MusicManiac Austro-Eck: Ja, Panik

von Kristoffer Leitgeb, am  02.01.2015

Biographie

Das mit dem Indie-Begriff ist ja mittlerweile so eine Sache. Viel ist nicht über vom ehemaligen Verlangen nach Eigenbestimmung, freimütiger Kreativität und dem Verzicht auf große Labelnamen. Vielleicht können Ja, Panik deswegen mit diesem Begriff wenig anfangen, bewegt sich ihre Art Musik zu machen und vor allem ihre Einstellung zu ebensolcher in ganz anderen Sphären. Mehr als ein Manifesto wurde veröffentlicht, gewichtige Aussagen getätigt und von Beginn weg hing dem Namen etwas gleichsam Großes, wie Unbekanntes an. Und so machte sich das Quintett einen ganz ordentlichen Namen, ließ vor allem Sänger Andreas Spechtl das Wort, wenn es um die Kommunikation eigener Ansichten und missverstandene Missverständnisse ging.

So weit war man zu Anfang aber noch nicht. Als man sich 2005 in Wien einfand, lag bereits die Karriere als burgenländische Band Flashbax hinter ihnen. Und man schaffte es sogar, ein ganzes Debüt aufzunehmen, ohne sich selbst einen Namen zu verpassen. Anstatt aber umständlich als Andi Spechtl, Stefan Pabst, Christian Treppo und Manuel Dinhof aufzutreten, einigte man sich auf den eigenen Textauszug Ja, Panik für Band und auch Album. Selbiges brachte ihnen mit den Singles Zwischen 2 & 4 und Like A Hurricane gleich massig Aufmerksamkeit auf Indiekanälen. Mit zusätzlichem Gitarristen und neuem Drummer machte man sich aber bald daran, den eigenen Ruf aufzupolieren. Dafür sorgte einerseits das Zweitwerk "The Taste And The Money", selbstproduziert und in der sogenannten Ja, Panik-Zentrale aufgenommen. Selbige war die Wohnung, die sich der Bandkern teilte, in der auch alle wichtigen Entscheidungen finalisiert wurden. Noch viel größer war aber wohl der Beitrag des veröffentlichten 'Programm in 6 Punkten', dem dazugehörigen Manifest, in dem die Band ihre künstlerischen Grundpfeiler zusammengefasst hat. Große Worte nahm man in den Mund, propagierte die Abkehr vom Quoten-Pop UND dem Pop-Bashing, den Mut zu Raserei und Exzess, die Angst vor dem Ewiggleichen und den Stolz auf Inspiration und Vorbildereinfluss. Ob verstanden oder nicht, es sorgte für Resonanz und in Kombination mit dem vielschichtigen Up-Tempo-Rock der Band war es ein wichtiger Schritt zu späteren Adelungen als eine der wichtigsten aktiven deutschsprachigen Bands.

 

Schon damals tragender Bestandteil waren die zweisprachigen Texte, die zum Markenzeichen der Band wurden. Als konstante Popkulturreferenz, für größeren Harmoniekosmos und für konstante Ironie und Sarkasmus. Sänger Andreas Spechtl springt dabei Song für Song, mitunter Zeile für Zeile zwischen dem Deutschen und dem Englischen herum, kreiert so ganz eigene Aussagen. Die sind übrigens ganz bewusst mit großem Gewicht beladen, gleichzeitig aber nach eigener Aussage so unpersönlich wie möglich. Begründet als Kontrast zum farblosen Gefühlspop und dafür als von Literatur geprägter Erlebnismusik, die dem Erreichen der eigenen Wünsche gewidmet ist, dabei aber ohne Unterlass in Grautöne und depressiv-ernste Atmosphären entschwindet.

Eine schwierige Aufgabe, der man sich zunächst 2009 mit "The Angst And The Money" stellte. Die Kritiker blieben beeindruckt, die Band aber nicht in Wien. Man übersiedelte nacheinander nach Berlin, wo auch die Platte aufgenommen wurde, ließ sich auch dort in der eigenen Zentrale, also einer WG, nieder. Und wo man schon dabei war, eröffnete man das eigene Label 'Nein, Gelassenheit', brachte die Zeitschrift 'NJURE - Organ zur Entgiftung der Gruppe Ja, Panik' - eine Sammlung eigener literarischer Beiträge und auch einiger Gastautoren - unter die Leute. Gleichzeitig erntete man für die Single Alles hin, hin, hin eine Nominierung für den Austrian Music Award. Den eigenen musikalischen Eckpfeilern blieb man weiter treu und vertiefte sowohl das Jonglieren mit der Sprache als auch die rund um Klavier, Keyboard und markant schlanke Riffs aufgebauten Arrangements.

 

Während man sich 2010 neben dem üblichen durch die Lande touren auch für 10 Tage nach Afrika begab, unter anderem in Alexandria, Kairo und Khartum spielte, nahm das Quintett im Jahr darauf, mittlerweile gänzlich von Berlin aus, die vierte LP "DMD KIU LIDT" auf. Der kryptische Titel wurde von der Band bald als Kurzform für "Die Manifestation des Kapitalismus in unserer Gesellschaft ist die Traurigkeit" enttarnt, das Album fand wiederum den Weg in Bestenlisten und auch zu den Austrian Music Awards. Während dort kein Sieg gelang, schaffte man es sowohl in Österreich, als auch in Deutschland erstmals in die Charts, auf die Plätze 17 bzw. 82. Etwas ruhiger, weniger auf erfolgreiche Ohrwürmer bedacht, dafür noch eher als zusammenhängendes Ganzes gestaltete sich das Album. Und auch um ein gutes Stück ernster, dezent depressiv mitunter. Der Erfolg sprach so oder so dafür.

 

Trotzdem folgte eine markante Zäsur. Die Zentrale zerfiel nach dem Ausstieg zweier Mitglieder, erst 2014 stockte man mit Laura Landergott das Line-Up wieder auf. In der Zwischenzeit arbeitete man zu dritt am neuen Album, "Libertatia". Das markiert laut Eigenaussage auch inhaltlich einen Neubeginn. Mit lockerem, vermehrt auch elektronisch geprägtem Sound mitsamt Disco-Einfluss und weniger unheilschwangeren Texten ging man einen anderen Weg, der Ja, Panik in Österreich bis in die Top 10 spülte.

 

Mit diesem Erfolg im Gepäck tourt die Band derzeit als Quartett und wie Andreas Spechtl erwähnte, ist das auch bitternötig, sind die Kassen doch nach den letzten Studioaufenthalten leer. So wirklich wollen aber nicht Zweifel aufkommen, das die im gesamten deutschsprachigen Raum angesehenen Österreicher den Weg aus dieser Misere nicht schaffen, so oft sie der Integrität wegen auch Veranstaltern absagen mögen. Dafür haben sie mittlerweile schon zu viel Lob geerntet.

 

Wertung: Ja, Panik sind schwierig. Man kommt nicht umhin, die hehren Ziele und Vorgaben, die großen Ansagen etwas schief anzublicken. Doch die Band überzeugt gleichzeitig mit ihrer Mischung aus Ohrwurmpotenzial und musikalischem Freimut, aber auch mit der ihr ganz eigenen Art ihre Themen auf textlicher Ebene an den Mann zu bringen. Daraus lässt sich im Fall der Fälle schon genug für einige lobende Worte herausquetschen.


Hörprobe #1: Alles hin, hin, hin -

Leadsingle der LP "The Angst And The Money"

Hörprobe #2: Libertatia -

Leadsingle des gleichnamigen Albums



Ja, Panik - Ja, Panik

Ja, Panik

2006

 

Ja, Panik - The Taste And The Money

The Taste And The Money

2007

 

Ja, Panik - The Angst And The Money

The Angst And The Money

2009


Ja, Panik - DMD KIU LIDT

DMD KIU LIDT

2011

 

Rating: 6.5 / 10

Ja, Panik - Libertatia

Libertatia

2014