John Williams - Jurassic Park

 

Jurassic Park

 

John Williams

Veröffentlichungsdatum: 25.05.1993

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 01.08.2020


Blockbuster-Kunst in meisterlich detaillierter Manier, aber mit zu vielen Teilen und zu wenig Summe.

 

Ok, warum jetzt der John-Williams-Soundtrack und kein anderer? Mittlerweile zum dritten Male wird sich hier dem Großmeister der Filmmusik zugewandt und ebenso oft drängt sich genau diese Frage auf. War die Antwort beim ersten Review zu "Catch Me If You Can" die für den Komponisten relativ ungewöhnliche stilistische Marschrichtung, beim zweiten zu "Saving Private Ryan" dafür die Wertschätzung für den zugrundeliegenden Film, bleibt beim dritten Streich nicht viel zu sagen, außer dass der Soundtrack eben gerade herumlag beziehungsweise auffindbar war. Frei nach Bully Herbig: Er hatte g'rade Zeit. Würde man nun "Jurassic Park" und eine Hinwendung zu dessen Soundtrack wirklich gänzlich darauf reduzieren, wäre das aber auch wieder ungerecht. Immerhin, der Spielberg-Erfolg ist ein Leinwandspektakel der besseren Form und die dazugehörige Musik prinzipiell ikonischer Art, sofern man sich denn an sie erinnert. Dieser Nachsatz erweist sich jedoch als äußerst wichtig, wenn man sich denn die Zeit nimmt, der Musik auch abseits ihrer bekanntesten Kompositionen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

 

Unter anderem hängt das damit zusammen, dass selbst das unvollständig und absurderweise in seiner Tracklist weder einem stilistischen Spannungsbogen noch dem linearen Filmgeschehen folgende, 1993 veröffentlichte Soundtrackalbum längenmäßig verdammt ambitioniert ist. Ob es tatsächlich 73 Minuten braucht, um die musikalische Geschichte von "Jurassic Park" zu erzählen, ist schon ohne Kenntnis des gesamten Soundtracks eher schwerlich mit Ja zu beantworten, hat man erst einmal alles hinter sich, ist eine Verneinung umso sicherer.

Vorab aber vielleicht zu den guten Seiten. John Williams! Das sollte als gute Seite eigentlich reichen, auch wenn vorangegangene Rezensionen seiner Arbeit das vielleicht nicht ganz so nahe legen. Der US-Amerikaner ist aber schlicht und ergreifend ein Meister seines Fachs und hat in seiner Vita wohl mehr in die Geschichte eingegangene Soundtrackbeiträge stehen als jeder andere. Über 50 Oscar-Nominierungen kommen ja auch nicht von irgendwo. Er erweist sich auch hier als herausragend in puncto Präzision und Detailfreude, flicht mühelos unterschiedlichste Instrumentengruppen ein, variiert seine Themen in Tempo, Farbe und Form, bietet auch in ausgebreiteten Suiten alle paar Momente neue musikalische Eindrücke, die er aus dem Orchester herauskitzelt. Dahingehend kennt Williams auch eher wenig Zurückhaltung, lässt so ziemlich jedem verfügbaren Musiker im Orchester seinen Platz, spannt einen Bogen von klassischer Streicher-Dramatik zu dezenten Harfenzupfern, zu wuchtigen Trommeln, zu sphärischen Chorälen, zu tänzelnden Flöten, zu einsamem Klavier, zu tief anklingenden Tuben, zur Shakuhachi, zu epischen Fanfaren, drückenden Stakkatos, unheilvoller, ruhig-schwellender Düsternis, sogar zu Synthesizern, bis er irgendwann wieder bei den Streichern herauskommt.

 

Während also alles da ist für ein Fest der vielen Eindrücke, wird man alsbald merken, dass hier die einzelnen Teile weit, weit mehr sind als ihre Summe. Das ließe sich nicht besser illustrieren als durch die Tatsache, dass die beiden rechtmäßig bis heute nachwirkenden Kompositionen des Soundtracks wohl am ehesten der konventionellen Blockbuster-Beschallung und ihrer Art der Orchesternutzung entsprechen. Der feierlich-verträumte Jurassic Park Theme, der anmutige Streichersätze zunehmend aufeinanderstapelt und anschwellen lässt, irgendwann in einem maßvollen Crescendo aufgeht und dann doch wieder zum vom Chor unterstützen Hymnendasein zurückfindet, der kann einiges. Nichts besser allerdings, als die über die Maßen kindlich anmutende Begeisterung über die zum Leben erweckten Dinosaurier zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere die vielen, im Laufe des Soundtracks wartenden Aufbereitungen des Themas entfalten dahingehend märchenhafte Wirkung, wie sie noch jeder Schritt in eine unbekannte, voller Wunder steckende Welt bekommen sollte. In anderen Worten: Das Thema hätte wohl auch eine etwas merkwürdige Neuverfilmung des "Wizard Of Oz" perfekt untermalen können, wenn Dorothy erstmals Oz betritt. Folgerichtig ist die Sache etwas gar kitschig geraten, aber das sei Williams im Lichte der zugrundeliegenden Aufgabe verziehen.

 

Damit wäre jedoch erst einer der beiden ikonischen Beiträge abgehandelt. Der andere hat sich wohl keinen eigenen Namen verdient, darf auch nicht so oft im Soundtrack vorkommen, ist aber dennoch eigentlich das effektvollste und gelungenste Stückchen Musik, das man hier findet. Im wiederum kindlich abenteuerlichen Journey To The Island hört man es nach den einleitenden, freilaufenden Bläsern erstmals und ist umgehend vom imposanten Anklang der majestätischen, voluminösen Fanfare mitgenommen. Letztlich ist es gar nicht viel, was einem da begegnet, schallende Trompeten eben, unterlegt mit feierlichen Streichereinsätzen und umrahmt von ebendiesen Streichern in geschmeidigster Form. Die Wirkung verfehlt vor allem das plötzliche Aufkommen der lautstarken Blechbläserfraktion aber überhaupt nicht. Im Gegenteil hätte man sich da gerne mehr davon gewünscht, auch wenn ähnliches auf den Abspann und damit Welcome To Jurassic Park reduziert ist. Dort finden in gewohnter Manier diese beiden großartigen Themes zueinander, werden mehrmals angestimmt und formen so das Kernstück des ganzen Soundtracks, das sich unweigerlich anzuhören lohnt.

 

Die Jubelstürme verebben allerdings ziemlich rasch, wenn nicht alles diesen beiden Stücken untergeordnet ist. Williams deckt ein beachtliches atmosphärisches Terrain ab. Gerade diese intendierte Spannweite, die vom kindlich-verzauberten Blickwinkel über klassische Abenteuerfilm-Queues im Stile von "Indiana Jones" bis zu hartem, erratischem Horror und dann wiederum minimalistisch-zurückhaltender Romantik reicht, funktioniert aber kaum. Während viel von dem, was dem Komponisten hier einfällt, im Ansatz großartig wirkt und auf den Moment heruntergebrochen auch perfekt wirkt, bleiben wenige Tracks im Gedächtnis und wirken nach. Selbst die versuchte Horror-Atmosphäre von The Raptor Attack oder High-Wire Stunts wirkt zu sehr wie die archetypische Art, in der man beklemmende, angsterfüllte Spannung eben intoniert. Da findet man dann auch mit präzisester Aneinanderreihung von musikalischem Akzent um Akzent, drückenden Tuba-Einsätzen, schrillen Violinen, leise plätschernden Flöten, angespanntem Pizzicato und und und nicht an einen Punkt, an dem einen das irgendwie richtig packt. Das schränkt die Virtuosität, mit der Williams das alles formt, irgendwie trotzdem nicht ein, aber es lässt einen zwangsläufig etwas unterwältigt zurück.

 

Womit die Geschichte des Soundtracks eigentlich hinreichend erzählt wäre, wenn nicht noch unerwähnt geblieben wäre, dass hier in der Ruhe definitiv keine nennenswerte Kraft liegt. Generell gilt deswegen: Je ruhiger und vermeintlich gefühlvoller ein Track hier sein will, desto weniger kann man damit anfangen. Hatching Baby Raptor, A Tree For My Bed oder My Friend, The Brachiosaurus versinken auf diese Art völlig in einer schmalzigen Ereignisarmut, die bestenfalls an einem vorbeigeht, einen aber weit wahrscheinlicher einfach nervt, weil sie gar so kitschig anmutet.

Dann doch lieber ein bisschen thrilleresque Spannung wie im unerwartet mit Synthesizern angefüllten Dennis Steals The Embryo, das die düster pulsierenden, synthetischen Elemente großartig mit den Streichern und Bläsern paart und damit zur Abwechslung einmal spürbar atmosphärisch gerät.

 

Leider ändert das nichts mehr an dem Umstand, dass "Jurassic Park" als gesamter Soundtrack einen nicht unbedingt vom Hocker hauen muss. Selbst wenn die bekanntesten Momente einem die gewohnten Anflüge von Genialität aus dem Hause John Williams bescheren, sind es derer doch deutlich zu wenig, um ein großartiges Ganzes zu ergeben. Weil aber dem Komponisten in Sachen Präzision und dem virtuosen Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel des Orchesters nichts vorzuwerfen ist, fällt die Ursachenforschung etwas schwieriger. Auf der anderen Seite ist es keine über die Maßen kryptische Feststellung, dass zwar die Einzelteile hier fast immer passen, aber daraus nicht wirklich etwas wird, was einem sonderlich viel geben würde. Gerade die ausgedehnten, sieben, acht Minuten langen Stücke illustrieren relativ gut, dass sich das nicht ausgeht und man mit etwas konfrontiert wird, das hier und da nicht nur fähigst zusammengebastelt, sondern auch gut und interessant klingt, damit aber nach kurzer Zeit schon wieder aufhört. Ergo ist die hier versammelte Musik eher zwar handwerklich imponierend, in der Wirkung aber ziemlich eingeschränkt, sodass man feststellen muss, dass ein Blick über die bekanntesten Kompositionen zum Film hinaus vielleicht doch etwas zu viel der Aufmerksamkeit ist.

 


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