Zaz - Zaz

 

Zaz

 

Zaz

Veröffentlichungsdatum: 10.05.2010

 

Rating: 7.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 26.09.2015


Frankreichs große junge Hoffnung versucht sich am fast perfekten Pop-Album.

 

Allez les bleus! Heißt natürlich: Alles ist blau - etwaige Einwände aus der Französisch-Fraktion kann man sich gleich sparen, das ist jetzt einfach mal so. Während dieser Ausspruch auch perfekt als Motto für das Oktoberfest herhalten könnte, wollen wir uns doch eher seinem Herkunftsland widmen. Frankreich, dieses wunderbare Land mit angeblich weniger wunderbarer Bevölkerung (Parallele zu Österreich erkennbar?), hat viel zu bieten, nicht nur das Baguette oder Asterix & Obelix. Nur ein Problem haben sie, will man Geschichten über echt französische Musik mit der Fähigkeit zur Welteroberung hören, müssen die fast unweigerlich mit 'Es war einmal...' beginnen. Was gibt's sonst? Daft Punk singen, wenn überhaupt, auf Englisch genauso wie Phoenix, Manu Chao dafür zumeist auf Spanisch oder zumindest irgendwas Nicht-Französischem. Und Edith Piaf, tja, die ist halt nicht mehr wirklich verfügbar. Was ist also los mit den ehemaligen unerbittlichen Sprachpatrioten? Naja, sie haben eben ihre ganzen Hoffnungen in eine 30-Jährige gelegt. Und das zündet.

 

Was allen voran damit zu tun hat, dass Zaz darauf verzichtet irgendwie modern zu klingen. 38 Minuten und nein, liebe Freunde des 10er-Pop, keine davon ist gefüllt mit Keyboard und Synthies bis zum Umfallen. Das allein verdient einen Preis, reicht aber doch noch nicht ganz, um einen wirklich zufriedenzustellen. Passiert aber ganz schnell, denn dieses Gemisch aus Chanson, Jazz und R'n'B gibt sich genauso erfrischend altmodisch, wie es sich erfrischend locker gibt. Von Beginn weg dominieren nur helle Akustikgitarren, der markante Kontrabass und das immer wieder auftauchende Klavier, um einem Ohrwürmer wie Hitsingle Je Veux zu kredenzen. Es ist so wunderbar viel Raum in diesen Arrangements, die dezent und doch nicht zu mager daherkommen, stattdessen trotz großartiger Spielereien an Gitarre und Piano der Sängerin alle Möglichkeiten lassen, mit ihrer Stimme zu glänzen. Und das passiert, zumeist nicht auf diese offensichtliche Art, wie es die exzentrischen Darbietungen einer Adele können, sondern viel mehr mit einer unmanipulierten Natürlichkeit im leicht rauchigen Stil.

 

Und damit lebt es sich wunderbar in dieser Welt unbekümmerter Up-Tempo-Nummern wie Le Long De La Route, die quasi nichts an sich haben, was kritische Geister auf den Plan rufen könnte. In der glatten, lupenreinen Produktion gibt es nämlich nichts zu verlieren, viel eher treten die kleinen Feinheiten hervor, die die Zupfer an der Gitarre oder das eingestreute Akkordeon sonst verbergen könnten. Ähnlich geht's Prends Garde À Ta Langue, das allerdings mit seinen Bläsern und dem Bass-Solo für ganz andere Assoziationen sorgt, die folkigen Anfänge für swingenden Jazz eintauscht. Mit der anderen Gangart kommt aber jeder gut zurecht, Zaz selbst legt ganz einfach einen Zahn zu, büßt aber nichts von dieser fast gemütlichen Abgeklärheit ein, die sie überall ausstrahlt - ehrlich, vielleicht macht's auch nur das Französisch, aber was soll's, gut klingt die Sache auf alle Fälle. Stolpern will sie auch sonst so gar nicht, nicht mal im sich überschlagenden Ni Oui Ni Non, in dem die Rhythm Section dann schon ziemlich Gas gibt und sich Gitarre und Violine in der Bridge ein frenetisches, erbittertes Duell liefern, das in einem gerechten Unentschieden endet.

 

Was so nebenbei auffällt ist der Variantenreichtum, den die trotzdem rundum geschlossene Platte hergibt. Neben die großartigen schnellen Treffer stellen sich nämlich vor allem die Tracks, die erst wirklich die Stärke dieser Stimme zeigen. Das ist nicht immer leicht zu verdauen, ist doch das im klassischen Chanson-Stil gehaltene und mit Jazz unterfütterte Dans Ma Rue fast schon zu viel des Guten. Zaz gibt stimmlich alles, versucht an die Granden französischen Pops heranzukommen, verpasst dem Song damit und mit der Klavierallmacht aber auch eine schwergewichtige Dramatik, die ein wenig drückt. Besser gelingt da Port Coton, das sich dezenter und ausgewogener gibt. Die ruhigen Akzente an Gitarre und Piano, die dahinter gestellten Streicher, das harmoniert weit besser mit der zurückgeschraubten Gesangsperformance.

 

An Schlaglöcher ist zwischendurch kaum zu denken, solcherlei erlaubt sich die Französin nicht. Trotzdem geht nicht alles so auf, wie es vielleicht gewollt war. La Fee wirkt dafür zum Beispiel zu brav und unspektakulär. Musikalisch tut sich wenig, das Klavier ist eben da, der Bass genauso, Zaz widerspricht dem gesanglich nur mehr bedingt, ergibt sich ein bisschen der Lethargie. Es wäre daher am folgenden Trop Sensible das auszubügeln. Gelingt nicht ganz, auch wenn der Melancholiker der LP technisch wenig Angriffsfläche bietet, bleibt die Atmosphäre doch ein wenig auf der Strecke.

 

Vielleicht ist es also ganz gut, dass sie auf ihrem Debüt auf die großen Gefühle verzichtet. Dafür ist die Zeit noch nicht reif. Stattdessen regiert die Lockerheit, das sonnige Gemüt der Sängerin und dieser Haufen unglaublich eingängiger Songs, bei dem einem eigentlich komplett egal ist, was sie so singt, solang sie nur singt. Das macht sie nämlich die meiste Zeit verdammt gut, unterstützt von einer Backing Band, die ihr durch folkigen Chanson, Jazz, Soul und noch ein paar andere Affären durchhilft und das mit einer starken Mischung aus Präzision und Verspieltheit. Wäre man nicht genötigt, den Gipfel der musischen Schöpfung hier nirgends zu erkennen, gleichzeitig aber ein zwei kleine Stolperer zu bemängeln, man könnte sogar behaupten, "Zaz" wäre das perfekte Pop-Album. So wird es nur ein wirklich gutes, das aber allein dafür Bonuspunkte bekommt, dass es französischer klingt als mancher Franzose und, noch viel, viel wichtiger, im Jahre 2010 auf alles Elektronische verzichtet. Auf dass die Analogkunst wieder auflebe.

 


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