Damien Rice - My Favourite Faded Fantasy

 

My Favourite Faded Fantasy

 

Damien Rice

Veröffentlichungsdatum: 31.10.2014

 

Rating: 7.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 21.02.2016


Die Rückkehr des 'King Of Pain' zwischen neuer Größe und alter Emotionalität.

 

Ein gelunges Comeback ist naturgemäß eine schwierige Sache. Michael Schumacher oder Thomas Muster könnten ein paar Liedchen davon singen, sind aber zu unmusikalisch dafür. Die zurückgekehrten Künstler dieser Welt wären eher dafür geeignet, wollen aber den eigenen Flop vielleicht nicht unbedingt thematisieren. Man weiß eben auch nie, soll man jetzt einfach business as usual bieten - und wie AC/DC nach Jahren der Absenz schiere Fadesse mitbringen - oder doch auf eine Neuerfindung hinarbeiten - und wie die Backstreet Boys draufkommen, dass das eigentlich keinen interessiert. Logischerweise müsste es heißen: Keines von beidem. Man kann also auch gleich aufs Comeback verzichten. Traut man sich doch, sollte man wenigstens lange genug weg gewesen sein, um tatsächlich von jemandem vermisst zu werden. Ob das für Irlands Meister des Folk-Rock wirklich gilt, sei dahingestellt, wenigstens beweist er mit seiner dritten LP aber immerhin, warum man ihn vermissen hätte sollen.

 

Die acht Jahre Pause könnten ihm auch deswegen gut getan haben, weil mit Vorgänger "9" nur wenige voll zufrieden waren, er also etwas angeschlagen taumelte, noch dazu mittlerweile ohne die Trumpf-Ass-Stimme von Lisa Hannigan. Die kommt auch auf "My Favourite Faded Fantasy" nicht zurück, stattdessen fährt Rice ein ganzes Arsenal an zusätzlichen Instrumenten und Musikern auf. Bei Zeiten könnte man meinen, er hätte ein ganzes Orchester im Rücken, während er schon höchstselbst über ein halbes Dutzend an Instrumenten bespielt. Dass das Ergebnis trotzdem kein voluminöser Lautstärke-Rausch ist, wird allerdings schon mit dem namensgebenden Opener klar. Es wäre ja auch kein Folk mehr, würde nicht erstmal ziemlich alleine an der Gitarre herumgezupft werden. Während das passiert, präsentiert Rice auch sein glatteres, helleres und etwas weinerlicheres Stimmchen, das zumindest hier mehr dem Hauchen verpflichtet scheint als dem Singen. Doch der Song wird auch bald zum Vorboten auf das Muster der ganzen LP. Irgendwann schwillt hier alles an, man lässt im bescheidenen Rahmen die Muskeln spielen, zerrt zuallererst die Streicher ins Bild, dann die Drums und das Klavier, zum Ende ergeht sich das Ensemble überhaupt in hymnisch-flehendem Rock.

 

Qualitativ hat das durchaus etwas, wenn auch die ganze Angelegenheit unpersönlicher wirkt als das tiefschürfende Debüt des Insulaners. Könnte mit den glitzernden Produktionsmethoden von Rick Rubin zu tun haben, vielleicht aber auch mit der zu erahnenden Grandezza, die mancher dieser Kompositionen anhaftet. Unter die Haut schaffen es deswegen einige Tracks nicht wirklich, vor allem die zweite Hälfte gibt sich dahingehend bescheiden. Trusty And True weiß mit seinen zähflüssigen, aufgebauschten Chorälen nicht wirklich wohin, hat in den ruhigen Anfängen ähnlich durchschnittlichen Charakter wie im dröhnenden Klimax. Und auch die langgezogene Gleichförmigkeit von Long Long Way versandet trotz diverser Wechsel zwischen gitarrenlastiger Ruhe und klanglich ausgehöhlter Auftritte von Streichern, Bläsern und Percussionisten.

Da stellt sich dann vor allem die Mischung aus kurzer Tracklist und überbordenden Songlängen als Hemmschuh heraus. Rice präsentiert sich mit seinen anfänglich sympathischen, für ihn neuartigen Auftritten nach dem Motto 'Klassische Größe meets reduzierte Intimität' bald als one-trick pony. Songstrukturen gleichen sich, der Weg zum musikalisch ausgefüllten Höhepunkt ist immer das A und O, dem der Ire zwar präzise und mit seiner Musiker-Armada, aber vor allem zum Ende ohne jede Notwendigkeit entgegen arbeitet.

 

Da lobt man sich dann die nach altem Muster gestrickten, wehmütigen Minuten von The Greatest Bastard und The Box. In der akustischen Zurückhaltung entfaltet sich Rice' abgeklärter, vermeintlich unspektakulärer Gesang weit besser, Emotionen sind wieder greifbar und die fast allen aufgeblasenen Extras beraubten Kompositionen kommen auch wirksamer Atmosphäre deutlich näher als der Rest. Da passt dann auch ein kurzes Aufwallen mitsamt schweren Bläsern und der Rice'schen Liebschaft, dem Klavier, viel besser ins Gesamtbild, ohne formelhafte Züge anzunehmen.

Dass trotzdem auch die neue Machart seiner Songs für Glanztaten genügt, diesen Beweis erbringt It Takes A Lot To Know A Man. Das neunminütige Epos besticht nicht nur durch seine schwergewichtige Piano-Melodie und einen wohl kaum zu verbessernden Gesangspart, sondern auch durch perfekt abgestimmte Tempobrüche, die den Song wiederholt in unterschiedliche Richtungen ziehen. Entsprechen die ersten Minuten noch in etwa dem Folk-Credo, werden mit dem mehrstimmigen, drückenden Mittelpart und dem vielschichtigen Instrumental in der zweiten Hälfte des Tracks ganz andere Facetten gezeigt, die Rice sonst nirgendwo so ganz abrufen kann.

 

Man soll aber auch nach acht Jahren Studio-Pause nicht zu viel erwarten. Doch selbst mit entsprechenden Erwartungen enttäuscht "My Favourite Faded Fantasy" trotz aller möglicher Kritikpunkte nicht wirklich. Hauptverantwortlich dafür ist die erfolgreich geschlagene Brücke zwischen dem Festhalten an alten Tugenden und offensichtlicher Abwendung von der Vergangenheit. Gewonnen hat Damien Rice nicht nur viele, viele Instrumente, sondern zusätzlich die Fähigkeit zur präzisen Nuancierung selbiger, auch bedingt durch das äußerst geübte Händchen von Rick Rubin. Verloren gegangen ist ihm in all dem allerdings die emotionale Tiefe und die Nähe zu seinen eigenen Texten. Zumindest ist es das, was kryptische oder gar abgestandene lyrische Ergüsse zeitweise nahelegen. Dass er das mit dem starken musikalischen Gesamtpaket und großartigen Ausreißern abzufangen weiß, spricht nur für ihn.

 


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