ansonsten ein guter Frontmann und nicht nur Kopie des Angesprochenen ist, und sein Gefolge haben zwar einen angenehmen neuen Klang und vor allem ein neues Zielpublikum gefunden, aber auf Albumlänge funktioniert hier noch nicht alles optimal. Neben den bereits herausgehobenen Glücksgriffen ist nämlich nicht alles Gold was glänzt. Nicht selten dümpelt die Band in unbedeutendem, nebenherschrammelndem Geklampfe herum (Ja, so könnte man es beschreiben). Lead-Gitarrist Mike Einziger ist kein Schlechter, das hat er schon häufig bewiesen, aber auf Tracks wie 11am oder Blood On The Ground ist das nicht unbedingt Ohrenschmaus.

Diese beiden stellen aber lediglich den Gipfel des Eisberges dar, hier fehlt es leider an Vielem, das die beiden Vorgänger S.C.I.E.N.C.E. und Make Yourself ausgemacht hat: Der Groove, die Vielschichtigkeit und schlicht das gewisse Etwas, das die Kalifornier ihren Songs immer mitzugeben wussten. So bleiben neben den Höhepunkten auch einige starke Momente. Der Rhythmus vom ansonsten blassen Warning (ich sagte ja, dieser Einziger hat was am Kasten), die Abwechslung von ruhigeren Nummern wie Mexico oder Echo. Trotz der Mischung aus laut und leise, aufbrausend und ruhig, langsam und schnell, etc. wird man hier schneller gelangweilt, als man es ursprünglich geplant hatte. Außerdem wirkt das Gescratche von DJ und Keyboarder Chris Killmore, das die frühen Alben musikalisch bereichern konnte, auf einem Album wie diesem sehr unpassend.

 

Das Jahr 2001 war mit Sicherheit keines, an das sich Boyd, Einziger und Co. mit Grauen erinnern. Endlich konnte man sich präsentieren und dem neuen Jahrtausend seinen Stempel aufdrücken. Der Preis für diese Möglichkeiten fiel mit einem augenscheinlichen Qualitätsverlust dann aber doch etwas zu heftig aus und das vierte Album der Amerikaner kann nicht halten, was der Hype verspricht. Dennoch gibt es hier einige Gustostückchen und Momente, auf denen man ja aufbauen kann.

 


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