The Fray - Helios

 

Helios

 

The Fray

Veröffentlichungsdatum: 25.02.2014

 

Rating: 4 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 03.06.2016


Im Kampf gegen den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit fehlen fernab alter Formeln die Waffen.

 

Es muss schon eine schwere Prüfung sein, sich so einfach damit abzufinden oder es auch nur akzeptieren zu lernen, dass der ehemals so nahe Erfolg plötzlich weit weg ist. Etwas schwer vorstellbar natürlich für uns, die wir hier Tag für Tag erfolglos dahindarben - ok, vielleicht geht's auch nur mir so -, aber da müssen doch enttäuschte Erwartungen und Selbstzweifel an der Tagesordnung stehen. Umso mehr, wenn man nur kurz oben war und dann die Reise ganz schnell wieder Richtung Süden gegangen ist. Man könnte bei The Fray nachfragen, wie das so ist. Deren Abschied von der großen Bühne scheint mittlerweile beschlossene Sache, dabei waren sie eigentlich nur für eineinhalb LPs wirklich dort. Könnte damit zu tun haben, dass Album #2 im Prinzip eine weniger persönliche Fortsetzung vom Debüt war, und auch daran, dass Album #3 nur eine in rockiger Maskerade versteckte seelenlose Fortsetzung von Album #2 war. Mit "Helios" macht man vier daraus und auch wenn den Denveranern ihr Schicksal zu dämmern scheint, die Suche nach dem Notstopp-Knopf verläuft ergebnislos.

 

Bevor wir uns nun diesem spannenden Abenteuer widmen, sei noch eines klargestellt: Musikalische Konstanz ist nicht von Grund auf schlecht. Die ständige Abwechslung und Neuerfindung, sowas wird gern überbewertet. Es darf auch gern vier, fünf Alben lang das gleiche Geheimrezept ausgeschlachtet werden, solange das, was man aufgetischt bekommt, auch mundet. Was bei The Fray allerdings das offensichtliche Problem ist, ist die Tatsache, dass deren Geheimrezept nie geheim war und deswegen von gefühlt 50 anderen Bands auch geboten wurde und wird. Isaac Slade musiziert mit seinen Kollegen im gesittet-defensiven Piano-Rock seit Jahren ohne Alleinstellungsmerkmal dahin. Zu Zeiten von "How To Save A Life" half noch der Umstand, dass sich da jemand berechtigterweise ernst genommen hat, weil um das durchaus effektive Charakter-Winseln von Slade und seine Klavier-Künste ehrliche Texte und musikalisches Understatement versammelt wurden. Doch das ist Geschichte.
"Helios" kennt kein Understatement, sondern nur mehr einen Griff nach verblassten Sternen. Den versucht man mit geschliffenen Riffs, großen Refrains und oft alles dominierenden Beats. Songs für die Stadien dieser Welt sind das Ergebnis, großspurig und doch so kleinlaut, weil weder Slade, noch seine Kollegen irgendetwas zu bieten hätten, das über die verschwommenen Botschaften und Klänge des AC-Rock hinausgeht. Wie symptomatisch ist da die Eröffnung Hold My Hand? Das Paradebeispiel einer unschuldigen Klavier-Ballade, aufgeblasen auf ein fast rockiges Klang-Spektakel, damit auch die 45. Reihe noch alles mitbekommt. Das ist farblos, ideenlos und....eigentlich ganz ordentlich. Hilft der Botschaft des Reviews nicht, aber man findet sich mit dem Umstand konfrontiert, dass diese Kantenlosigkeit Raum schafft für ein markantes Zusammenspiel heller Piano-Akkorde und pochender Drums, für einen eingängigen Refrain und sogar so etwas wie passable Riffs.

 

Überhaupt legen es The Fray gefinkelt an, die ersten Minuten lassen nämlich gar keine so großen Schwächen erkennen. Im Gegenteil, Leadsingle Love Don't Die ist ein kräftiges Lebenszeichen, ein notwendiger und lohnender Ausbruch aus der immergleichen Masche. Mit prägnantem Gezupfe beginnt man den angriffigsten Moment der Karriere, dessen Stampfer-Beat nicht nur mit den - ein bissl gar billigen - Claps im Refrain harmoniert, sondern vor allem auch mit den starken Dissonanzen, die Slade immer wieder am Klavier einstreut. Endlich hat da einer eine zweite Möglichkeit entdeckt, wie man dieses Instrument verwenden kann. Und so wird die zweite Strophe, verstärkt durch Pseudo-Funk an der Gitarre, zu dem Höhepunkt, den Vorgänger "Scars & Stories" nirgendwo zu bieten hatte, umrahmt von den eigentlich unbeschreiblich billigen, aber in ähnlichem Maße durchdringenden Refrains.

 

Es mutet natürlich schon ein bissl komisch an, wenn der Süßholzraspler Slade urplötzlich den Rocker mimt und wie in Give It Away fast ein bissl rotzig klingen will. Doch auch dessen Disco-Anleihen gehen auf und sorgen für Würze, wo man eigentlich eher biedere Mäßigkeit erwartet. Die LP lebt immer dann auf und bringt einem starke Songs, wenn vom altbekannten Charakter der Band wenig übrig ist, stattdessen auf andere Pferde - zugegebenermaßen solche, die schon ziemlich durchgeritten sind - gesetzt wird. Locker und mit neuer Offenheit für Pop in Reinkultur findet man diesen Weg raus aus der Misere, um ihn eigentlich auch sehr schnell wieder zu verlassen. Die Killers-Anbiederung Hurricane mit ihrem Dance-Rock-Gemisch und den röhrenden Riffs wird dann bereits zum Ende der Fahnenstange, einigermaßen kurzweilig und doch irgendwie eine Rückkehr zur verzopften Zurückhaltung und zu gedämpfter Pseudo-Energie.

 

In der zweiten Hälfte bleibt eigentlich nicht einmal mehr das. Musikalisch und textlich blutleer gestalten sich die archetypischen Balladen, die irgendwo Emotionen versteckt haben sollten, aber eigentlich keine herzeigen wollen. Die einzigen Fragen, die Break Your Plans oder Keep On Wanting dabei aufwerfen, sind die, auf welcher LP der Band man denn den Song schon einmal gehört hat. Die Antwort ist einfach: Auf allen. Es ist in dieser Form - glatt produziert, mit Atmosphäre abtötender Größe und geprägt von lyrischer Phrasendrescherei - eigentlich ein toter Gaul, den The Fray zu reiten versuchen. Die Stimme verhallt im Nichts, Klavier- und Gitarren-Parts wirken wie Teile eines Einsteiger-Baukastens für banalen Pop-Rock der 00er-Jahre. Was der Band mittlerweile abgeht, sind Ruhe und Souveränität, um diesen Songs, die früher ihre Domäne waren, die nötigen Melodien, aber auch den nötigen Tiefgang mitzugeben. Dass man dann auf billige Keyboard-Melodien setzt, um ähnliches bei Shadow Of A Dancer zu imitieren, kommt eher einer zur Fadesse werdenden Verzweiflungstat gleich als sonst irgendwas. Man muss schon auf den Springsteen-esquen Heartland-Ausflug Our Last Days warten, um zumindest noch einmal so etwas wie frischen Wind zu spüren zu bekommen, wenn der auch spätestens mit dem Refrain reichlich kitschig daherkommt.

 

Wobei das ja wiederum für einen Fray-Song keine besondere Eigenschaft ist. Wie überhaupt nichts an "Helios" besonders wirkt. Es ist das, was die Band eben macht. Der - für die Amerikaner am Werke bedenkliche, für den Rest fast lustige - Aspekt daran: In Wahrheit versucht Isaac Slade mit seinen Background-Leutchen eigentlich fast alles anders zu machen als bisher. Das Album will ein Neuanfang oder zumindest eine nötige Abwechslung sein, bietet seine Abstecher in alle Richtungen vom Synth-Pop bis zum Heartland-Rock und zurück. Trotzdem gelingt es viel zu selten, die Soundpolitur und den klanglichen Größenwahn in etwas umzumünzen, das nicht The Fray schreit und wie eine billige Neuauflage früherer Ergüsse daherkommt. Umso absurder ist das, weil gerade die gelungenen Ausbrüche aus dem engen Korsett das Quartett in durchaus gutem, vielleicht gar seinem besten Licht darstellt. Mehr davon und es wär tatsächlich noch was möglich. Ansonsten heißt es: Auf Wiedersehen im Musik-Nirvana und unter den CDs, deren Qualität nur mehr an der Dicke der darauf residierenden Staubschicht abzulesen ist.

 


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