Jennifer Rostock - Der Film

 

Der Film

 

Jennifer Rostock

Veröffentlichungsdatum: 10.07.2009

 

Rating: 3 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 25.08.2017


Die Deutschen finden neue Sounds, nur keine Ideen, um etwas Hörenswertes damit zu machen.

 

Die Filmwelt ist eine heuchlerische. Sie ist schon ihrem Selbstverständnis nach in den allermeisten Fällen ein Metier, in dem das Leben nur gespielt und inszeniert wird. Das ist an und für sich kein Verbrechen, die Kunst lebt von der Abbildung und Verzerrung einer vermeintlichen Realität, nicht von der Realität selbst. Der bizarre Teil des Filmbusiness ist der, der sich nicht mehr auf der Leinwand abspielt. Der ist plötzlich genauso surreal und unwirklich. Gestellt, inszeniert, vorausberechnet. Als würden die den Umstieg von den Kameras bei Dreharbeiten zu den anderen Kameras, die einfach nur den einen oder anderen Red Carpet filmen, von den geskripteten Dialogen zu einem einfachen Interview nicht mehr schaffen. Vielleicht gibt es auch einfachere Übungen. Dass sich Jennifer Rostock aber gerade diesen Mikrokosmos als Aufhänger für ihr zweites Album ausgesucht haben, es wirkt wie ein Schäuferl Ironie zu viel.

 

Denn der Weg, den Jennifer Weist mit ihren Kollegen beschritten hat, lässt sich eben auch als einer von der lebhaft-authentischen Direktheit hin zur durchinszenierten Dramaturgie beschreiben. "Der Film" wirkt statisch in seiner erzwungenen Suche nach höherer musikalischer Bandbreite, lässt diesen Hauch von Spontanität, der das vitale Debüt ausgezeichnet hat, fast komplett vermissen. Diesen Hauch erahnt man nur mehr ganz selten, selbst dann eigentlich nur als gelungene Reminiszenz an die eigenen Qualitäten. Leben Auf Zeit bleibt dahingehend die einzige erfolgreiche Rückbesinnung auf die punkigen Anleihen, denen man sich auf "Ins Offene Messer" hingeben hat. Vom überrumpelnden Wortwitz der Bandleaderin ist darin zwar eigentlich nichts mehr übrig geblieben, zumindest musikalisch erkennt man aber in den Riffs noch die Energie, die dem Synth-Rock der Band seine Daseinsberechtigung verleiht und für Weist die ideale Hintergrundbeschallung bietet. Dass sie sich den sympathischen Seiten ihrer Stimme, vorzugsweise im sich überschlagenden Sprechgesang, nicht mehr so ganz hingeben will, wird alsbald zu einem der Problemfelder.

 

Die erste Hälfte überlebt trotzdem. Weil Mach Mich Nicht Verliebt die nötige Hook für den Albumfavoriten mitbringt, weil Schmutzig! Schmutzig! zwar latent schwachsinnig daherkommt, in seiner platten Richtungslosigkeit aber immerhin den rastlosen Geist des Vorgängers einfängt, und weil Du Willst Mir An Die Wäsche ein fast voll aufgehender Schritt in neues Terrain darstellt. Großtat ist es keine, aber man lechzt ja doch ein bisschen nach den eingängigen Melodien und dem passenden Einsatz der Gitarre. Der findet zwar hier nicht in Form schneller Power Chords, sondern eher über lockere Indie-Akkorde statt, bringt aber das kleinste bisschen Surf-Rock-Feeling mit, um damit den einigermaßen erstarkten Zeilen von Weist ihre Melodie zu verleihen. Trotzdem stellt sich schon hier die Frage nach dem Sinn, nach dem Knalleffekt und der inhaltlichen Tiefe. Weist hat wenig zu sagen, selbst in den Momenten, da ihre feministische Ader einmal mehr die Oberflächlichkeit des anderen Geschlechts ins Auge fasst. Mehr denn je scheint es der Frontfrau um die Wortakrobatik zu gehen, weniger um den Inhalt ihrer Texte. Geht dann auch noch die Reimkunst verloren, lässt sie den hinterlistigen Humor eines Songs wie Kopf Oder Zahl vermissen, sieht man sich so etwas wie Der Gärtner gegenüber, das womöglich als Zugeständnis an den Albumtitel mit cineastischer Qualität ausgestattet werden sollte, dabei aber in vermeintlicher Kryptik und gestelzter Bildsprache versinkt:

 

"Das Zimmer liegt im Sterben, die Turmuhr schlägt erneut

Das Mondlicht liegt in Scherben, auf dem Boden wild verstreut

Rache schmeckt am besten, wenn sie heiß ist,

Und das ist der Clou

Denn tot auf dem Sofa liegst du"

 

Natürlich, als bemüht und kreativ geht das durch, aber transportiert es irgendetwas außer diesem Bemühen und der spürbaren Suche nach möglichst bildgewaltigen Metaphern? Nicht wirklich, dabei sieht man sich da noch einem der reichhaltigeren Momente der LP gegenüber.

 

Der Todesstoß der inhaltsarmen Fadesse kommt rundherum in der zweiten Hälfte des Albums. In Erinnerung behält man da dann generell wenig, mit Ausnahme der elendiglichen, pseudo-countryfizierten Spaßvorstellung Oh Cowboy, das in den meisten Ohren dämlich, aber noch erträglich wirkt, in den Ohren des Kollegen wahrscheinlich ein strafbares Verbrechen darstellen würde. Dass man im Gegensatz dazu zu einem Song wie Paris keinen Kommentar mehr abgeben kann, weil einfach nichts Erinnerungswürdiges darin passiert ist, charakterisiert so manchen Song ausreichend. Aus unerfindlichen Gründen kämpft man zum Schluss, kurz vor dem sinnlosen Zweiminüter Abspann, noch mit der herkömmlichen Pop-Ballade, untermalt sie mit billig klingenden Keys, lässt sie nie wirklich zum Leben erwachen und offenbart die Schwierigkeiten, die Weist mit der großen Emotion hat, wenn sie plötzlich klingen muss wie Silbermond. Was weit besser ist als ein im Nirvana verpuffender Versuch, noch irgendwie eine atmosphärische Vorstellung zu liefern und Nenn Mich Nicht Jenny trotz offensichtlicher textlicher Belanglosigkeit mit gesetzter Elektronik und schwergewichtigen Riffs auszustatten. Das braucht eigentlich soweit niemand.

 

"Der Film" könnte also beinahe als Sammelsurium der Nichtigkeiten bezeichnet werden. Aufgebauscht und klanglich verbreitert, ohne dafür das Rüstzeug mitzubringen oder würdiges Material für solch eine Extrabehandlung schreiben zu können. Man kann sich natürlich an der abseits davon gewonnenen Finesse im Arrangieren der Songs ergötzen, nur ist die nur marginal spürbar und latent sinnlos - Grund: siehe vorheriger Satz. Die zweite LP der kurzzeitig sympathischen Deutsch-Rocker ist ein Fliegengewicht, wenn man nicht ausgerechnet das aufgestockte musikalische Arsenal auf die Waage legt, sondern sich stattdessen der Substanz der verarbeiteten Kompositionen zuwendet. Die sind nichtig, grausig oder aber im besten Falle ein Rettungsanker, an dem sich die Band über Wasser halten kann. Ergo ist es Zeit für eine Wiederholung: Das braucht eigentlich soweit niemand. Falls doch, bitte eine kurze Nachricht an ORF, 1136 Wien, Stichwort: Kasperlpost schicken.

 


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