George Harrison - Dark Horse

 

Dark Horse

 

George Harrison

Veröffentlichungsdatum: 09.12.1974

 

Rating: 6 / 10

von Mathias Haden, 22.01.2017


Das schwierige dritte Album nach der Beatles-Implosion hat seinen miesen Ruf nicht verdient.

 

Hallo Freunde! Schön, wieder hier zu sein. Gar nicht so einfach, nach einer längeren Pause und ordentlich Sand im Getriebe wieder in die Gänge zu kommen. Ein Gefühl, mit dem vermutlich jeder unter uns einigermaßen vertraut sein dürfte. Auch Beatle George ist es in einigen Phasen seiner Karriere nicht anders ergangen. Zwar war gerade mal ein Jahr seit seiner letzten LP Living In The Material World vergangen, ehe sich Harrison an deren Nachfolgealbum machte, doch hatte sich seit dieser einiges ereignet, das den Fokus des Singer-Songwriters vom zu jener Zeit noch geliebten Musikzirkus wegzurichten vermochte. Zwischen rechtlichen Streitigkeiten mit den anderen Ex-Beatles, der Gründung eines eigenen Labels und privaten Problemen, die im Ehe-Aus mit Pattie Boyd kulminierten, blieb jedenfalls herzlich wenig Spielraum, auch noch (gute) Songs zu schreiben.
Wie es sich für einen Vollblutmusiker in den Nachwehen der kreativen Entfesselung gehört, war Harrison dennoch schon bald wieder im Studio für das neue Album Dark Horse, das zwar wie sein Nachfolger noch bei Apple veröffentlicht wurde, dessen Name aber auch sein neues Label annehmen sollte. Und obwohl es seinerzeit schonungslos verrissen wurde und bis heute als sein vielleicht schwächstes Album gilt, möchte ich dies bereits an dieser Stelle klar verneinen. Aber der Reihe nach.

 

Denn die Argumente der Kritiker bezüglich der dritten Studio-LP nach Trennung der Beatles kann ich durchaus nachvollziehen. Einerseits natürlich der Fokus auf weiter in spirituelle Arme flüchtendes Songwriting, das seine Wesenszüge nicht zuletzt am Artwork und mit Titeln wie Māya Love oder It Is "He" (Jai Sri Krishna) ankündigt. Viel eher allerdings an der Darbietung der anwesenden Musiker, angefangen beim mit Laryngitis kämpfenden Harrison, der seine metaphysischen Worte teilweise buchstäblich hineinrotzt. Von der etwas muffigen Produktion, welche die 2014er Remasters vielleicht etwas kaschieren konnte (für diese Rezension allerdings unerheblich), gar nicht erst angefangen.

 

Was hier nach einer weiteren herben Abfuhr klingt, ist allerdings nicht halb so wild. Denn nachvollziehen zu können bedeutet selbstredend nicht, selbiges auch nachzuempfinden. Und so wird ausgerechnet der ungesunde, damit einhergehend eigenwillige Gesang in meinen Ohren zu einem kleinen Trumpf. Zumindest, wenn der besungene Titel Simply Shady heißt und nach dem instrumentalen Opener Hari's On Tour (Express) mit den verschnupften Worten "Somebody brought the juicer / I thought I'd take a sip" das Album de facto eröffnet. Gespickt mit Referenzen aus seiner schwierigen Ehe und einem kleinen Verweis auf Lennons Sexy Sadie vom weißen Album, ist auch musikalisch zwischen einem Überangebot an Instrumenten, vom (über)dominanten Bass hin zu Saxophon und Horn-Sektion, freilich auch mit Harrisons knackigem Gitarrenpart für gehaltvolle Minuten gesorgt. Zudem der Track auch bei weitem nicht allein auf weiter Flur steht. Gleich im Anschluss darf nämlich die womöglich rundeste Nummer auf Dark Horse Bürgschaft darüber ablegen, dass sich der Protagonist in dieser verzwickten Phase seiner Laufbahn nicht am Abstellgleis befand. Von einer hübschen Melodie getragen, wird So Sad jedenfalls die Ehre zuteil, neben den stärksten Gitarrenklängen der LP auch Harrisons emotionalste Performance zu stellen, bei der sich der Sänger starker Bildsprache bedient:

 

"Now the winter has come
To eclipse out the sun
That has lighted my love for some time
And a cold wind now blows"

 

An anderer Stelle reüssiert seine brüchige Stimme allerdings weit weniger erfolgreich. Besonders Bye Bye, Love, einst von den Everly Brothers zum unsterblichen Hit gemacht und hier neben einer Radikalveränderung der Melodie (einer der Hauptgründe für die hemmungslosen Verrisse) textlich von Harrison an seine Lebensumstände dieser Ära angepasst, leidet sehr unter dem stimmlichen Handicap. Wie er hier in quäkender Gnomstimme mit seiner Ex-Frau und seinem langjährigen Busenfreund Eric Clapton abrechnet, dürfte zwar vor allem für Forscher von Tierstimmen interessant sein, lenkt aber vom eigentlichen Kontext ab: "There goes our lady, with a-you-know-who / I hope she's happy, old Clapper too". Abgesehen davon gibt es auch weitere kleine Makel, die der LP anhaften. Zum einen natürlich die komplett vermurksten, weil komplett ziel- und letztlich belanglosen Minuten von Māya Love, die zwar ein gemütliches Zusammenspiel der anwesenden Musiker offerieren, songtechnisch aber nur allzu beliebig dahinplätschern.

 

Viel komplexer ist der winzige Hit Ding Dong, Ding Dong auch nicht, doch spiegelt sich in diesem eine Aufbruchsstimmung wieder, die auf Dark Horse ihresgleichen sucht. Der dritte und letzte unverzichtbare Track heißt allerdings Far East Man und darf sich dank seiner Anleihen am Motown-Sound und Harrisons beherztem Gesang durchaus selbst als Soul-Music bezeichnen. Gemeinsam mit den Funk-Einflüssen, die das Album durchziehen, und der spirituellen Präsenz, die sich in den teils trostlosen, teils trostspendenden Lyrics wiederfindet, steht hier nun ein Album, das zwar stilistisch ein wenig zerfahren ist, gerade deswegen aber einen faszinierenden Charme ausübt. George Harrisons schlechtestes Album ist es allerdings garantiert nicht.

 

Anspiel-Tipps:

- Simply Shady

- So Sad

- Far East Man


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