Creedence Clearwater Revival - Cosmo's Factory

 

Cosmo's Factory

 

Creedence Clearwater Revival

Veröffentlichungsdatum: 08.07.1970

 

Rating: 9.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 30.04.2021


Alle Einflüsse werden sich zu Eigen gemacht am Höhepunkt eines legendären Triumphzugs.

 

Es braucht einfach viel mehr individuelle, spannende, im Gedächtnis bleibende Trademarks in diesen Tagen. Jeder braucht sowas, das ihn ausmacht, für alle spürbar kennzeichnet und einzigartig macht. Wo kämen wir denn da hin, wenn nicht jeder von uns schneeflockig und unverkennbar wäre? Deswegen heißt es, seinen ureigenen Stil zu finden. Beim Reden, beim Gehen, beim Niesen, Trinken, Radfahren, Sitzen, Essen, Atmen, am besten überall. Weil irgendwann findet man dann sicher das, was keiner macht oder zumindest bisher noch keiner gewagt hat, auf dass man in alle Ewigkeit damit in Verbindung gebracht wird und der Nachwelt erhalten bleibt. Künstler haben es hier naturgemäß ein bisschen leichter, können sich zeichnerisch, schreiberisch, musikalisch oder sonstwie so einfallsreich, ausgefallen und innovativ betätigen, dass alles rundherum nur mehr staunt. Und es ist ihnen dabei ja auch erlaubt, aus einem reichhaltigen Fundus vorher Dagewesener zu schöpfen, die mitunter als erstklassige Inspirationsquellen dienen können. Trotzdem gelingt es nur den Allerwenigsten, ihre Nische so klar zu definieren, sie so meisterlich zu bespielen und  zu etablieren, dass schon der Name alleine im Kopf die Synapsen in den Overdrive schickt und Assoziationen zu genau einem Stil, in der Musik diesem einen ganz speziellen Sound erzwingt. Es sind diese die Auserwählten, deren gewaltiger, hinterlassener Eindruck womöglich sogar die Menschheit überdauern wird. Es sind dies auch John Fogerty und seine Gefolgsleute, die als Creedence Clearwater Revival nicht einmal zwei Jahre gebraucht haben, um auch dem letzten klar zu machen, dass da nichts ist, das so klingt und je so klingen könnte. "Cosmo's Factory" ist dieses Phänomen auf seinem Zenit.

 

Wie unglaublich viel dieser kurze Satz zu bedeuten hat, wird jedem klar sein, der das kurze und überschaubare Schaffen der Band in ihrer Blütephase kennt und schätzt. Denn die Karriere der Fogerty-Brüder, von Stu Cook und Doug Clifford kennt nicht den einen, alles überragenden und in den Schatten stellenden Gipfel, sondern viel eher ein ganzes musikalisches Bergmassiv. Je nach individueller Präferenz und Sympathie für die Großmeister dessen, was flapsig zum Swamp Rock erkoren wurde, erstreckt sich dieses Massiv über drei, vier, vielleicht gar fünf Alben, bietet aber jedenfalls einige legendäre, kaum zu vergessende Zwei- und Mehrminüter. An denkwürdigen Songs aus der Feder John Fogertys und dem einen oder anderen beschlagenen Cover, das vielleicht gar das jeweilige Original in den Schatten stellt, mangelt es jedenfalls nicht. Die erst fünfte LP der Band baut dahingehend bereits auf einem reichhaltigen Fundus und einem hart erarbeiteten und höchst verdienten guten Ruf auf, folgt auf ihrerseits gefeierte Alben. Und doch ist es Ramble Tamble vorbehalten, auf in der Bandgeschichte ungekannte Art den absoluten Höhepunkt ihres Daseins einzuleiten. Der gewagte Siebenminüter, der es auf beeindruckende Art schafft, den locker-kernigen Rock 'n' Roll der Band fließend in langgezogene, psychedelisch angehauchte Riffschwaden übergehen zu lassen und dann wieder daraus zurückzuholen, ist vielleicht nicht höchstselbst das ultimative CCR-Stück. Aber es ist eines von der interessanteren, großartigeren Sorte. Die atmosphärischen Pole, einerseits der dynamische Drive zu Beginn, der jede Barschlägerei unterlegen könnte, andererseits die schwelende, von kratzigen, druckvollen Gitarreneinlagen geprägte Instrumentalorgie mittendrin, sind unerwartet harmonisch im Zusammenspiel und unfassbar kurzweilig.

 

So sehr, dass man gar nicht mehr weiß, ob denn da wirklich die traditionell kurz angebundenen, auf das Wesentliche komprimierten, namhaftesten Songs der Band hier die besten sind. Das Bauchgefühl ringt einem dann aber doch ab, das zu bejahen. Weil mitten auf diesem Album Songs aufeinandertreffen, deren Strahlkraft auch nach Jahrzehnten nichts eingebüßt hat. Der legendäre Introriff von Up Around The Bend und dessen unwiderstehlicher mehrstimmiger Refrain konkurriert da mit der leichtgewichtigen, aber umso unterhaltsameren Absurditätensammlung vom countryesken Lookin' Out My Back Door, der atmosphärischen Dichte des schwer dahintrabenden Run Through The Jungle und der kritischen Melancholie von Who'll Stop The Rain. Alle könnte man zum Albumfavoriten krönen, entscheidet sich in einem knappen Rennen aber dann doch für Run Through The Jungle. Dessen effektvolle Szenerie, der die rhythmische Variantenlosigkeit nicht nur kaschiert, sondern sogar zum idealen Nährboden für den düster-tristen Trip durch den Dschungel macht, wird hier durch nichts getoppt und ist ein klangliches Meisterwerk. Ob es denn nun, wie von vielen vermutet, die Kriegswirren in Vietnam thematisiert und kritisiert oder doch eher, wie von Fogerty Jahrzehnte später festgestellt, die Waffengewalt in den USA selbst, sei dahingestellt. An der Wirkmacht des cineastischen Intros, der im Nichts verhallenden, rückwärts abgespielten Klavier- und verzerrten Gitarrenakkorde, des späteren Mundharmonikaparts und am generellen, unbezwingbaren Drive des Songs würde beides nichts ändern.

 

Es ist angesichts dieser vielen Höhepunkte auch ein nicht zu vernachlässigender Trumpf des Albums, wie vielseitig es anklingt, obwohl es doch von der Band stammt, die man für einen Sound kennt und nur für diesen einen. Doch der kernige, tiefamerikanische Rock rund um John Fogertys großartige, dazu wie die Faust aufs Auge passende Stimme, zeigt sich hier stilistisch in ziemlich vielen Facetten. Neben countryesker Leichtigkeit, lockeren Erinnerungen an 50er-Rock'n'Roll mitsamt des Tributs an Little Richard, Travelin' Band, Anflüge von Psychedelic und Hard Rock, warten klassische R&B-Nummern, Blues, der schwermütige Folk Rock von Who'll Stop The Rain und ein episches Soulcover. Warum das, nämlich I Heard It Through The Grapevine, trotz seiner kaum zu verteidigenden Länge von über 11 Minuten dennoch so großartig funktioniert, ist leicht erklärt. Im Gegensatz zu den übrigen davor entstandenen Versionen bleibt es weder im traditionellen, recht banalen Motown hängen, noch nähert es sich der gefühlvollen, atmosphärisch mysteriösen, wohl noch mehr gefeierten Version von Marvin Gaye an. Stattdessen ist es die erste, die vom ersten Ton mit ihrem tiefen Bass und den kargen Zupfern von durchgehend schwelender, im Angesicht des besungenen Betrugs durch die Geliebte höchst passender Wut geprägt ist. Diese spürbare Härte im Ton schlägt sich aber nicht im Geringsten in schwergewichtigen oder gar trägen Klängen wieder, sondern überlebt in ihrer düster dahinrollenden Art problemlos mehrere Minuten, bis zur Songmitte ein für die Band ungewohnter, ausgedehnter Jam-Part beginnt. Der dauert bis zum Ende des Songs an und kann sich zwar zweifellos hören lassen, ist aber dennoch zu lang, um die atmosphärische Eindringlichkeit der ersten Songhälfte irgendwie bewahren zu können.

 

Dennoch ist man beeindruckt und übersieht mit all diesen herausragenden Momenten schon fast, dass da noch andere Songs sind, die einen solchen Jubel wohl nicht ganz verdient haben. Travelin' Band und der dreckige R&B von Before You Accuse Me sind genauso wie der herausragend gesungene, ansonsten aber etwas schwerfällige Closer Long As I Can See The Light eher vom Format soliden, stark eingespielten, letztlich aber kaum groß auffallenden Zusatzmaterials. Das belegt zwar, wie die Band auf ihrem Höhepunkt wirklich jedem wirklichen Fehler konsequent aus dem Weg gegangen ist und auch in ihren schwächsten Momenten noch ordentlich zu klingen wusste. Mehr dann aber auch nicht.

 

Es handelt sich dabei aber zur Abwechslung einmal definitiv um Kleinvieh, das keinen wirklichen Mist macht. Nein, nein, Creedence Clearwater Revival, das war in den Jahren '69 und '70 eine Truppe, die dazu verdammt war, genialen Rock für die Musikgeschichtsbücher zu zimmern. "Cosmo's Factory" ist da nicht nur keine Ausnahme, es ist viel eher der absolute Höhepunkt dessen. So reich an erstklassigen Minuten, an kurzweiligen und variantenreichen musikalischen Eindrücken und so frei von Leerläufen war sonst kein Album der Swamp Rocker, die doch in Kalifornien eigentlich so weit weg waren vom Swamp. Selbst heraufgrauende Spannungen innerhalb der Band und die nicht endenwollenden Konzerttermine und Auftritte konnten nicht verhindern, dass John Fogerty unter Aufbringung aller gebündelten Kräfte seiner drei Mitstreiter einen albumgewordenen Monolithen kreiert. Nichts anderes ist dieses Album, welcher der elf Songs darauf nun auch immer der eigene Favorit sein mag.

 


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