Box Car Racer - Box Car Racer

 

Box Car Racer

 

Box Car Racer

Veröffentlichungsdatum: 21.05.2002

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb & Mathias Haden, 21.10.2015


Der Ernst des Lebens hält Einzug im Hause DeLonge und mit ihm mehr Mut, mehr Härte und mehr Monotonie.

 

Ah, Side Projects. Diese munteren Spielwiesen, diese temporären, von Beginn weg dem Tod geweihten Musik-Labors, diese klaren Kennzeichen sprudelnder Kreativität. Man muss sie mögen. Und hassen natürlich, aber das nur, weil das Ergebnis meistens irgendwo zwischen fadem Abcashen und mäßiger Verweichlichung endet. Tom DeLonge hatte immer schon mehr vor und so ein bisschen Ambition, gepaart mit dem richtigen Maß an Freiheit, das kann auch in diesem Fall was.

 

Das fruchtet allein schon deswegen, weil der Hoppus'sche Pubertäts-Punk hier keine Fortsetzung findet, dafür ein Hauch von Ernsthaftigkeit und Tiefgang in der Luft liegt, der spätere Jahre vorwegnimmt. Das erste Date ist Geschichte, die Aliens im Schrank genauso, stattdessen behelligt einen DeLonge mit einfach gestrickten, aber nicht unwirksamen Abstechern in Richtung Politik, Erwachsenwerden, Liebe und dann doch auch mal des Endes der Welt. Der Humor ist dabei verflogen, stattdessen machen Watch The World oder Letters To God eher den Eindruck melancholischen Verdruss'. Dabei geht man aber wenigstens dem tödlichen Pathos und der Selbstbeweihräucherung aus dem Weg, die Jahre später Angels & Airwaves kennzeichnen sollte. Zwar kommt DeLonge selbst in seinen persönlichsten Momenten nicht davon ab, seine Zeilen gewichtiger klingen zu lassen, als sie eigentlich sind, die Einfachheit der Lyrics und die stärksten Vocals, die er in seinem Leben je abliefern wird, lassen das aber bald verschmerzen.

 

Die Musik tut vielleicht auch Ihriges dazu. Im BCR-Sound versteckt sich ein Anflug von Hard Rock, von Hardcore, der mit wuchtigen Riffs und trockenen Drums dafür sorgt, dass die eigentlich glattpolierte Mischung nie wirklich ihren Nachdruck verliert. Und inmitten dessen steht immer noch der Mann, der ein hemmungsloser Egozentriker, aber eben auch ein starker Songwriter ist. Opener I Feel So beweist mit seinem epochalen, abwechslungsreichen Intro zwischen Klavier und Punk-Exzess von der ersten Sekunde weg, was der Mann im richtigen Moment schreiben kann. Finalisiert wird das von gefühlvollen und ausgewogenen Balladen wie dem stark inszenierten, lange akustischen Letters To God und vor allem dem von Marching Drums angetriebenen There Is.

 

Bevor jetzt das Wasser im Mund zusammenläuft, sei gesagt: Irgendwie hakt's. Und es sind keine Kleinigkeiten, die zu beanstanden wären. Eine solche ist das miserable Unding My First Punk Song, inhaltsleer, chaotisch und infantil. Das träge und dank grässlichem Tim Armstrong-Gastspiel im zweiten Song ermüdende Duo Tiny Voices und Cat Like Thief ist eine weit größere Delle. Da wird dann die Ideenlosigkeit plötzlich offensichtlich, wenn Abwechslung nirgends zu finden ist. Genauso wie die banalen Anwandlungen von Sorrow und die klangliche Monotonie, die spätestens zum Ende mit The End With You offensichtlich wird, auf die Gesamtperformance drücken.

 

So viel also dazu. Der Kollege wird das ja sowieso noch professionell verfeinern, verbessern, in Stücke reißen, wer weiß. Er wird auf alle Fälle einen besseren Job machen als meiner einer, der irgendwie nicht und nicht zu einem Urteil kommt. Vielleicht ja jetzt: Das auf ewig einzige Box Car Racer-Album ist ein wichtiger, starker Schritt weg vom bis dahin bekannten blink-Sound und zeigt DeLonge in mancher Hinsicht auf seinem Zenit. Auf 40 Minuten weiß er allein dann trotzdem nicht, was er die ganze Zeit tun soll.

 

K-Rating: 6.5 / 10

 


Der Ursprung einer gescheiterten Dreiecksbeziehung - musikalisch immerhin über weite Strecken ziemlich brauchbar.

 

Donnerwetter, jetzt haben wir die Rasselbande aber beisammen. Mutter Blink-182, Angels & Airwaves, +44 und jetzt also das allererste der Side-Projects, das quasi den Grundstein für spätere Seitensprünge legen durfte. Warum aber auch nicht, zumindest im Zusammenspiel mit Drummer Travis Barker hat noch keiner der beiden Raunzer Hoppus und DeLonge so richtig ins Klo gegriffen - zumindest metaphorisch nicht.

 

Und so überrascht es auch wenig, dass das kurzlebige Box Car Racer-Projekt, das noch für so manchen Unmut innerhalb des Bandgefüges sorgen sollte, ebenfalls keineswegs eine Enttäuschung darstellt. Hier mal ein härterer Riff, dort mal eine apokalyptische Horrorvision und dazwischen ein DeLonge, der seinen Traum, irgendwann doch seinem Alter gerecht zu werden, endlich ausleben kann - und dadurch einige positive Impulse fürs nächste Blink-Album mitnimmt. Natürlich wartet man hie und da vergeblich auf Hoppus' samtenen Bariton, ansonsten leisten DeLonge und Barker mit Hilfe vom braven, aber wenig auffälligen David Kennedy jedoch ordentliche Arbeit.

 

Davon, dass der staubige Klumpen im Mund allmählich einer wallenden Speichelsuppe weicht, bleibt ihr selbstbetiteltes Debüt aber doch stets ein gutes Stückchen entfernt. Freilich kokettieren bereits gelobte Stücke wie I Feel So oder der eigene Favorit Letters To God mit ihrem cleveren und spannenden Aufbau, spielt der meistens über den Dingen stehende Barker wie am wetternden All Systems Go seine Souveränität aus und stellt DeLonge sein Pop-Verständnis etwa im wehmütigen There Is auf feinste Weise zur Schau. Meistens klingt das zwar gut, aber trotzdem irgendwie genauso berechenbar, wie man es sich vorstellt: wie ein post-pubertäres, immer wieder auf eine Portion Härte schielendes Nebenprojekt eben.

Vom biederen My First Punk Song, der fast schon wie der verzweifelte Versuch anmutet, ein paar alte Fans seiner Highschool-Bands zurückzugewinnen, über die unnötige Reunion mit dem sich zurecht verarscht fühlenden Hoppus (Elevator) bis hin zum quietschigen Tiny Voices, auf dem der Protagonist nichts von seiner guten Verfassung rüberbringen kann - die ganz große Show gelingt einer LP, die alle drei Blinksters Post-Enema Of The State vereint, wohl einfach nicht mehr. Und gute Güte, ist Cat Like Thief mit/dank Tim Armstrong beschissen, stellt das mal jemand ab???

 

Wirklich auf die Sprünge helfen kann ich dem Kollegen also auch nicht, von verbessern ganz zu schweigen. DeLonge, Barker und Kennedy spielen eine ordentliche LP, die ihren Job, Erstgenanntem eine Spielwiese für seinen aufkeimenden Weltschmerz und ein wenig halbstarker Härte zu gewähren. Mehr ist es nicht, mehr muss es aber auch nicht sein. Und dass Box Car Racer das einzige Album unter dem Namen bleiben wird, würde ich aber nicht beschwören, weiß man doch um die kindischen Eifersüchteleien der Pop-Punker bestens Bescheid. Obwohl... vielleicht dann doch nicht mit Travis, der sich dafür mittlerweile hoffentlich zu gut sein und lieber eine neue Reality-Show drehen sollte. Was für Schwachköpfe, allesamt...

 

M-Rating: 6.5 / 10

 

Anspiel-Tipps:

- I Feel So

- Letters To God

- There Is


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