Ringo Starr - Sentimental Journey

 

Sentimental Journey

 

Ringo Starr

Veröffentlichungsdatum: 27.03.1970

 

Rating: 4 / 10

von Mathias Haden, 04.05.2016


Drummer auf Abwegen oder Das Geschick, am ersten Album bereits antiquiert zu klingen.

 

Das Leben eines Drummers ist nicht einfach. Zwar werden seine Beiträge in der Regel mehr geschätzt als jene des Bassisten oder des Triangelspielers und gelegentlich auch mit genug Spielraum zum Austoben belohnt (z.B. beim kürzlich besprochenen John Bonham-Vermächtnis Moby Dick). Sobald sich dessen Band allerdings auflöst, eine längere Pause einlegt oder der Trommler verrückt genug ist, seine eigene Karriere loszutrommeln, steht er rasch ziemlich blöd da. Die Optionen sind rar gesät: Entschließt er sich nämlich allen Ernstes, sich nicht einer neuen Truppe anzuschließen, auf eine Reunion zu warten oder sich gleich ganz zurückzuziehen, ist sein Aktionsradius überschaubar: hat er sich einen Namen gemacht, kann er mit diesem und verschiedenen Leuten rumtouren, nur bitte kein neues Album rausbringen - oder sich all seiner Stärken, die  abseits des Drumkits natürlich im Verborgenen liegen, besinnen und ganz neue Karrierepfade beschreiten: vielleicht sogar als Sänger. Ringo Starr hat beide Möglichkeiten abgegrast, um der Menschheit auch nach seiner Zeit mit den Beatles im Gedächtnis zu verbleiben. Vermisst hat man ihn eigentlich nie, was nicht nur daran liegt, dass er bis auf kleinere Ruhephasen nie gänzlich weg war. Begonnen hat seine vielversprechende kleine Solokarriere jedenfalls, als im Jahr 1969 bei den Fab Four der Haussegen endgültig schief hing und der Zeitpunkt der Trennung näher und näher rückte. Als diese am 10. April 1970 die größte Hiobsbotschaft seit Hiob selbst verkündeten, war Ringos erste LP, Sentimental Journey, schon knappe zwei Wochen in den Läden.

 

Allzu viel hatte man sich vom Drummer, der aber immerhin für Nummern wie What Goes On oder Octopus's Garden (mit)verantwortlich zeichnen konnte, zwar ohnehin nicht erwarten dürfen, ein Album voller traditioneller Pop-Standards zum Auftakt hätte aber nicht sein müssen. Er selbst zu dieser Entscheidung: "I wondered, what shall I do with my life now that it's over? I was brought up with all those songs, you know, my family used to sing those songs, my mother and my dad, my aunties and uncles. They were my first musical influences on me. So I went to see George Martin and said: 'Let's do an album of standards, and to make it interesting we'll have all the arrangements done by different people". Warum ihn dieser nicht davon abbringen wollte, ist vielleicht auch damit verbunden, dass er ihm für seine Beiträge als Pilzkopf wohl Narrenfreiheit gewährte und sich der Name Ringo Starr besonders in Zeiten der Trennungshysterie wohl gut verkaufen würde. Das gelang, immerhin Top 10 in den U.K. Album Charts.

 

Die Musik fällt ebenfalls den Erwartungen gemäß aus, nämlich äußerst mau. Zwar leisten renommierte Arrangeure wie Quincy Jones (der Mann hinter den Michael Jackson-LPs), Klaus Voorman (u.a. John Lennon und Lou Reed) oder Paul McCartney gute Arbeit, das George Martin Orchestra auf interessante Fährten zu führen, doch passt Ringo zu Jazz und Traditional-Pop so gut wie Frank Sinatra zum Funk. Mit seiner wenig ergiebigen Stimme brummt er sich durch Klassiker wie Bye Bye Blackbird, Whispering Grass oder Have I Told You Lately That I Love You und vollbringt das Kunststück, innerhalb einer knappen halben Stunde jegliche Hoffnungen, wonach auch der vierte Beatle zumindest am Anfang seiner Sololaufbahn mit ein wenig übriger Magie gesegnet sein könnte, zu zerstören und bereits am ersten Album antiquiert zu klingen. Besonders auf den langsameren Stücken wie Stardust, die den Fokus ganz unfreiwillig mehr auf den Gesang richten, kommen die Unzulänglichkeiten des Richard Starkey zum Vorschein. Wie er auf Sentimental Journey und am überwiegenden Rest der gleichnamigen LP den Crooner gibt, wirkt fast wie eine geschmacklose Parodie. Das liegt aber auch daran, dass es Starr trotz offensichtlicher Bemühungen nicht gelingt, gefühlsbetonteren Nummern wie I'm A Fool To Care auch nur den Hauch einer Emotion mit auf den Weg zu geben.

 

Besser schaut es trotz aller Makel noch bei den flotteren, swingenderen Stücken aus. Night And Day und besonders Blue, Turning Grey Over You spielen Ringo in ihrer beschwingteren Natur deutlich besser in die Karten und auf You Always Hurt The One You Love ist es das Orchester, das mit einer starken Performance und präzisen Bläsereinsätzen Schadensbegrenzung für den indisponierten Frontmann betreiben. Und da dieses wie bereits erwähnt auch sonst ordentlich aufgestellt ist, bleibt Sentimental Journey noch ein gutes Stück davon entfernt, zu einem vollkommenen Debakel auszuufern. Hören wird man es zwar niemals wollen, was neben Ringos Mutter, für die das Album lächerlicherweise überhaupt aufgenommen wurde, nur Beatles-Hardcorefans und unverbesserliche Komplettisten auf den Plan rufen dürfte; um zu den schlechtesten seiner Zunft zählen zu dürfen, sind Martin, Starr und Co. allerdings zu sehr auf Sicherheit bedacht. Der Mama dürfte es egal sein, beim eigenen Sohnemann hört man ohnehin nicht so genau hin. Neben dem Drummer stehen nun aber auch die Zuhörer wie Blödmänner da.

 


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