The Byrds - The Notorious Byrd Brothers

 

The Notorious Byrd Brothers

 

The Byrds

Veröffentlichungsdatum: 15.01.1968

 

Rating: 9.5 / 10

von Mathias Haden, 25.05.2014


Das erste 68er-Meisterstück der Vögel überzeugt trotz Gegenwind auf beinahe jeder Ebene.

 

Ahhhh... die Byrds! Wieder einmal so eine Band, über die alles gesagt scheint und die an die sonnigen und unbeschwerten Sechziger erinnert. Über den Einfluss der Vögelchen muss ich jetzt im Prinzip genauso wenige Worte verlieren wie über den Umstand, dass die Byrds hier in Europa abseits von Kritikern und Musikliebhabern viel zu wenig Resonanz erfahren. Zumindest im Gegensatz zu den Beatles oder den Rolling Stones, denen sie in ihrer Hochphase mehr als Paroli bieten konnten. Zum Einstieg in den Katalog nehme ich mich eines ganz besonderen Stücks an, der fünften LP namens The Notorious Byrd Brothers.

Viel war passiert in der kurzen Zeitspanne zwischen den ersten Erfolgen mit ihrer Interpretation von Dylans Mr. Tambourine Man 1965 und den Arbeiten zur besprochenen LP, die im Sommer 1967 begannen und das Anfang des folgenden Jahres in die Läden kam. Mit Gene Clark verließ die Band ihr fähigster Mann und trotzdem folgten weitere kreative Meisterwerke. Im besagten Sommer bestand die Gruppe nun aus Roger (vormals Jim) McGuinn, Chris Hillman, Michael Clarke und David Crosby. Für letztere zwei sollte es der finale Beitrag für einige Jahre bleiben.

 

Dem fertigen Album merkt man die internen Differenzen jedenfalls überhaupt nicht an. Eine Glanzleistung, die soviel über das kreative Vermögen und die Professionalität der Gruppe aussagt. Zuerst musste jedenfalls David Crosby den Hut ziehen, nachdem ihm der Erfolg immer mehr zu Kopf gestiegen war und er vermehrt den Zampano raushängen ließ und so den ständigen Unruheherd mimte. Unter anderem Stoff der Diskussionen war die Inkludierung der Goffin/King Komposition Goin' Back, die seinem eigenen Stück Triad vorgezogen wurde. Crosbys Kreation in Ehren - aber die favorisierte Cover-Version hält alles bereit, was einen klassischen Byrds-Song ausmacht. Zum einen die signifikante 12-String Rickenbacker, zum anderen der schöne Harmoniegesang - ein weiterer melodischer Hit ward geboren. Während der Aufnahmen kam der Band auch noch besagter Drummer Michael Clarke abhanden, aus dem Quartett war in kürzester Zeit ein Duo geworden.

 

Stilistisch knüpft The Notorious Byrd Brothers nahtlos an Vorgänger Younger Than Yesterday an und bietet einen weiteren eklektischen Mix. Der Space-Rock der vorigen zwei LPs wurde in Form vom zu jener Zeit futuristischen Space Odyssey (mit brandaktuellen Moog-Synthesizer) weitergeführt, dazu natürlich wieder viel vom kennzeichnenden elektrischen Folk der Anfangsjahre und ein paar neuerliche Schwenker zum aufsteigenden Country-Rock, dem sich die Byrds im folgenden Jahr noch ausführlich widmen sollten. Vom ersten Song hat man das Gefühl, dass sich die Amerikaner weiter entwickelt haben, was sich auch in den Texten wiederspiegelt. Crosbys Draft Morning reflektiert die Schrecken des Vietnam-Krieges, Opener Artificial Energy, mit hübscher Bläsersektion augmentiert, erzählt die finstere Geschichte eines drogensüchtigen Mörders und der Titel des spirituellen Change Is Now erklärt sich mehr oder weniger selbst. Die Songs fließen anders als zuvor richtig ineinander, wirken trotz unterschiedlicher musikalischer Zielrichtungen und Thematiken wie zusammenhängende Stücke. Zudem stellte Produzent Gary Usher das gewünschte, anno '68 seiner Zeit noch enteilende Equipment bereit, mit dem sich Hillman und Konsorten ordentlich austoben konnten.

Warum die fünfte LP gemeinsam mit dem im selben Jahr veröffentlichten Sweetheart of the Rodeo zum stärksten gehört, was die Byrds, die ohnehin keine richtig schwache LP vorweisen können, ist schnell erklärt. Unter den 11 Tracks, die es aufs Album geschafft haben, ist kein Schwachpunkt auszumachen. Das zweite Goffin/King Cover, Wasn't Born To Follow, das man aus 'Easy Rider' kennen sollte, fließt im Byrds-typischen Jangle-Pop, erhält durch Clarence White als Gast an der Pedal Steel Guitar einen markanten Country-Einfluss und verliert sich mittendrin noch in einem mit Phasern manipulierten Gitarren-Gedröhne. Klingt mühsam, ist es aber keineswegs. Und dann noch dieser eingängige Text, gleichzeitig romantisch aber auch lebensklug, das mit den schönen Zeilen endet:

 

"I will watch her dive beneath

The white cascading waters

She may beg she may plead

She may argue with her logic

And then mention all the things I'll lose

That really have no value

In the end she will surely know

I wasn't born to follow"

 

Weitere vom Country & Western beeinflusste Stücke umfassen den flotten und ebenso traurigen Country-Rocker Old John Robertson und das von Gene Clark, der für stolze drei Wochen wieder Teil der Band wurde und sich kurz darauf wieder aus dem Staub machte, mitverfasste Get To You.

Der Rest steht diesen in nichts nach, McGuinn und Co. geben sich erneut als großartige Songwriter und brillante Musiker. Das beweisen nicht nur die durchwegs starken Harmoniegesänge wie beispielsweise in der famosen Crosby-Komposition Tribal Gathering, das sich, ähnlich wie vorhin beschrieben, während der Bridge in einen kraftvollen Rocker übergeht. Alles wirkt gut durchdacht und liebevoll zusammengeschustert.

 

Mit 28 Minuten ist die LP auch gewohnt kurz geraten. Viel länger muss sie aber nicht sein, um schon mehr auszusagen als so manches Doppelalbum. Trotz aufschäumender Querelen im Bandlager liefern die Byrds ein wunderbar homogenes Gesamtwerk ab, dem man den pfeifenden Gegenwind in keiner Sekunde anmerkt. Und auch wenn man sich nach dem Genießen der Platte zunächst einem minutenlangen zufriedenen Schweigen hingibt, muss man nach der allmählichen Wiederankunft in der Realität doch kapitulierend feststellen: Irgendetwas fehlt da noch zur Höchstpunktzahl, aber was? Nicht jeder Track schöpft nämlich zu hundert Prozent sein Potenzial aus, somit geht es sich dann nicht aus. Besonders dann nicht, wenn man auf der Visitenkarte noch ein Sweetheart of the Rodeo stehen hat...

Also auf und sattelt die Pferde! Yeehaw!

 


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