Three For Silver - Red Moon

 

Red Moon

 

Three For Silver

Veröffentlichungsdatum: 10.04.2020

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 05.04.2020


Düsterer Folk, konstruiert aus verführerisch unorthodoxen Sounds ohne Flächenwirkung.

 

Man muss seinen eigenen Weg gehen! Sagen zumindest fast alle. Und da ist schon einiges dran. Die gemeine Sardine hat zum Beispiel als radikale Form des Schwarmwesens zwar den vordergründigen Schutz der Masse auf ihrer Seite, wenn es darum geht, nicht gefressen zu werden. Verspeist wird sie aber mit hoher Sicherheit trotzdem irgendwann und bis dahin hat sie nicht viel mehr gemacht als zwischen zigtausenden Artgenossen dahinzuschwimmen und immerzu darauf zu achten, wo sich die hinbewegen. Da stellt sich schon einmal die Sinnfrage, wenn man kognitiv mehr kann als eine Sardine. Insofern lohnt es sich wohl für all jene, die etwas weniger bedrohliche Fressfeinde haben, wie das bei uns der Fall ist, ein bisschen die Eigenverantwortung, die Selbstentfaltung und das selbstständige Denken und Ergründen zu üben. Auch musikalisch kann einen das eher zur Erleuchtung bringen als das Hinterherschwimmen hinter den künstlerischen Massenphänomenen. Oder es führt einen auf einen Holzweg, ohne dass man es merkt. Die Grenzen zwischen beidem sind fließend und verschwimmen oft, sodass man manchmal nicht so genau sagen kann, in welche Richtung es gerade geht. "Red Moon" ist einer dieser Fälle, bei dem der Mut zur Eigenheit die Genialität und wirkungslose Fehlversuche fast gleichberechtigt nebeneinander existieren lässt.

 

Die dahinterstehende Band, Three For Silver, kennt auf alle Fälle den künstlerischen Eigensinn und den Willen zur freien Entfaltung als Gegenstück zur Unterordnung unter kreative Einschränkungen. Deswegen tingelt man ohne Manager oder Label durch die Bars, Clubs und andere Lokalitäten dieser Welt und reißt, so gut es geht, die Wände ein. Das allein ist schon mutig genug, in Kombination mit einem kernig grölenden Frontmann wie Lucas Warford und einer wahrlich ungewöhnlichen musikalischen Ausstattung wird es das aber umso mehr. Die aus Portland stammende Band zelebriert eine eigene Form des Folk, eine düstere, aber lebhafte, die folkloristisches Liedgut über Tod, Verderben und den Teufel in Erinnerung ruft. Und sie paart das mit einer Musik, die ein bisschen funkig, ein bisschen punkig, dabei aber trotzdem ohne nennenswerte Gitarreneinsätze daherkommt. Das ist reichlich merkwürdig, zündet aber schon sehr ordentlich, wenn Tempo und Energielevel wie beim Opener Born To Trouble sehr stimmig sind. Die störrisch-kantige Melange aus Walfords Bass, den konträr gelagerten Stimme von ihm und Kollegin Willo Sertain, deren Akkordeon, den Streichereinlagen von Greg Allison, pfundigen Drums kann schon einiges. Zumindest in den Fällen, in denen man sich inmitten eines Trinkgelages wähnt und die zwar so gar nicht melodieseligen, aber dann doch zum Mitsingen einladenden Doom-Wirtshausgesänge der Band mit dem nötigen Nachdruck daherkommen.

 

Im Verlauf einer reichlich kurzen, gerade mal 25 Minuten überdauernden LP passiert das aber nicht so oft, als dass man wirklich lange in Feierstimmung wäre. Sertains Leadparts im Titeltrack und im orientalisch angehauchten Yati Fumaro Kokaini führen einen in gesitteteres Terrain, nehmen damit den Songs aber auch ihre verschrobene Würze, indem sie Walfords energische, aufopferungsvoll lautstarke Gesänge eliminieren. Stattdessen verlässt man sich auf die durchaus elaborierten Arrangements, die verdammt viel aus der eigentlich relativ spärlichen instrumentalen Ausstattung machen. Blöd ist nur, dass das auch hier noch eher merkwürdig daherkommt und dementsprechend zwar Interesse weckt, aber an tatsächlich atmosphärisches Liedgut nicht herankommt. Gerade Red Moon ist mit Sertains glasklarem Gesang auf der Suche nach der richtigen Mischung der drückend-düsteren Szenerie und dem Gesang, um daraus etwas Packendes und womöglich auch Gefühle Hervorrufendes zu machen. Stattdessen driftet ein gut zusammengebastelter und stark gesungener Song trotzdem etwas an einem vorbei, weil sich das erratische instrumentale Gewand wenig mit den harmonischen Einlagen der Sängerin verträgt.

Wer nun glauben will, dass Walfords Charakterstimme wirklich das ist, was die Band zu Höherem beflügelt, der irrt jedoch genauso. Rum & Milk stolpert zäh dahin und kann mit einem dermaßen störrischen Arrangement aufwarten, dass jeder neue Klang und jedes wiederkehrende Aufwallen der Instrumente latent out of place und ungemütlich klingt. Kill/Devil mag dem entgehen, nimmt mit der düster brodelnden Doom-Szenerie aber eher schon unfreiwillig komische Züge an, weil man den teuflischen Sound und Walfords tiefes Grölen schon kaum ernstnehmen kann, schon im Opener anders kennengelernt hat und aber dieser Track trotzdem ein bisschen zu ernst gemeint scheint, als dass damit was anzufangen wäre.

 

Es ist also ein ziemliches Dilemma, weil viele der Grundzutaten stimmen, die Band diese aber zu selten in einer Form verarbeitet, dass man wirklich etwas damit anfangen könnte. Das liegt daran, dass ihnen schon etwas an einer gewissen stilistischen Abwechslung gelegen sein mag, aber ausschließlich der vom Funk geküsste, energischere Teil ins Schwarze trifft, während Sertains Auftritte rein klanglich stark sind, aber mäßige Anziehungskraft entfalten und der spärliche Rest überhaupt neben der Spur erscheint. So reduziert sich unter eh nur sieben Songs das, wofür es sich wirklich zuzuhören lohnt, auf einen kraftvollen Dreierpack. Den findet man aufgeteilt auf den vielversprechenden Anfang und einen Abschluss, der dann einiges wiedergutmachen muss. Oh! My Soul und vor allem Blow Wind Blow gelingt das eindrucksvoll. Oh! My Soul hat das einem chaotischen Ganzen zu verdanken, in dem sich die Sounds im Sekundentakt gelungen ablösen. Blow Wind Blow wird jedoch zum finalen Höhepunkt, der seine erratischen Einlagen im rhythmischen Bereich und damit großartig dahingaloppierende Parts mit von Walford und Sertain gemeinsam gesungenen Ruhephasen konterkariert, in denen die dominanten Streicher für einen komplett unerwarteten, dramatischen Klang sorgen.

 

So kann es gehen. Passiert auf "Red Moon" aber relativ selten, was einerseits an der überschaubaren Anzahl an Songs liegt, andererseits aber mit zu vielen wirkungslosen und fehlgeleitet wirkenden Minuten zu tun hat. Das ändert jetzt nichts daran, dass Three For Silver durchgehend beweisen, dass sie mit ihren Instrumenten umzugehen und diese zu arrangieren wissen. Die eingebauten stilistischen Abzweigungen bringen einem aber Abwechslung, nach der man gar nicht gefragt hat und die mitunter jegliches Momentum und jegliche atmosphärische Stärke vermissen lässt. Deswegen wird es ein bisschen ein Kampf darum, einen mit einem gelungenen Start und dem noch überzeugenderen Abschluss soweit mit den dazwischen an einem vorbeiziehenden Tracks zu versöhnen, dass doch noch etwas Gutes dabei herausschaut. In Maßen gelingt das, weil man der Stärke dieser unorthodoxen Kombo nicht entgehen kann, wenn sie ihrer Energie freien Lauf lässt und damit spürbar macht, warum die Band als glänzender Live-Act gilt. Es wäre aber nichts dagegen einzuwenden, würde man das noch öfter mitbekommen.

 

Anspiel-Tipps:

- Born To Trouble

- Oh! My Soul

- Blow Wind Blow


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