AC/DC - Black Ice

 

Black Ice

 

AC/DC

Veröffentlichungsdatum: 17.10.2008

 

Rating: 3.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 12.07.2014


Schlafwagen-Rock von Legenden, die vielleicht doch aufhören sollten, am eigenen Monument zu schrauben.

 

Wie sprach dereinst einer der großen Philosophen unserer Zeit, Oliver Kahn: "Eier! Wir brauchen Eier!" Für diese testikuläre Bereicherung, ob nötig oder nicht bleibt mal dahingestellt, gab's in der Musik immer unsere guten alten Rock 'n' Roll-Haudegen. Die Briten haben die Stones, die Amis, naja, zumindest KISS und die Aussies werden seit nunmehr über 40 Jahren von AC/DC vertreten. Nun haben allerdings Letztere den Zahn der Zeit doch merklich zu spüren bekommen, mussten sich mit mageren Reviews und monotonen Monotonie-Vorwürfen herumschlagen und das mittlerweile auch schon seit mehreren Jahrzehnten. Und trotzdem ging er weg wie warme Semmeln, der '08er-Jahrgang der Band, brachte ihnen die erste US-Nummer 1 seit einer gefühlten Ewigkeit und sie auch genau dorthin in 28 anderen Ländern. All das haben sie gewonnen, die Cojones dürften ihnen aber verloren gegangen sein.

 

Was jetzt nicht bedeutet, dass ein Eunuchen-Chor auf den Hard Rock-Sympathisanten wartet. Es sind auch im 21. Jahrhundert noch Riffs von den Gebrüdern Young und Gekrächze vom mittlerweile ergrauten Brian Johnson. Wo also alles beim Alten geblieben ist, muss man die großen Schwachstellen nicht unbedingt bei dem suchen, was sich verändert hat. Davon gab's bei den Australiern ohnehin nie viel und auch Leadsingle Rock 'n' Roll Train verrät nichts in diese Richtung. Mit hymnischem Riff, banalstem Beat und Gesang der Marke "männlich" rockt die Band genau auf die Art, wie sie es bereits seit dem Vietnam-Krieg tut. Und auch wenn die unbändige Kraft von "Highway To Hell" nicht in Sicht ist, reicht's zur gelungenen Albumeröffnung, die nun wirklich jedes Stadion zum Beben bringen kann.

 

Doch der Schein trügt. Ein Track von 15 und man weiß nicht nur, wohin die Reise geht, sondern auch, dass die Fremdenführer dort nicht viel Interessantes zu erzählen haben. Schon mit Skies On Fire wird einem schmerzlich bewusst, dass die Vergleiche mit den legendären Werken der Band nur gute Miene zum bösen Spiel sind. Träge Melodien paaren sich mit Texten, die es noch nicht mal dazu bringen, verstörend sexistisch zu sein, sondern gar nur untergehen. Von Energie keine Spur mehr und selbst wenn die Gitarren von Brendan O'Brien kernig wie in alten Tagen abgemischt wurden, kaschiert das nur mäßig, wie durchschnittlich hier Vieles klingt. Nun wäre es ein Leichtes, all die Songs aufzuzählen, die in diese Kategorie fallen. Das Problem dabei: Die sind in einer überwältigenden Überzahl. Es ist schon bezeichnend, wenn eine Nummer wie Anything Goes, bedächtig, aber doch ordentlich heruntergespielter Blues-Rock, wie ihn die Band auch auf den lezten LPs geboten hat, hier zu den Gewinnern zählt.

 

Abseits davon matchen sich die Tracks beinahe nur mehr darum, welcher denn nun als wirklich schlecht und welcher wenigstens noch als lauwarme Rückholaktion längst verblichener Ideen bezeichnet werden soll. Grammy-Gewinner War Machine zählt als unspektakuläres Remake von Given The Dog A Bone zu Letzteren, ebenso wie Rocking All The Way oder She Likes Rock 'n' Roll, das mit dem genial abgestimmten Intro wenigstens noch kurz richtig Lust auf mehr macht. Smash N Grab, Stormy May Day und Rock 'n' Roll Dream zählen dagegen zu den unsagbar langweiligen und ausrechenbaren Ergänzungen, die einem nichts als Lebenszeit stehlen. Und damit füllt die Band nun 55 Minuten, eine Zeitspanne, die selbst "Back In Black" gekillt hätte, hier aber noch viel offensichtlicher an die Substanz aller Beteiligten geht.

 

In Wirklichkeit ist die einzige Aufgabe für die Band irgendwie die Lücke zwischen Big Jack (Track #3) und dem starken, frisch und atmosphärisch klingenden Closer Black Ice zu füllen. Es sind wohl die einzigen Songs hier, die man auch auf den 70er-LPs nicht als Schwachstelle erkannt hätte. Und auch wenn beide nicht wirklich den bandeigenen Plafond erreichen, überzeugen Young & Co dort einerseits mit einer knackigen, partytauglichen Rock-Nummer alter Prägung, andererseits mit einer Stimmung, die Hells Bells oder Touch Too Much ins Gedächtnis ruft und sich allein deswegen ein Sonderlob verdient. Dazwischen...gähnende Leere. Zumindest, wenn man es nicht als AC/DCs Aufgabe ansieht, schwerfälligen Durchschnitts-Rock zu präsentieren. Einzige kurze Auflockerungsübung ist mittendrin Wheels, dem zumindest so etwas wie Leben zu attestieren ist, auch wenn man selbst von den Hard Rock-Opas Substanzielleres gewohnt ist.

 

Jetzt ist es aber trotz dieser überall klaffenden qualitativen Löcher noch immer nicht ganz vorbei mit ihnen. Denn was sich die Truppe auch bis heute noch behalten hat, ist ihr Charakter. Man hört zwar nur eine schwachbrüstige Version dieser ehemaligen aus Power bestehenden Rampensäue, aber es sind immer noch die Leute, die irgendwann bei der Suche nach einem Namen ihre Liebe für Gleich- und Wechselstrom entdeckt haben.

Das gibt "Black Ice" dann doch wieder ein ganz klein wenig dessen zurück, was man von einem Top-Seller dieser Band eigentlich erwarten sollte. Aber eben doch nur wenig und mit den ebenfalls sehr minimalistischen Anwandlungen beinahe schon antiker Qualität, mit der AC/DC lange vor meiner Geburt den Planeten aufgeweckt haben, schaut eine traurige Bilanz heraus. Fünf aus Fünfzehn ist nichts, worauf man stolz sein kann. Stattdessen zeigt es eher, dass die Band a) ihre Treffsicherheit lange verloren hat und b) weit weg bleiben sollte von Albumlängen jenseits der Dreiviertelstunde. Ansonsten bietet sich einem ein Bild wie auf "Black Ice", nämlich das von mühseliger, gitarrenlastiger Trägheit, die dem Begriff Opa-Rock leider oft allzu gerecht wird. Auf alle Fälle stimmt's, es braucht wieder Eier.

 

 

Anspiel-Tipps:

- Rock 'n' Roll Train

- Black Ice


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