Townes Van Zandt - Townes Van Zandt

 

Townes Van Zandt

 

Townes Van Zandt

Veröffentlichungsdatum: ??.09.1969

 

Rating: 9 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 19.04.2020


Prolongierte melancholisch-verlassene Erstklassigkeit mit Verbesserungen, die gar nicht nötig waren.

 

Dem im neuen Jahrtausend aufgekommenen, unerwarteten Interesse an einem Jahrzehnte im Schatten jeglichen Erfolgs agierenden Texaner ist es zu verdanken, dass über ebendiesen mittlerweile verdammt viel und beinahe alles Notwendige gesagt wurde. Townes Van Zandt ist nicht mehr wirklich mysteriös, eine kaum noch enigmatische Figur und noch nicht einmal mehr wirklich unter Wert geschlagen, zumindest unter der Voraussetzung, die fachkundigen Geister erinnern sich auch wirklich an ihn. Die, die es tun und über ihn schnell einmal ins Schwärmen geraten, haben auch ein höchst einheitliches Bild davon, was denn nun das Nonplusultra des Van Zandt'schen Liedguts ist. Spärlich instrumentiert, karg und doch romantisierend, einsam und verlassen, aber schon auch mit poetischer Schönheit. Vor allem aber spärlich, am besten mit akustischer Gitarre und sonst nichts. So und nicht anders klingt der legendäre Songwriter am besten. Ausgerechnet das nach ihm selbst benannte, dritte Album schafft es, diese These gleichsam zu untermauern und infrage zu stellen.

 

Einerseits prolongiert nämlich auch "Townes Van Zandt" den mit dem Vorgänger beschrittenen Weg der musikalischen Reduktion, ist sogar noch etwas reduzierter und verzichtet beinahe zur Gänze auf die süßlich-kitschige Note, die auf "Our Mother The Mountain" noch von Be Here To Love Me oder She Came And She Touched Me ausgedünstet wurde. Die Szenerie ist dagegen noch etwas karger, die Arrangements wirken noch zurückgezogener und Van Zandt noch weniger damit beschäftigt, manch Geschichte über den US-Süden möglichst blumig auszugestalten. Stattdessen wirken auch Songs mit genau dafür prädestinierten Titeln wie Colorado Girl in höchstem Maße fokussiert darauf, ein emotionales Bild zu zeichnen. Daraus, soviel kann man dann schon einmal verraten, wird die insgesamt geschlossenste, am ehesten von tatsächlichen Schwachpunkten verschonte LP, die er sich bis dahin und womöglich überhaupt geleistet hat. Beginnend mit der eröffnenden, von jeglichem musikalischen Schnickschnack befreiten Neuauflage von For The Sake Of The Song bis zum finalen None But The Rain, neben der Gitarre nur mit sporadischen Flöteneinsätzen augmentiert, erlebt man ein kurzes, aber höchstmöglich verdichtetes Album, das einen emotional fast nur mitnehmen kann.

 

Der Opener öffnet jedoch auch die Türe zur anderen Seite, die einem hier geboten wird. Auf dem Weg zu größtmöglicher Ironie sind es nämlich tendenziell weniger diese zurückhaltenden Kompositionen, die der LP ihre größten Höhepunkte bescheren, sieht man vom herausragenden Colorado Girl ab. Viel eher schielt man abseits davon auf so etwas wie Lungs und Fare Thee Well, Miss Carousel und also die am ehesten mit vollem Sound und einem Hauch von lebhafter Energie ausgestatteten Kompositionen. Das Minendrama Lungs findet seinen großartigen Klang dabei durch den stotternd pulsierenden Beat, durch einen stimmungsvoll-bluesigen Paarlauf an der Gitarre und das überhaupt ungewohnte Tamburin, paart das mit einigen der hoffnungslosesten Zeilen aus Van Zandts Repertoire:

 

"Won't you lend your lungs to me?
Mine are collapsing
Plant my feet and bitterly
Breathe up the time that's passing

Breath I'll take and breath I'll give
Pray the day's not poison
Stand among the ones that live
In lonely indecision"

 

Fare Thee Well, Miss Carousel klingt verglichen damit beinahe ausgelassen, was jedoch hauptsächlich der untypisch aktiven Rolle der Drums und der Mundharmonika zu verdanken ist und einiges dazu beiträgt, der vermeintlichen Abschiedsode an die selbstsüchtige Miss Carousel ein bisschen Aufbruchstimmung mitzugeben.

 

Was damit jedoch auch verbunden ist, ist die Feststellung, dass auch im Falle eines einsamen Troubadours wie Townes Van Zandt, der seine Karriere fast ausschließlich ohne erkennbaren Erfolg und mit Tourneen durch ausbaufähige Lokalitäten verbracht hat, nicht immer weniger mehr ist. Diese LP ist für diese Erkenntnis besonders gut geeignet, weil sich Van Zandt einmal mehr der Wiederaufbereitung von Songs seines Debüts widmet. War es auf dem Vorgänger lediglich Tecumseh Valley, sind es diesmal gleich vier, die in seinem Sinne umgestaltet wurden. Man kommt relativ rasch drauf, dass das keine gravierenden Verbesserungen dieser Stücke mit sich bringt. For The Sake Of The Song profitiert noch am ehesten, war aber trotz fast kitschigem Baroque-Pop-Charme auch ein Jahr davor bereits eine starke Komposition, kann lediglich die triste Botschaft des Songs hier besser entfalten. I'll Be Here In The Morning und (Quicksilver Dreams Of) Maria werden dagegen auch in der hier zum Besten gegebenen, langsameren und ruhigeren Art nicht wesentlich besser, als sie es mit ihren vermeintlich unpassenden Arrangements bereits waren. Starke Songs am Debüt, Starke Songs hier. Und dann wäre da noch Waitin' Around To Die, der einsame Favorit des Debüts, der dort mit seinem reichhaltigen Sound cineastisches Feeling mitgebracht und damit den ähnlich angehauchten Text perfekt unterlegt hat. Übertragen in das der Reduktion verpflichtete Setting dieser LP, wird zwar der triste Aspekt der Zeilen weit eher hervorgehoben und atmosphärisch genutzt, an die effektvoll und abgerundet ausgestaltete erste Version reicht das allerdings nicht heran.

 

Umgekehrt wiederum entgeht man auf "Townes Van Zandt" damit der generell eingeschränkten Wirkmacht des Debüts. Van Zandts Darbietungen sind hier ungleich eindringlicher und können sich eher damit schmücken, einen in die besungenen Geschehnisse emotional hineinziehen zu können. Daraus ergibt sich ein Album, das trotz der verhältnismäßig blass wirkenden Columbine ohne Schwachstellen auskommt und damit ein nahezu störungsfreies Eintauchen in die einen ummantelnde, melancholische Tristesse und die trotzdem romantisch angehauchten Ergüsse des Texaners erlaubt. Townes Van Zandt ist damit das Kunststück gelungen, in einem Jahr gleich zwei großartige Alben zu veröffentlichen, wobei lange Debatten darüber angestellt werden können, welches denn nun besser ist. Der dritte Streich des Singer-Songwriters hat sich jedoch endgültig von jeglichem unnötigen Schmalz auf musikalischer Ebene verabschiedet und kann trotz nicht ganz geglücktem Plan, einige der besten Kompositionen des Debüts besser zu machen, als ein weiterer Schritt in Richtung Vollendung dessen gelten, wofür Townes Van Zandt wie kaum ein zweiter und heute mehr denn je steht.

 


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