The Beatles - Rubber Soul

 

Rubber Soul

 

The Beatles

Veröffentlichungsdatum: 03.12.1965

 

Rating: 9 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 14.02.2015


Alles Gute zum 50er für den obligatorischen Beatles-Meilenstein.

 

Gut, fang also ich an. Nachdem sich der Kollege trotz eindeutiger Zugehörigkeit zum 'Beatles-Fan-for-Life'-Klub nicht so wirklich der Aufgabe der objektiven Berichterstattung hingeben will, ist es wohl an mir, den Fab Four eine gelungene Premiere zu verpassen. Mir, dem Kulturbanausen, der noch nicht mal unter den regulären Studioalben der Briten alle sieben Sachen beisammen hat, ts ts ts. Auf der anderen Seite ist die Fehlerrate ohnehin fast auf ein Minimum reduziert, feiert doch eine der ersten LPs, die sich mehr als nur Liedersammlung nennen darf, noch in diesem Jahr ihren großen 50er. Insofern auch wieder ein kleine Jubiläumsvorbereitung unsererseits, damit "Rubber Soul" auch bekommt, was ihm gebührt. Ziemlich viel dürfte das sein, führt man sich nur die Musik zu Gemüte.

 

Um den technischen Details noch kurz die Ehre zu geben, 1965 war ja dann doch noch nicht der Gipfel musikalischen Schaffens. Das Konzeptalbum als solches war irgendwie Zukunftsmusik, die Gegenwart bedeutete eher: Wir sammeln die Singles aus dem letzten Jahr zusammen und passt schon! Jetzt hat sich das Quartett mit Musiksoundtracks aber ohnehin schon dem Thema Album um des Albums Willen genähert und so macht "Rubber Soul" als ein makellos in sich geschlossenes Werk schon wieder mehr Sinn. Und auch der Folk-Rock, der sich allenorts findet, ist bestenfalls der Höhepunkt eines schon früher gestarteten Trends. Was bei anderen Bands ob solcher offensichtlichen Offensichtlichkeiten leicht zu Fadesse führen könnte, wird für Paul, John, George und sogar Ringo zur Zurschaustellung größtmöglicher Lockerheit. Knallen die einem doch zur Eröffnung glatt den guten, alten Gassenhauer Drive My Car hin. Dass sich der in der Folge als eher untypisch rockig und fast etwas rückwärtsgewandt im eigenen Schaffen erweist, tut da nichts zur Sache. Vor allem der Funk-Riff sorgt nämlich in Kombination mit dem simplen Klavierpart für ordentlich Energie, die neu gefundene Präzision im Produzieren und Mixen der Songs wird zudem sowohl der vereinten Stimmgewalt, als auch den Gitarren weit eher gerecht, als das noch auf früheren Aufnahmen der Fall war.

 

Unter ebendem Gesichtspunkt lässt sich überhaupt sehr viel sehr gut heißen. Der klare, differenziertere Klang des Albums sorgt nämlich für völliges Fehlen des Stirnrunzelns von "Please Please Me"-Zeiten. Dafür werden Harrisons durch die Bank großartige Performances viel eher gewürdigt. Ganz egal, ob es da der drückende Riff von Think For Yourself, das sonnige Gezupfe an der Twelve-string auf If I Needed Someone oder sein starkes Understatement in McCartneys Erfolgsschnulze Michelle ist. Dass auch der Rest durchaus Profit schlagen kann aus der völligen Eigenverantwortung im Studio, versteht sich aber ohnehin von selbst. Das resultiert im Proto-Hard-Rock von The Word, dessen mächtige Bassline bestenfalls noch vom, leider äußerst kurzen, Harmonium-Auftritt von George Martin übertroffen wird. Oder aber in Ringos Beweis dafür, dass auch er durchaus produktiv zu Werke gehen kann, What Goes On. Country-Rock vom zum Mikro greifenden Drummer ist fast ein alter Hut, aber der Qualitätssprung vom kurz vorher veröffentlichten Act Naturally ist kaum zu leugnen, von den Misstönen aus dem 63er-Jahr gar nicht zu sprechen.

 

Obwohl wir ja den kleinen Lennon John bisher ausgespart haben, ist es gerade sein Norwegian Wood, das mit seiner eigenwilligen Art des Folk-Rock den Grundstein für die kommenden Jahre legen soll. Die Sitar hat an den Händen von George Harrison ihre Premiere und fungiert als großartige Untermalung für die ganz eigene Romanze - es sollte ja eine nicht ganz unwahre Affäre sein -, die Lennon da zeichnet. Und während Ringo allerlei Percussions ausprobiert, macht der Track stimmlich einen auf berauscht, komplettiert so diese zwei Minuten völliger Entspannung. Im Windschatten dessen findet sich eine Vielzahl folkiger Momente, die mal ein bisschen wehmütig (Nowhere Man), dann aber wieder als dezent wutgeladene Abrechnung (I'm Looking Through You, Run For Your Life) daherkommen.

 

Als Mini-Patzer lässt sich dann irgendwie doch wenig verkaufen, wenn auch Girl Lennon im Duell um die beste Pop-Liebesballade als klaren Verlierer gegenüber McCartney mit seinem französisch angehauchten Michelle dastehen lässt. Wobei, ein Affront gehört sich doch: Eines der großen Aushängeschilder der LP, In My Life, hat zwar den starken George Martin am Piano und großartigen Harmoniegesang, verliert sich aber irgendwie zu sehr in seiner ruhigen, allzu positiven Art. Da springt schon viel eher das oft vernachlässigte Wait ein, dessen brillante Rhythm Section nur zu gut mit den energetischen Gitarren, vor allem aber mit der sicherlich besten gesanglichen Gesamtleistung harmoniert. So kommt es dann auch, dass man sich nicht zum ersten Mal fragt, ob denn die Songs wirklich nur zwei Minuten lang sein müssen.

 

Vielleicht ein Makel an einer sonst beeindruckend gut austarierten LP, die dem gewichtigen Bandnamen qualitativ nur allzu gerecht wird. "Rubber Soul" ist eine Zäsur in der Karriere der Briten, wie es jedoch dann doch wieder mehrere gibt. In dem Fall heißt das aber netterweise den endgültigen Abschied von losen Pop-Singles und manch durchwachsener Produktionsleistung. Präzise geschrieben, präzise interpretiert, präzise gemixt. Was will man mehr? Eigentlich eh nix, auch wenn manche ob der offensichtlichen Geschlossenheit von "Rubber Soul" vielleicht von stilistischer Abnutzung sprechen mögen. Aber zum 50er kann man noch immer gratulieren, denn die Beatles hatten den Folk Rock lieb und der Folk-Rock die Beatles auch.

 


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