Gentleman - Another Intensity

 

Another Intensity

 

Gentleman

Veröffentlichungsdatum: 24.08.2007

 

Rating: 5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 27.06.2020


Wandlungsresistent wird in den mäßigen Fußstapfen des Vorgängers herumgestapft.

 

Musik kennt kein Mindesthaltbarkeitsdatum, immerhin verdirbt sie ja auch nicht. Das ist eine schöne Sache, die verhindert, dass etwas, das mal ein klanglicher Hochgenuss gewesen ist, irgendwann einmal zwangsläufig abgestanden und ungenießbar wirken muss. Musikalische Meisterwerke überleben die Jahrzehnte und Jahrhunderte oft genug unbeschadet. Das heißt allerdings nicht, dass nicht auch dereinst frische Klänge irgendwann einmal alt, schal und geschmacklos anmuten können, wenn sie sich einem zu lange aufdrängen. Als natürlichen Verfallsprozess kann man das zwar nun nicht gerade titulieren, es passiert aber definitiv oft genug, dass man trotzdem davon ausgehen kann, dass es in der Natur des Musikbusiness liegt, wenn sich gewisse Sounds und Stile überleben und ultimativ langweilig, deplatziert oder geschmacksfrei wirken. Den gesamten künstlerischen Markt betreffend ist das eine Sache stilistischen Wandels und schwankender Popularitäten. Für den einzelnen Interpreten liegt der Hund dagegen nicht unbedingt in der verpassten Trendanalyse begraben, sondern mitunter auch einfach im Beharren auf einem Sound, der ungeachtet jeglicher Popularitätswerte generell nicht nach einer Fortsetzung schreit. Auf dem kommerziellen Höhepunkt hat Gentleman mit "Confidence" genau den gefunden und macht trotzdem keine Anstalten, aus "Another Intensity" etwas anderes als eine unspektakuläre Fortsetzung dessen zu formen.

 

Deswegen fällt es ein bisschen schwer, einen wirklichen Startpunkt für eine Beschreibung dessen zu finden, was man so zu hören bekommt. Es ist einfach noch einmal das, was schon auf dem Vorgänger in übertriebener Länge aufgetischt wurde. "Another Intensity" ist drei Minuten kürzer. Ein rein kosmetisches Alleinstellungsmerkmal, das auch nicht das Geringste daran ändert, dass man einen ziemlich langen Atem mitbringen muss, um die komplette Tracklist ohne Schlafanfälle zu überstehen. Womöglich wäre das in deutlichem Maße anders, wäre das hier ein Debütalbum, die Mischung aus wiedergekäutem Klang und gewohnt spiritualitäts- und moralgeschwängerter Texte ist aber dann doch nicht mehr die große Offenbarung. Gentleman ist dafür auch einfach zu harmlos in allem, was er so vollbringt. Dementsprechend ist auch zwischen Opener Evolution und Closer Sin City nichts, das sich wirklich schlecht schimpfen lassen müsste, abgesehen vielleicht von den müde dahintrottenden und klanglich fehlgeleiteten Celebration und Hosanna. Selbst ein Minimalmaß an eklatanten Schwachstellen gleicht aber nicht aus, wie verdammt unspektakulär und energiearm der Rest beinahe durchgehend anmutet.

 

Zugegeben, es gibt Phasen gelungenen Musizierens, in denen ein bisschen Leben in die Songs einkehrt, starke Melodien und gesangliche Harmonien mit den Backgroundsängerinnen und Gästen für moderat eingängige, definitiv aber dynamische und spürbar lebendige Minuten sorgen. Will man so etwas, sind die Singles naturgemäß gute Startpunkte. Auch hier nicht anders, Different Places und Serenity versuchen mit der starken, kurzweiligen Percussion und prägnanten Bläsereinsätzen dem Erfolgssingle Superior vom Vorgänger zu reproduzieren. Beide kommen da nicht heran und sind trotzdem in puncto Vitalität und Rhythmik Ausrufezeichen. Selbiges gilt für Lack Of Love, das primär vom überzeugend leidenschaftlichen Auftritt von Gast Sizzla profitiert, und Rage & Anger, das wiederum Gentleman in seinem Plädoyer für Friedfertigkeit, Gelassenheit auf einen passionierten Höhepunkt bringt. Und dann wäre da noch der hiesige Gipfel des musikalischen Wohlklangs, das geschmeidige, von Keyboard, vereinzelten E-Gitarrenakkorden verzierte In Pursuit Of Happiness, dessen großartiger Refrain unwiderstehlich ins Ohr geht.

 

So weit, so gut. Bei ganzen 17 Tracks ist man hier aber noch nicht an einem kritischen Punkt angelangt, der die LP in eine positive Richtung kippen ließe. Und der übrige Sermon, der sich vor einem in träger, zwischen Gospel, Soul und Reggae oszillierender Form ausbreitet, entfaltet nie mehr über Songlänge etwas, das einen in die Musik hineinziehen könnte. Vereinzelte Lichtblicke wie die Backgroundgesänge von Soulfood, der militante Rap in den Strophen von Round The World und der entspannte Rhythmus von Jah Love gehen unter, weil sie einer Masse akzentarmen Sounds und einer rundum ermüdenden Mischung aus faden, sowieso kaum genutzten, elektronischen Sounds, unprägnanten Gesangsparts mit ebenso unterentwickelten Texten und tödlich passiver Arbeit in der Rhythmusabteilung gegenüberstehen. Da ist einfach nichts an Track wie Tranquility, Mount Zion oder The Light Within, das dazu gemacht wäre, dass man sich daran erinnern könnte. 70 Minuten fließen so ineinander und ergeben einen, je nach Sympathien, die man Gentleman entgegenbringen will, gemächlichen oder lethargischen Reggae-Brei, der nie auch nur in die Nähe kommt, an etwas Riskantem oder genuin Interessantem anzustreifen.

 

Das verhindert natürlich nicht, dass einem die ganze LP in entspannter Manier nicht weh tut, aber das ist prinzipiell eine sehr bescheidene Leistung, die ausschließlich darauf fußt, dass der Deutsche eine geschmeidige Variante gefunden hat, um seine stilistischen Inspirationsquellen miteinander zu vermengen. Dementsprechend flüssig und von Kanten befreit tönt die Sache dann aber auch, was so weit geht, dass man eben zum Ende nicht mehr dazu in der Lage wäre, Unterscheidungen zwischen einzelnen Tracks einigermaßen gesichert zu treffen. Nur vereinzelt kommt man in den Genuss einer Melodie, eines Gesangsharmonie oder einer leidenschaftlichen Performance, die den dazugehörigen Song in die Nähe seines vollen Potenzials bringt. Dann ist man zwar immer noch nicht überwältigt und merkt unweigerlich, dass der Deutsche spätestens mit "Another Intensity" auch im 4-Minuten-Format keinen Bestenlisten mehr nahezukommen droht, aber das ist ja dann trotzdem keine Absage an entspannte, gelungene Songs mit zumindest moderatem Nachhall. Überwiegend kommt die LP aber auch nicht in die Nähe dessen, sondern versandet in einer langweiligen Mäßigkeit, der es nicht einfach nur an Überraschungen, sondern generell an spürbaren Akzenten mangelt. Dieser Trend, unter dem der Vorgänger bereits gelitten hat, wird hier in entspannterer und zunehmend einförmiger Form noch deutlicher, sodass eine großartige erste Hälfte wie die von "Confidence" nicht in Reichweite ist. Tatsächlich muss man sogar in Frage stellen, ob das Album überhaupt genug gute Tracks liefert, um eine Hälfte davon auszufüllen.

 


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