Flogging Molly - Life Is Good

 

Life Is Good

 

Flogging Molly

Veröffentlichungsdatum: 02.06.2017

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 30.04.2021


Kein Zwangsoptimismus, aber ein ungewohnt zahmer Blick auf Gesellschaft, Politik und das Leben.

 

Es braucht einfach viel mehr Optimismus in diesen Tagen. Was denn sonst könnte einen dem Glück näher bringen als hoffnungsfrohe Verklärung der Gegenwart und der zu erwartenden Zukunft? Deswegen wird es einfach Zeit, dass sich jemand hinstellt und lauthals sagt: Das Leben ist gut! Und jede Zelle meines Körpers ist glücklich! So gehört das.

Nachdem ich naturgemäß nicht der richtige Ansprechpartner für derlei Späße bin, bleibt es an anderen hängen, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen. Dass sich ausgerechnet Flogging Molly mit ihrer letzten LP dafür bereit erklärt haben, mutet ironisch an und ist letztlich auch eher einer missverständlichen Verknappung in Form des Albumtitels zuzuschreiben. Die Schein-Iren mit dem echten Iren an vorderster Front sind nicht urplötzlich dazu übergegangen, sich zwangsweise den schönen Dingen des Daseins zu widmen. Und dennoch ist gerade der verklärende Titel ironischerweise höchst passend im Lichte dessen, was aus der ehemals der musikalischen Tatkraft, der Energie, der Wut und dem Nachdruck verpflichteten Band über die Jahre geworden ist. Da wurden Kanten geschliffen, Unebenheiten begradigt, es wurde aber insbesondere das Aggressionsventil geschlossen, der Punk in seine Schranken verwiesen und eigentlich gänzlich verbannt, die Power durch eher beschwingtes Dahinmusizieren ersetzt. "Life Is Good" geht genau diesen Weg konsequent weiter.

 

Diese Konsequenz ist aber für sich genommen auch etwas Gutes, selbst wenn sie einen weiter denn je von dem wegbringt, was an der Band dereinst so überzeugend gewesen ist. Druckvolle Riffkanonaden, wuchtiges Drumstampfen und die Mischung aus Pub-Romantik und leidenschaftlicher, eindringlicher Direktheit sind eindeutig eine Sache von gestern. Immerhin sieht man sich aber im Gegensatz zum Vorgänger "Speed Of Darkness" diesmal nicht mit dem Eindruck konfrontiert, dass die Band zwar schon noch gerne dieses alte Selbst am Leben lassen würde, es aber nicht wirklich schafft und keine stabile Brücke zu ihrer neuen Inkarnation zu finden. Weil dem aber so ist und sich anscheinend auch bei Dave King diese Erkenntnis durchgesetzt haben dürfte, ist die nunmehr sechste Studio-LP der Band ihre bisher zahmste. Schon Opener There's Nothing Left, Pt. 1 mutet mit seinem akustischen Setting, der melodischen Dominanz der Flöte und des Akkordeon zwar definitiv geschmeidig, aber nicht wahnsinnig animierend oder energisch an. Zwar beherrschen die Drums in wuchtiger Manier den Raum, mit Nachdruck schallen sie einem deswegen aber nicht entgegen. Eher ist es ein gediegenes Folk-Ständchen, das dank Kings starkem Gesang und der kaum zu toppenden Harmonie im Bandgefüge sehr gut im Ohr ankommt, wenn es einen auch nicht vom Hocker haut. Zumindest auf die wiedergefundene textliche Prägnanz kann man sich aber verlassen, wenn King einmal mehr das irische Schicksal unter britischer Herrschaft besingt.

 

So sehr man vom behänden Arrangement aber auch angetan sein mag, entkräftet das nicht den auch über die folgenden Tracks bestätigten Verdacht, dass es hier sicherlich nicht am stimmigen Zusammenwirken aller Beteiligten, sehr wohl aber an der Kraft und Eindringlichkeit der Musik mangelt. The Hand Of John L. Sullivan mag als kleine Ode an den allerersten Star unter den Schwergewichtsboxern versuchen, an den ausgelassenen Pub-Punk der frühen Tage anzuschließen, klingt dahingehend auch nicht komplett neben der Spur. Aber der Funke will nicht so wirklich überspringen, wenn man die ganze Zeit eine verblasste Version dessen hört, was Flogging Molly einmal waren. Wahrscheinlich ist es in diesem Sinne wirklich intelligent, auf derartige Reminiszenzen zu verzichten und stattdessen mit Welcome To Adamstown zwar rockigen Drive mitzubringen, den Song aber mit Trompetensätzen fast in Richtung Latin driften zu lassen und so allzu große Überschneidungen mit früherem Material zu verhindern. Dieser ungewohnte klangliche Akzent macht dann auch gleich genug her, um mit das Beste zu sein, was das Album so auftischt.

Abseits davon wird weniger auf Tempo und kernige elektrische Riffs gesetzt, stattdessen kämpft King mit den Seinen wie immer schon darum, seine nachdenklichen und gefühlvollen Balladen und die beschwingten, aber schaumgebremsten Mid-Tempo-Minuten so zu gestalten, dass nachhaltig Positives beim Hörer landet. Dabei kann er zwar hier darauf bauen, dass die Arrangements so geschmeidig und abgerundet sind wie nie zuvor, dementsprechend zumindest bei moderatem Tempo wie im Falle von The Guns Of Jericho das Gesamtbild ganz ordentlich wirkt. Die wirklichen Balladen versanden aber wie eh und je in endloser Spannungsarmut und einer schwer zu definierenden emotionalen Distanz zu dem, was King so singt. Lediglich Titeltrack Life Is Good hinterlässt sowohl melodisch, instrumentell mit seinem kratzigen E-Gitarrenriff und der textlichen Aufarbeitung des Todes von Kings Mutter und deren letzter Worte einen bleibenden starken Eindruck.

 

Dem Begriff Höhepunkt wird hier allerdings ausschließlich ein Song, nämlich Crushed (Hostile Nations), gerecht. Dass das ausgerechnet auch jener Song ist, der sich in seinem Aufbau wiederum am ehesten an früheren Großtaten der Band orientiert, verdeutlicht vielleicht das Dilemma ihres zunehmenden Wandels. Dem traditionellen, hymnischen und ruhigen Intro, in dem die Dominanz von Kings Stimme nur durch die herrlich ungeschmeidigen Töne der Uilleann Pipes, des irischen Dudelsack, gebrochen wird, folgt nun nicht unbedingt ein High-Speed-Kraftakt. Trotz moderater Gangart fühlt man aber in den dahinstampfenden Strophen eine atmosphärische Anspannung, die man sonst hier nirgendwo findet und die sich im Refrain in einem angriffigen, mehrstimmigen  Chant entlädt. Für einmal ist man dann zumindest kurzzeitig in der zweiten Songhälfte auch wieder mit der gebotenen Wucht unterwegs, um die dramatischen Zeilen passend zu unterstützen.

 

Letztlich ist das aber zu wenig, um an die besten Tage anzuschließen. Zu behaupten, Flogging Molly wären ein Schatten ihrer selbst wäre einerseits eine Übertreibung, andererseits ein Fehlschluss. Denn die Band rund um Dave King ist offensichtlich nicht darauf aus, ihre gefeierten Anfänge im Celtic Punk fortzusetzen, und scheitert daran. Stattdessen ist mit "Life Is Good" eine endgültig wirkende Abnabelung von diesen Zeiten abgeschlossen, die die Band weit eher dem Folk Rock und auch zunehmend wieder dem klassischen Celtic Folk zugewandt erscheinen lässt. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob diese Wandlung eine wirklich lohnende ist. Zwar überzeugt der zunehmende Fokus auf reichhaltige Arrangements und weiter zunehmende instrumentelle Facetten, genauso wie ein Dave King mitsamt seinen Texten im Zentrum des Ganzen nicht das Schlechteste sein kann. Dem gegenüber steht die Erkenntnis, dass Flogging Molly offenbar auf ewig damit zu kämpfen haben werden, ihren Songs den nötigen atmosphärischen und emotionalen Nachdruck zu verleihen, sobald der Punk aus ihren Songs verschwindet. Einzelne Kostproben, wie das mit Erfolg passieren kann, haben schon auf den vergangenen Jahren nicht dazu gereicht, nachhaltig zu überzeugen. Hier ändert sich daran wenig.

 


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