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Soulja Boy

Veröffentlichungsdatum: 02.10.2007

 

Rating: 1 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 22.11.2017


Yooouuuu! Eine Geschichte von unerklärlichen Phänomenen und der Urform stümperhafter Fadesse.

 

Viele Leute verstehen ja die 90er, weil sie dabei waren. Und "das war eben damals so." Also jetzt nicht Kurt oder Thom, deren Erfolg versteht irgendwie jeder, der sich mit Musikgeschichte befasst. Aber was machen Aqua, Pur oder Billie Ray Cyrus da oben an den Chartspitzen? Vielleicht auch nichts anderes als Los Del Rio, Eiffel 65 oder Rednex, aber die waren in ihrem kurzen Moment des Ruhms eher trashig als nur unerträglich und haben nur viel zu lange - wirklich viel zu lange - überlebt. Auf alle Fälle bleibt denen, die das nicht so wirklich mitbekommen haben, nur mehr eine Möglichkeit, nämlich die Ursachenforschung durch Ableitung gewisser Eigenschaften späterer Kurzzeitphänomene, die niemand wirklich verteidigen wird können. Es gibt ja genug von der Sorte, jedes Land hat seinen Gabalier oder Money Boy und in den USA haben sie sogar ganz viele in der Kategorie. Und der Erfolg eines solchen Mannes jährt sich gerade zum zehnten Male, da ist es nur opportun, ihn herzunehmen und das Phänomen Soulja Boy zu sezieren. Blöd daran ist nur, da lässt sich einfach nichts erklären.

 

Dass Soulja Boy jemals funktioniert hat, ist selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es wahnsinnig viele heranwachsende Vollpfosten gibt, die auf ihn oder auch auf brokeNCYDE einsteigen könnten, ein ziemlich großes Mysterium. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass die Musik, die er im Angebot hat, so nichts Anziehendes oder Erinnerungswürdiges vorweisen kann, außer ihrer elendiglich miesen Machart. Da bleibt nicht einmal irgendwas im Gedächtnis, was höchst untypisch für die Kategorie der "Worst Ever"-Verdammten ist - wobei, brokeNCYDE... Auf alle Fälle fabriziert dieser Mensch angeblich und, zumindest den Bausteinen nach zu schließen, tatsächlich Hip-Hop ohne allerdings dabei irgendwie die üblicherweise notwendigen Qualitäten des Genres zu beachten. Das ist mutig, aber auch mühsam, weil er nicht nur jeglicher erkennbaren textlichen Tiefe den Kampf ansagt, sie sogar so sehr konterkariert, dass man den Crazy Frog in einer ähnlichen Gewichtsklasse ansiedeln kann, er schafft es auch musikalisch absolut nirgendwo hin. Es gibt ja andere, die so wie in She Thirsty oder Bapes oder Booty Meat oder Sidekick die fadesten erdenklichen Beats ausgraben, um drumherum zu rappen. Aber erstens schaffen es die dann meistens, tatsächlich noch irgendwie hörbare Energie in ihre Rhymes zu packen, zweitens haben sie tatsächlich Rhymes und drittens wird es schon recht schwierig, wirkliche Konkurrenz ausfindig zu machen, wenn es um die elendiglich zähe, ermüdende und billig klingende Passivität der produzierten Sounds geht. Es. Tut. Sich. Nichts!

 

Diese LP ist chronisch tot und wenn sie es nicht ist, nervt sie ganz gewaltig. Primär durch die bis zum Exzess gesampelten Ein-Wort-Aussprüche von Soulja Boy, allen voran sein "Yoooouuuu", das beschissenste musikalische Markenzeichen seit, erraten, des Crazy Frogs "Ding-Ding-Ding." Vielleicht ist das dann ein Widerspruch, aber es wäre trotzdem falsch, nicht zumindest eine gewisse Anziehungskraft in einigen seiner Soundbits zu erkennen. Manche, darunter vor allem die grässlich verzerrte Elektronik-Hook von Snap & Roll oder das komplett jenseitige Yahhh!, das seinem Titel auf schlimmste Art gerecht wird, überleben eigentlich keine zehn Sekunden. Die Steel Drums von Crank That (Soulja Boy) hätten dagegen ohne die grässlichen Stimmfetzen, die alles überschatten, durchaus Potenzial und die Beat-Stakkatos von Let Me Get Em würden sogar ziemlich gut kommen, würden sie im Laufe der dreieinhalb Minuten auch irgendwann einmal die ein oder andere Variante eingestreut bekommen. Wirklich anfreunden kann man sich trotzdem mit nichts, weil einen die Tracks einfach zermürben mit ihrer beinahe kompletten Unveränderlichkeit, bei der man nicht weiß, ob sie schlichtem Unvermögen geschuldet ist oder als bewusste Reduktion tatsächlich so etwas wie das Betreten unüblicher künstlerischer Pfade darstellen soll. Es tut sich einfach nichts und abgesehen davon, dass das bei den billigen Synth-Sounds, die anscheinend auf der Ebene aushelfen sollen, ohnehin schon schwierig zu ertragen ist, ist das einzige andere Stilmittel, dessen er sich unablässig bedient, der metallisch harte Beat, höchstens noch abgelöst durch die komplett ausgehöhlte Snare und sterile Claps. Nichts. Davon. Hilft!

 

In diesem Sinne ist es eigentlich nur folgerichtig, dass sich zu diesem klanglichen Ödland auch eine inhaltliche Leere gesellt, die ihresgleichen wirklich erst zu suchen beginnen muss. Die Themen sind zwar relativ klar abgesteckt, irgendwo zwischen genretypischer Selbstbeweihräucherung, Mädls und der pflichtschuldigen Erinnerung daran, dass er eigentlich noch im Schulalter ist, liegt aber die Erkenntnis, dass mehr als ein halbes Dutzend unzusammenhängender Zeilen pro Songs nicht drinnen sein dürften. Immerhin ist sich Soulja Boy dessen ohnehin bewusst und macht das angeblich auch freiwillig so, anstatt großartig Texte zu schreiben, die keiner versteht, nur ist es keine sonderlich produktive Option, so wenig Inhalt zu verarbeiten, dass nichts mehr zu verstehen übrig bleibt. Er scheint einfach nichts mitzuteilen zu haben. Das ist jetzt weniger speziell, es gibt andere Interpreten auch, die Texte nur schreiben, damit sie Texte haben. Aber ein wenig mehr Fleiß bei der Übung hätte ihm gut getan. Dass es damit nicht weit her ist, legt aber auch der einzige genuin gut gebastelte Track nahe, Report Card. Der vermengt alle Zutaten, die der Rapper auf Lager hat, kann aber immerhin auch auf ein ordentliches Sample mitsamt starker Bläser-Hook zählen, die der Rhythmik unheimlich auf die Sprünge hilft und ansonsten sinnentleerten Raum ausfüllt.

 

Hätte er ruhig öfter versuchen können. "Souljaboytellem.com" ist ein Album, das zumindest in diesen Breiten fast niemand gehört hat, weil die Hitsingle Crank That schon für so viel Schrecken und/oder Gelächter gesorgt hat, dass von der LP keiner mehr irgendwas erwartet hat. Insofern hat Mr. DeAndre immerhin nicht enttäuscht, stattdessen aber für ein kleines Mahnmal der Grässlichkeit gesorgt. Nie so bodenlos schlecht, wie man es sich in Anbetracht des Ratings denken würde, aber fast immer schlecht genug, dass man sich der Unsinnigkeit der für das Anhören verschwendeten Minuten schmerzhaft bewusst wird. Was weiterhin die Frage aufwirft, warum gerade der Typ es bis auf Platz 1 der US-Charts geschafft hat, während Townes Van Zandt selbst die Top 100 nur von hinten gesehen hat. Der Soulja Boy muss etwas richtig gemacht haben, nur dass kaum einer erklären kann, was das im Detail sein soll. Aber man soll nicht neidisch sein, nicht einmal auf die Unnötigsten - wer will auch schon so sein?! 

 

Anspiel-Tipps:

Donk

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