Queen - Jazz

 

Jazz

 

Queen

Veröffentlichungsdatum: 10.11.1978

 

Rating: 7 / 10

von Daniel Krislaty, 07.03.2014


Der Patchwork-Ableger mixt einige Stile und Klänge, schießt jedoch etwas übers Ziel hinaus.

 

Queens letztes Studiowerk der 70er bezog zur Zeit der Veröffentlichung nicht nur medial heftige Prügel seitens Kritiker, sondern entpuppte sich ebenso als kommerzieller Flop. Der Frage, ob der kreative Motor der Stadien füllenden Band rund um Freddie Mercury, Brian May, Roger Taylor und John Deacon ins Stocken geraten oder doch eine Banalität wie die schlichte Übersättigung des Marktes nach 7 Alben in lediglich 5 Jahren für diese Misere verantwortlich war, gilt es auf den Grund zu gehen.

 

Auch wenn qualitative Konstanz innerhalb der Alben im Grunde nicht zu Queens hervorragenden Eigenschaften zählt, schaffen sie es trotzdem stets unvergessliche Höhepunkte mit rein zu packen, die alleine bereits einen Kauf rechtfertigen. Auf Jazz zeigen sich die Herren May und Co. überdies äußerst vielseitig, indem sie einige genreübergreifende Brücken zwischen Pop, Rock, Metal, Hard Rock und Funk schlagen. Der obskure Track Mustapha, der sich jeglichen Konventionen entzieht, macht den Anfang und unterstreicht Queens Anspruch, sich von der breiten Masse etwas abheben zu wollen. Einzigartig respektive unverwechselbar schrecklich präsentiert sich dabei Freddie Mercurys mit arabischem Akzent vorgetragener, nichtssagender 'Text', der neben englischen und persischen Wortfetzen auch erfundene Ausdrücke beinhaltet. Während der 3-minütigen Laufzeit benutzt er unglaubliche 95 Male die Begriffe 'Mustapha', 'Ibrahim' und 'Allah'. Die bescheidene Komposition verhält sich dementgegen äußerst passiv und kann Mercurys penetrantem Gejodel kaum Einhalt gebieten.

 

Somit ist die augenscheinliche Talsohle des Albums schon früh überschritten, sowie viel Raum für Verbesserungen geboten. Bereits das folgende Lied, Fat Bottomed Girls, scheint sich wieder an altbewährte Tugenden zu orientieren und vereint Queens Stärken zu einem soliden Hard Rock-Hybriden, dessen sexistische Botschaft nicht zu ernst genommen werden sollte. Geschrieben von May, lässt dieser es sich nicht nehmen, selbst einige Zeilen vorzutragen und wie auf der gesamten LP die Führungsrolle im Background-Chor zu besetzen. Seine Hauptaufgabe an der Gitarre löst er indes gewohnt mustergültig und sorgt beim späteren Titel If You Can't Beat Them sogar für das längste Solo der Bandgeschichte auf einem Studioalbum.

 

Sanftere Töne stimmt Mercury auf der Piano-Ballade Jealousy an, die stilistisch dem atmosphärischen In Only Seven Days sowie Leaving Home Ain't Easy ähnelt. Nachdenkliche Themen begleitet von akustischen Harmonien stechen in dem ansonst sehr unbeschwerten Klima von Jazz wie ein bunter Hund heraus und machen jene Titel zweifelsfrei mit zum Besten, was das Album zu bieten hat.

 

Die zwei bei weitem bekanntesten Songs bilden die beiden ersten Singles der LP, Bicycle Race und Don't Stop Me Now. Ersteres ist ein musikalisch ungewöhnlich komplexes Stück, in dem der Chor eine noch zentralere Rolle einnimmt als üblich und über gewisse Strecken sogar im Dialog mit Mercurys Gesang steht. Daraus resultiert der Eindruck, dass es sich vielmehr um eine Musical-Nummer als um einen Rocksong handelt. Neben Brian Mays Gitarrenorchestra, das die Hektik eines Fahrradrennens sehr gekonnt versinnbildlicht, benutzt Queen zusätzlich einige klangliche Hilfsmittel wie Fahrradglocken, die die Authentizität noch einmal vorantreiben sollen. Soundeffekte begegnen einem aber auch bei anderen Gelegenheiten im Laufe des Albums - wie zum Beispiel beim Gewitter am Ende von Dead on Time.

 

Die Hymne von Don’t Stop Me Now ist bis heute in der musikalischen Pop-Kultur fix verankert und wohl vielen Menschen weltweit zumindest 'vom Hören' ein Begriff. Einerseits zeichnen den eingängigen Klassiker der einprägsame Refrain und andererseits der entscheidend minimalistische Einsatz der Rhythmus-Abteilung rund um Taylor an den Drums sowie Deacon am Bass aus. Unterdessen gipfeln Mays eindringliche Riffs neben Mercurys fantastischer Stimme zum wiederholten Mal in einem kurzen Solo.

 

Ebenso erwähnenswert sind die Darbietungen der vier Protagonisten auf den Liedern Let Me Entertain You sowie Dreamer's Ball. Beide besitzen einen textlichen Bezug zu Don't Stop Me Now, weisen aber eindeutige strukturelle Unterschiede auf. So wird die Band im romantischen Dreamer's Ball vom Blues gepackt, dessen Komposition jedoch unverwechselbar in Queens extravaganten Farben angestrichen wurde, während Mercury im chaotischen Let Me Entertain You ihre Natur als Unterhalter der Massen amüsant ins Lächerliche zieht.

 

Ein kleines Tief kann über Track 10 sowie 14 ausgemacht werden. Sie stammen aus Taylors Feder und werden auch gesanglich von ihm übernommen. Ersteres, Fun It, besteht aus relativ gegenstandslosem Gestammel, das von uninspiriertem Funk unterstützt wird. Das dürftige Resultat erinnert mit Grauen an das katastrophale Mustapha. Im letzten Lied, More of That Jazz, werden zu guter Letzt noch Metal-Arrangements offengelegt und mit der herben Kritik an der damaligen Musikindustrie deutlich ernstere Töne als noch zuvor von Taylor angeschlagen. Das Outro des Titels lässt daraufhin einige Lieder des Albums in kurzen Sequenzen noch einmal Revue passieren. "Give Me More of That Jazz!", brüllt der Drummer schließlich, dessen Meinung man sich eigentlich nur anschließen möchte, zumal die zahlreich eingeschlagenen Pfade dies nahelegen.

 

Obwohl wenig Material für sogenannte 'Greatest Hits'-Ableger bereitgestellt wird, zählt Jazz nicht zuletzt aufgrund der großen Mannigfaltigkeit zu Queens ambitioniertesten Werken. Zugleich bietet die breite Masse an Ideen, die leider nur zu selten zu Ende gedacht wurden, aber auch eine unleugbare Angriffsfläche. Manchmal scheint es nämlich so, dass die Band ziemlich verkrampft versucht sämtliche Register zu ziehen und dabei auf eine gewisse innere Kontinuität vergisst. Anstatt mit jedem Lied ein neues Kapitel aufzuschlagen bzw. einen Stilbruch zu begehen, hätten manche Gedanken weniger, aber dafür ausführlicher zum Punkt gebracht, der LP gut getan. Nichtsdestotrotz leistet sich Queen – vom desaströsen Opener abgesehen – bloß eine Handvoll kleinere Schnitzer, weshalb Jazz zu Recht als unterschätzter Geheimtipp in der reichen Albumsammlung einer der größten Rockbands überhaupt angesehen werden darf.

 

Anspiel-Tipps:

- Bicycle Race

- Don't Stop Me Now

- Jealousy


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