Avril Lavigne - The Best Damn Thing

 

The Best Damn Thing

 

Avril Lavigne

Veröffentlichungsdatum: 11.04.2007

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb & Mathias Haden, 04.08.2014


Ein Album, dem man die Farbe Pink in ihrer stechendsten Form nur so anhört, aber eben auch eine kräftige Prise wohlgeformten Pop-Punk.

 

Damals, als achtjähriger Musikbanause, da war Sk8er Boi schon der richtige Song für mich. Punk für die ganz, ganz Unschuldigen quasi, in den Videos werden Einkaufszentren und Polizeiautos auf den Kopf gestellt und das Mädel mit gerade mal 17 wirkte schon cool. Noch mehr zwei Jahre später, wenn man als Zehnjähriger in Nobody's Home mitbekommt, dass die auch ganz ausgezeichnet auf erwachsen machen kann. Ja, und dann kam Girlfriend. Ein Debakel für jeden männlichen Erdenbürger, das den berühmten Fingernägeln an der Tafel ähnelt. Aber, oh Wunder, das große pinkgefärbte Unheil bleibt aus.

 

Wenn man eine etwas dickere Haut hat zumindest. Denn Tatsache ist, dass Lavigne hier erstmals ihrem Image als selbstbewusstes Punker-Girl musikalisch nahe kommt. Ansprechender Speed, ansprechende Riffs und ein ordentlicher heller Sound durchziehen die Platte und verdrängen die Erinnerung vom ehemaligen Grunge-angehauchten Pop-Rock. Das sorgt dann doch für ordentliche Ohrwurm-Tracks, die sich wie das kurze Contagious, One Of Those Girls oder Everything Back But You schon eines der sympathischeren Plätzchen im Gedächtnis suchen. Insbesondere Letzterer überzeugt als vergleichsweise High-Speed-Variante der altbekannten Abrechnung mit dem Ex, vor allem dank eines exzellenten Beats und einer starken Vorstellung von Lavigne in ihrer hiesigen Paraderolle des nervigen Girlies. Weniger reißerisch, dafür als zwei der wenigen erwachseneren Nummern stehen auch der lockere Mid-Tempo-Song Runaway, in dem sie die hohen Töne nicht hinbekommt, aber alles in allem für einen akustischen Höhepunkt sorgt, und die stimmige Piano-Ballade When You're Gone - zwar keine Weisheiten, aber immerhin genug Emotion - auf der Habenseite.

 

Das Drama spielt sich anderswo, nämlich in der Girlfriend-Abteilung, ab. I Can Do Better, I Don't Have To Try oder auch der Titeltrack strotzen vor teilweise unpackbarer Infantilität, die eine wirklich mühselige Mischung aus kindischem Spaß und zickigem Narzissmus herausrückt. Unterstützt von der mit Fortschreiten der Songs schwieriger werdenden Performance der ewig gut gelaunten Avril ergeben sich Lieder, die einer erwachsenen Frau wirklich nicht stehen. Ähnlich wie auch der schwachbrüstige, pseudo-epische Closer Keep Holding On, der ohnehin spärlich formulierten Kitsch dank der Musik in noch kitschigere Form bringt und dabei nie mitreißen kann.

Abgesehen davon, dass diese etwas merkwürdigen Stimmungsschwankungen zwischen mühsamer Ausgelassenheit und von Pathos nicht ganz befreiter, aber doch ab und an ansehnlicher, gefühlsbetonter Ruhe kein harmonisches Bild abgeben, muss man ihr in beiden Sparten eindeutig vorwerfen, jedem starken Versuch einen fast ebenso mühsamen gegenüber zu stellen.

 

Dementsprechend sieht dann auch die Bilanz aus. Gar nicht so leicht ein eindeutiges Urteil zu fällen, denn sowohl die stupide 'Barbie Girl'-Avril, als auch die vom Vorgänger übriggebliebene emotionale Variante haben ihre Momente und wissen durchwegs Gründe zu präsentieren, warum man sie nicht abschreiben muss. Dass ein gesundes Maß an anstrengenden Minuten hier beileibe überschritten wurde, kann man aber auch nicht übersehen. Vielleicht, weil sie sich in den eigentlich nicht so engen Grenzen des Wohlbekömmlichen nicht so gern aufhält und stattdessen zu sehr die beiden Extreme der Platte auskundschaften will. Sicher nicht ihre beste Idee. Alles in allem das Ende einer äußerst kurzen Glanzphase für die Kanadierin. Wäre man nur wieder acht.

 

K-Rating: 5.5 / 10

 


Aus dem Leben eines Teen-Stars, Phase 2: Pubertät nachholen.

 

Damals, als selbsternannter Musikkritiker im Mai 2014, da traf mich Hello Kitty, die neue Single der ewigjugendlichen Lavigne, wie eine Faust ins Gesicht. Dubstep für die ganz, ganz Anspruchslosen und ein ärmlicher Versuch, im Electro-Pop- und Avril-affinen Japan für Furore zu sorgen. Das Video dazu möchte ich nicht kennen, peinlich ist die Nummer für die mittlerweile fast 30-jährige Kanadierin indes bereits genug. Ganz anders drei Jahre davor, beim irgendwie sympathischen Goodbye Lullaby, dem es bis auf ein paar wenige Lichtblicke an starken Momenten fehlte, und wiederum davor, ja, Girlfriend.

 

Und ob man die Geschichte nun von vorne oder von hinten aufwickelt, Girlfriend bleibt ganz übles Machwerk. Die pinke Kugel (nicht zu verwechseln mit Pink Bullets der Shins) des Kommerzes auf der Schläfe der unschuldigen, fast blauäugigen Authentizität. Und so viele Argumente ich dafür finden könnte, die Single zu verdammen und der ehemals geliebten Künstlerin die eine oder andere Morddrohung zukommen zu lassen, richtig hassen kann ich sie nicht. Zu charmant ist diese naive Infantilitätsbekundung, um sie mit tiefgründigeren Reaktionen als einem schmunzelnden Kopfschüttler zu goutieren. Dafür sorgen auf The Best Damn Thing andere Kandidaten. Und so undankbar die Aufgabe ist, einerseits einem beinahe perfekten Review Paroli zu bieten und andererseits aufgrund von nahezu kongruenter Meinungsfläche nachplappern zu müssen, der Kollege hat die Schwachpunkte tadellos rausgepickt. Besonders in den Fokus meiner Abneigung ist das garstig unreife I Can Do Better gerutscht, das neben seiner mühsamen Produktion und ätzendem Gebrüll auch noch die frechsten, weil banalsten, Textzeilen im Schaffen des Teenieschwarms bereithält ("I will drink as much lemoncello as I can / And I'll do again and again"). Ansonsten bleibt mir nichts anderes über, als – auch aufgrund von möglichen Plagiatsvorwürfen – beizupflichten, zumindest was die fragwürdige "Girlfriend-Abteilung" anbelangt.

 

Abseits vom negativen Konsens ist mir in diesem Szenario aber der freundlichere Part bestimmt. Denn das Album hat mehr zu bieten als nur Boys, Östrogen und dicke Schichten an Haarspray. Runaway ist der perfekte Übergang von den Vorgängeralben und ein toller Pop-Song, bietet mit eingängiger Hook und ernstzunehmenderem Text die schönsten Momente, daneben steht – welch Überraschung – das sanfte When You’re Gone, auf dem Lavigne zur Abwechslung mal ihre Stimme die Überhand über ihre solide Backingband gewinnen lässt. Daneben gibt es haufenweise ordentliche Nummern, die mit einer wohldosierten Mischung aus Pop und Punk erfreulich kurzweilig vorüberziehen. Sowohl das im wahrsten Sinne des Wortes ansteckende Contagious, das besserwisserische, Lindsay Lohan’s 'Mean Girls'esque One Of Those Girls oder die von der Stimme der Kanadierin getragene Ballade Innocence: wenig innovativ, freilich auch nicht revolutionär, aber sehr unterhaltsam und musikalisch tadellos runtergespielt.

 

Es sind aber weniger ihre mäßig genialen Tracks oder eine aufregende Performance, die mir Lavignes dritte LP stets schmackhaft machen. Mehr noch ist es die Aufbruchsstimmung, die die Luft zum Knistern bringt, und der lockere Scheiß-drauf-Flair, die das Album letztlich mehr als nur hörbar machen. Zu guter Letzt bleibt nur eine Frage, die mir auf der Seele schmachtet wie ein deftiger Schweinsbraten im Magen: Wird Avril nun wirklich so viel Lemoncello trinken, wie sie kann? Prost.

 

M-Rating: 7 / 10

 

Anspiel-Tipps:

- Runaway

- When You're Gone

- Contagious


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