Bastille - Doom Days

 

Doom Days

 

Bastille

Veröffentlichungsdatum: 14.06.2019

 

Rating: 5.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 07.03.2020


Mit dem nächsten Schritt in organischeres Terrain kommt auch die Unfähigkeit zu begeistern.

 

Das Coronavirus wird uns alle vernichten. Da bin ich mir genauso sicher wie manch latent gelangweilter Sensationsjournalist, schnappatmende Quasi-Hypochonder und vom Weltuntergang profitierende Sektenführer. Ultimativ hat das auch etwas verdammt Positives, denn mit dem Ende der Menschheit lässt sich gutes Geld verdienen. Entweder man kauft Schutzmasken zum Spottpreis und verscherbelt sie dann um das X-Fache, wie es aktuell ein junger deutscher "Unternehmer" macht. Man kann auch noch schnell jemandem für ein paar Euro die Sünden erlassen oder ihm anderweitig ins geheiligte Licht führen. Oder man wirft sich mit einem Sonderangebot für ultimativ wirksame Heilmittelchen in Form endlos zu verdünnender Substanzen in das Rennen um das alternativmedizinische, kaufkräftige Publikum. So viele Möglichkeiten und so wenig Zeit bis zum Ende. Weniger kapitalistisch orientierte Gemüter möchten womöglich die verbliebenen Tage sinnvoll oder zumindest erfüllend nutzen, könnten vielleicht sogar auf die Idee kommen, endlich mal Musik zu machen. Wem das einfällt, der möge bitte Spannenderes abliefern als Bastille.

 

Wobei ja nun Hochspannung kein Muss in der Musikwelt ist. Sie kann auch entspannend, kontemplativ, aggressiv, depressiv, romantisch oder so vieles andere sein. Nur berieselnd ist immer so eine Kategorie, die man nicht so ganz mögen will als jemand, der Musik tatsächlich bewusst hört. Damit ist man zwar kein Angehöriger einer irgendwie gearteten Mehrheit, aber erstens sind Mehrheiten sowieso sehr oft auf dem Holzweg und zweitens werden selbst die Musiker mit den niedrigsten Ansprüchen an sich selbst kaum zum Ziel haben, aufwendigeres Hintergrundrauschen zu produzieren. Im Pop kommt man daran zwangsläufig weder auf Produzenten- noch auf Konsumentenseite wirklich vorbei, was natürlich nicht bedeutet, dass alle dort landen würden. Bastille waren davor bisher eigentlich gefeit und haben es bemerkenswerterweise hinbekommen, mit "Bad Blood" damals ein ziemlich ausgelutschtes musikalisches Konzept mit Leidenschaft und den nötigen Hooks anzufüllen. Aber der Trend war in der Folge ein negativer, was für das dritte Album nur mehr wenig Gutes verheißt. Dieses Wenige ist wohl der Umstand, dass man einmal mehr einen Schritt vom bombastischen Synth-Pop des Debüts weg gemacht hat und sich nunmehr einem zwar immer noch elektronisch geprägten, aber zunehmend organischen Indie-Pop-Rock zuwendet.

 

Das ist soweit schön und gut, bringt die Briten aber an einen Punkt, wo gar nicht einmal unbedingt viel schlechter als auf dem Vorgänger klingen, aber weder genug Neues noch genug vom Alten mitbringen, um einen irgendwo im Laufe dieser LP vom Hocker zu hauen. Das meint erst einmal gar nicht, dass man hier nichts an wohlgeformter Musik finden würde. Leadsingle Quarter Past Midnight ist zwar beinahe schon Bastille-Overload, da es sich um nicht mehr als eine etwas hektischere Version ihres früheren Outputs handelt. "Beinahe" ist hier allerdings ein wichtiges Stichwort. Denn das gekonnte Balancieren inmitten des gesteuerten, moderaten Chaos, das die Band hier kreiert, bringt die dringend notwendige Energie mit, um Dan Smiths zunehmend uninteressantere Performances und Texte auszugleichen. Ganz ähnlich gestaltet sich die Sache beim eher auf Synth-Seite gelagerten Million Pieces, das sich mit dem dynamischen Percussion-Mix einen großen Gefallen tut und damit selbst die massiv im Vordergrund verankerten Vocals durchdringt. Und auch das schleppende Another Place kann trotz mittlerweile angestaubt wirkendem "Dolphin Sound" aus Justin Biebers Comeback-Tagen mit starker Hook im Refrain nachhaltig überzeugen. Es sind dies die wenigen Momente, in denen diese musikalische Zwischenwelt, in die sich die Band manövriert hat, einigermaßen vielversprechend wirkt. Überdeutliche Spuren starker Studiomanipulationen, hier und da verzerrte Vocals, elektronische Beats und prägnante Synth-Hooks einerseits, prominentere Rollen für Gitarre und Klavier mitsamt sporadischen Einschüben von Streichern in gezupfter oder gestrichener Form andererseits.

 

Problematisch dabei ist, dass all das weniger markant klingt, als man es vielleicht annehmen könnte. Manche werden es erholsam finden, dass endgültig nichts mehr von den penetranten Soundwänden des Debüts übrig ist. Gleichzeitig führt das allerdings dazu, dass man Bastille in weichgewaschener, unentschlossen wirkender Form vorgesetzt bekommt. Deswegen entbehrt die LP jeglichen großen Ausreißern, kann weder mit einem zweiten Pompeii noch einem neuen The Warmth aufwarten. Der qualitative Plafond ist abgesunken, ohne deswegen gleich alles nach unten zu reißen. Wenn sich aber einmal Million Pieces als Höhepunkt der dynamischeren Seite des Albums herauskristallisiert, ist man definitiv nicht in herausragenden Regionen. Dem gegenüber stehen dann ohnehin noch weit durchschnittlichere Performances wie die von Bad Decisions oder Nocturnal Creatures, die an übertrieben lauten Claps, unwillkommenen Stimmverzerrungen und latent monotonen zweiten Songhälften scheitern. Landet man schließlich beim finalen Joy, ist man sich auch endgültig sicher, dass man dann nach drei Alben doch genug hat von Smiths gleichbleibend sanftmütiger Stimme, den auslaugenden Chorälen im Refrain, der penetranten Percussion und dem umgebenden Brimborium.

 

Im Lichte dessen würde man sich wünschen, die Band hätte etwas mehr von dem erhalten und weiterentwickelt, was der Vorgänger richtig gemacht hat. Das berührend karge Two Evils findet keine Fortsetzung, stattdessen soll die schmalzige Weltschmerz-Piano-Ballade Divide für große Gefühle sorgen. Die dynamischen Streicher-Stakkatos von The Currents sind Geschichte, stattdessen dürfte eine vollkommen fehlgeleitete Seele geglaubt haben, das dahinstolpernde Synth-Drama Those Nights soll es richten. Das macht ein Gelingen des ganzen Albums dann doch etwas schwierig, auch wenn einen die Briten einmal mehr davor bewahren, sich irgendwann geschockt an den Kopf greifen zu müssen. So schlecht wird die Sache dann doch nie. Wirklich lohnende, atmosphärische Minuten gehen sich dann aber doch nur einmal aus. Der Titeltrack beschert sie einem insbesondere dank des anfänglichen Minimalismus, in dem akustische Zupfer auf Smiths mehrlagige Vocals treffen. Das stetig verstärkte Arrangements wird dabei nicht schwächer, schafft im Gegenteil mit dem starken synthetischen Beat, zurückhaltenden Synthesizern und zwischenzeitlichen Orgelklängen eine düstere Szenerie, die fast verdecken, dass Smith seine bisher wohl besten Zeilen fabriziert:

 

"Think I'm addicted to my phone

My scrolling horror show

I'm live-streaming the final days of Rome

One tab along, it's pornographic

Everybody's at it

No surprise we're so easily bored

 

[...]

 

We love the sound that our voice makes

Man, this echo chamber's getting loud"

 

Das ist dann vielleicht der eine Höhepunkt, der sich hier doch noch ausgeht. Ansonsten ist "Doom Days" eine eher mäßig spannende Geschichte. Die Idee der Band, sich ein Album lang dem grassierenden Eskapismus zu widmen, ist eine weit noblere, als es die Songs letztendlich vermuten lassen. Äußerst selten käme man auf die Idee, in Smiths Kompositionen würde mehr stecken als die vagen, aber doch irgendwie gewichtigen Anbahnungen an echte Emotionen, die er bisher so zu bieten hatte. Einmal lässt er wirklich mehr durchkommen und landet damit dort, wo die LP vielleicht in ihrer Gesamtheit hätte enden müssen, damit sie sich tatsächlich lohnt. Da atmosphärische, aussagekräftige und musikalische prägnante Eindrücke hier aber beinahe nur auf diese zwei Minuten beschränkt bleiben, ändert sich nichts daran, dass Bastille langsam, aber ziemlich sicher jegliche Fähigkeit, Interesse in einem zu wecken, einbüßen. Ob es für die Briten wirklich so schlecht ausschaut, wird sich vorerst nicht eindeutig feststellen lassen, zu widerlegen ist es aber auch nur, wenn uns davor nicht Corona dahinrafft.

 


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