Billy Joel - River Of Dreams

 

River Of Dreams

 

Billy Joel

Veröffentlichungsdatum: 10.08.1993

 

Rating: 4 / 10

von Mathias Haden, 28.08.2014


Zahnloses Abschiedsalbum aus dem Reich der Popmusik.

 

Zeit für einen weiteren Altstar. Zeit für den nächsten Gentleman, dem vom ewigen Arschkriechen das Hinterteil für alle Tage aufgeschunden scheint. Zeit für Billy Joel, den Piano Man, den charismatischen Pop-Virtuosen und Volksliebling. Und nein, sollte man sich an ältere, ebenso zynische Einleitungen erinnern, hier bahnt sich kein erneutes Himmelfahrtskommando in Sachen Personalkritik an, eher eine kleine Spitze mit Augenzwinkern in Richtung der renommierten Musikblätter.

Lange Eingangsrede, kurzer Sinn. Heut obliegt es mir, Billy Joels zwölfte LP, das Werk mit dem schönen Artwork, River Of Dreams, genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Und - soviel sei schon mal gesagt - das hübsche Cover sollte bis zu den finalen Takten das Erfreulichste sein, was mir dieses sympathische Alterswerk zu schildern hatte. Aber hey, die vier Sterne vom Rolling Stone gibt's ja trotzdem und das erwähnte Artwork legt die Latte auch ziemlich hoch, so fair muss ich dann doch bleiben.

Trotzdem legt es das bislang letzte Werk, dass zwischen Rock & Pop pendelt (danach folgte noch ein Album mit klassischen Kompositionen), schon früh darauf an, unter dieser Latte einen gemütlichen Limbo hindurchzuwagen. Und gerade der vermehrte Schwenk in Richtung Rockmusik liefert einen äußerst bitteren Beigeschmack. Bereits Opener No Man's Land packt die härteren Gitarren aus, fördert aber trotz einer stets erfreulichen Prise Sozialkritik nicht viel zu Tage, verharrt in seiner Eindimensionalität über fast fünf Minuten und versaut den schmerzlich erhofften, positiven ersten Eindruck. Mit denselben Problemen der Einseitigkeit und Überlänge hat - auf einer LP, bei der neun von zehn Nummern locker über vier Minuten kommen – besonders auch A Minor Variation zu kämpfen. Hier versucht sich Joel als großer Blues-Man, letztlich schaut dabei wieder nur eine fade Rocknummer heraus.

Auch sonst bekleckert sich besonders die erste Hälfte des Albums nicht mit Ruhm. Shades Of Gray ist in seiner aufmunternden Naivität ("Shades of grey are all that I find / When I look to the enemy line / Black and white was so easy for me / But shades of grey are the colors I see") zwar irgendwie niedlich, hält aber auch wieder nicht die Joel-typischen, eingängig berührenden Melodien bereit. Diese Eingängigkeit haben die Nummern The Great Wall Of China und Blonde Over Blue zwar inne, dank ihrer nichtssagenden Texte und den ermüdend spannungsfreien Arrangements fallen aber auch sie durch die Qualitätskontrolle. Wie gesagt, die erste Seite ist übel, das haben sich Billy Joels Fans nicht verdient, besonders nicht, bei der längsten Wartezeit zwischen zwei Alben des Künstlers.

 

Vergleichsweise wie Öl geht die zweite runter. Hier findet man plötzlich allerhand interessantes Material, wenn auch nicht auf dem Standard seiner besten Kompositionen. All About Soul macht trotz seinem Status als längster Track der LP Spaß und verliert sich nicht viel zu früh in Monotonie, wirkt im Gegensatz zu vielem anderen hier überraschend ehrlich:

 

"This life isn't fair

It's gonna get dark, it's gonna get cold

You gotta get tough, but that ain't enough

It's all about soul"

 

Das bringt uns auch schon zum nächsten Highlight: Auf Lullabye (Goodnight, My Angel) klingt Joel zum ersten Mal wie Billy Joel, verzichtet auf nervtötende Gitarren und setzt auf das Instrument, das ihn letztlich zu dem machte, was er ist, das Klavier. Seiner Tochter gewidmet, bietet diese kurzweilige Nummer tiefe Emotionen und einen Künstler, der erfreulich fokussiert wirkt. Der letzte der drei starken Tracks ist Closer Famous Last Words, auf dem er sich noch einmal in guter Verfassung zeigt. Hier verabschiedet er sich im wahrsten Sinne vom Publikum, da er angekündigt hatte, dass diese LP seine letzte im Bereich Pop werden sollte:

 

"These are the last words I have to say

That's why it took so long to write

There will be other words some other day

Ain't that the story of my life"

 

Zum Abschluss möchte ich noch kurz den Titeltrack erwähnen. Den Song, den so ziemlich jeder schon mal im Radio gehört hat und der ein Riesenhit wurde. Aufgebaut auf einer ungut aufpolierten, an Soul und vor allem Gospel andockenden Produktion, ist diese Nummer nicht annähernd so gut wie ihr positiver Ruf.

 

Negative Rezensionen schreiben sich bekanntlich am einfachsten, das weiß ich nicht erst seit 'Ratatouille' (danke Anton Ego und danke Pixar!). Besonders dann, wenn man einem alternden Künstler trotz spürbarer Ambitionen, sich mit einem ordentlichen Werk zu verabschieden, die versiegte Inspirationsquelle anmerkt wie einem Alkoholiker im Aufzug seine Fahne. Letzten Endes ist es nämlich genau das geworden, was uns der scheidende Billy Joel auf seinem finalen Pop-Album zu sagen versucht: 'Ich habe mir vier Jahre Zeit gelassen, aber eingefallen ist mir trotzdem nichts'. Schade Billy! Schade, dass du eine tolle Karriere mit so einem zahnlosen Werk an den Nagel hängen musst.

 


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