Two Steps From Hell - Archangel

 

Archangel

 

Two Steps From Hell

Veröffentlichungsdatum: 20.09.2011

 

Rating: 8 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 17.05.2014


Wunderbarer Gesang, hymnische Choräle und epochale klassische Darbietungen. Eine Reise in die großartigen Soundtrack-Welten.

 

Bisher haben wir uns ja gemütlich im konventionellen Bereich bewegt mit unseren Reviews. Es gab Skurriles hier und da, manchmal wenig bekannte Leute, aber eben doch immer innerhalb dessen, was irgendwie mehrheitsfähig scheint. 'Outside-the-box'-Denken war nicht angesagt - vor allem, weil ich glaube man sollte die 'Box' erstmal auskundschaften, bevor man sie verlässt -, doch es geschehen noch Zeichen und Wunder. Okay, pathetisches Gebrabbel meinerseits. Der Pathos passt allerdings, denn mit "Archangel" gibt es eine epische Reise in die Welt des erfolgreichen Soundtrack-Duos von Two Steps From Hell. Man kann sich auf Erinnerungen an viele Filmklassiker, Choräle zum Dahinschmelzen und eine Achterbahnfahrt in Form klassischer Musik gefasst machen.

 

Das Duo mit dem unheilvollen Namen, im Bürgerlichen Thomas Bergersen und Nick Phoenix, bietet einem eine 26 Tracks lange Sammlung frühere Werke, erstmals der Öffentlichkeit preisgegeben. Wer bei der Zahl 26 aufstöhnt, der darf sich wieder etwas beruhigen, denn wenig davon übersteigt die 3-Minuten-Grenze. Und das, was mit Erfolg in unzähligen Filmtrailern, Videospielen und bei Zeiten auch Fernsehserien funktioniert, braucht auch das Urteil als LP nicht scheuen. Von epischem Gesang mit hartem Getrommel, über aggressive Metal-inspirierte Gitarrenparts, bis hin zu dezentem Harfengezupfe, es gibt viel zu bestaunen. Und insbesondere zu Anfang auch viel zu bejubeln. Mit der großartigen Gesangsdarbietung in Opener Mercy In Darkness, dem schlicht genialen, im allerwahrsten Sinne dieses Wortes epischen Archangel mit mächtigen Streichern, einer fabelhaften Percussion und ebenso gutem Choral oder dem synthieverfeinerten, unglaublich dynamischen Love & Loss ist alles Nötige beisammen.

 

Wer sich bisher keine Vorstellung machen kann, wie's klingt, den verweise ich auf cineastische Epen wie 'Herr Der Ringe', 'Gladiator' oder Ähnliches. In diesen Gewässern treibt sich das Duo zumeist herum, macht zudem Ausflüge in Richtung auflockernder Elektronik oder düsterer Härte, bleibt aber doch immer anheimelnd nahe dran an legendären Soundtracks. So vor allem auch in den treffend betitelten United We Stand - Divided We Fall oder Strength Of A Thousand Men, deren schnelle Streicherpassagen, unterstützt teilweise von Top-Bläsern und der unverändert starken stimmlichen Performance, tatsächlich nicht nur für unterhaltsame Minuten sorgen, sondern auch spielerisch passende Szenen vorm inneren Auge entstehen lassen können. Dass die Jungs auch anders können, dabei aber kaum an Durchschlagskraft verlieren, beweisen Atlantis oder He Who Brings The Night. Ersteres als kurzes Streicherstück, irgendwo zwischen verträumter Idylle und der omnipräsent epischen Größe, Letzterer dafür als leicht düstere Vorstellung mit offensiver Kombination aus druckvollem Getrommel, unheilvollem Bläser-Gastspiel und dazu passendem Gitarrenpart.

 

Und so staunt man die meiste Zeit nicht schlecht, wenn sich Two Steps From Hell mühelos von epischer Aggressivität zu dezentem, verspieltem Piano-Einsatz und dann wieder zu stimmungsvollem weiblichem Gesang bewegen. Während aber diese Abwechslung im Albumkontext sicher kein Fehler ist, ist es noch eher der Variantenreichtum innerhalb einzelner Stücke, der oft beeindruckt. Am besten sind die Tracks meist, wenn sie von Beginn weg 'Klartext sprechen', ihren epischen Klang gleich preisgeben, aber unerwartete Stilbrüche, wie die lauten Streicherparts in Nero und Caradhras, die auf äußerst dezent instrumentierte Minuten folgen, die können sehr viel. Ich komm' aber nicht davon ab, Archangel, Strength Of A Thousand Men oder Army Of Justice sind in ihrer relativ - in diesem Kontext wirklich relativ - geradlinigen Art jede Sekunde wert und zeigen Verbesserungspotenzial, wenn überhaupt, nur im Detail auf.

 

Andere gehen genau damit eher hausieren. Vor allem das Duo Unexplained Forces und Magic Of Love verhagelt eine mächtige erste Hälfte doch noch etwas. Zum einen ist es fehlender Druck, der eine Mischung aus den angesprochenen Atlantis und Archangel zum faden Abklatsch macht, zum anderen eine unheimliche Anhäufung an Kitsch, die in, na klar, Magic Of Love auch in rein instrumenteller Form auf einen wartet. Und auch das Duo What's Happened To Me und Aesir ist nicht auf Standardniveau, was diese LP anbelangt. Beide wirken als Beinahe-Abschluss eher abgenutzt, vor allem Aesir ist mit seinen fast fünf Minuten gegen Ende ein hart zu verdauender Brocken, wirkt kaum enden wollend.

 

Wenn das aber die Ausbeute an Schwachstellen sein soll, dann ist das kein Beinbruch. Nein, das reicht noch nicht einmal zur Prellung. Trotzdem gibt's noch ein paar kleinere Abstriche, die man in Kauf nehmen muss. Vor allem die Gitarreneinsätze, allesamt in etwas träger Härte, wirken selten sehr eindringlich. Nick Phoenix scheint darauf zu schwören, ist er doch für diesen Sound hauptverantwortlich. Doch schon beim Erstauftritt, Destructo, ist man zwar Meilen davon entfernt, sich abschrecken zu lassen, aber auch einige Meter von großen Minuten. Ähnliches passiert den ruhigen, fast melancholischen Tracks, die wiederum fast ausnahmslos auf die Kappe von Bergersen gehen. Dort wirkt die Musik fraglos anziehend, letztlich aber doch zu defensiv, um wirklich fesselnd zu sein. Umso beeindruckender, dass man trotz dieser unweigerlichen Schwachstellen nie einen schwachen Track entdeckt. Denn auch wenn die Perfektion nach der ersten Viertelstunde außer Reichweite gerät, muss sich fast nichts mit dem Mittelmaß begnügen.

 

Sprich: Was hier als vermeintlich unterdurchschnittlich herauszufiltern ist, kann noch immer Qualität für sich beanspruchen. Da verstehen also zwei mit Sicherheit ihr Handwerk. Two Steps From Hell bieten auf "Archangel" eine oft genug fesselnde musikalische Darbietung in epischer, möglicherweise auch etwas zu langer, Form, deren Erfolg als Trailerbeschallung nur zu gut zu verstehen ist. Nicht immer scheint alles perfekt ausbalanciert oder ähnlich anziehend wie der makellose Beginn, doch am Ende des Tages sitzt man vor tollen 26 Stücken, die in all ihrer Kürze doch allumfassend zu gefallen wissen.

 


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