Thomas Newman - American Beauty

 

American Beauty

 

Thomas Newman

Veröffentlichungsdatum: 05.10.1999

 

Rating: 7.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 26.07.2019


Überzeugend ausgefallene Instrumentenwahl, aber mit Schwächen im Abschluss.

 

Beinahe komplett losgelöst von der Frage, ob man den Film nun in das Pantheon cineastischer Großartigkeit aufnehmen will, kann man zu dem Urteil kommen, dass "American Beauty" auf seine ganz eigene Art schräg ist. Es ist ein merkwürdiges Maß an Überzeichnung und bissigem Sarkasmus, das die potenziell relativ dramatische Geschichte rund um Familie Burnham und deren nicht überstandener Zerreißprobe inmitten mehrerer Mid-Life-Crises und pubertärer Isolation ausmacht. Natürlich lange nicht so absurd wie ein Film von Monty Python und trotz teilweise ähnlicher Themen auch nicht annähernd so der Wirklichkeit entrückt wie zum Beispiel "Edward Scissorhands", aber eben doch in jeder Minute sehr...eigen. Das ist allerdings auch zu erwarten, wenn das offensichtliche Ziel die Überzeichnung buchstäblich jeder einzelnen Figur innerhalb dieser oberflächlich so wunderbar normalen und geordneten Vorstadtwelt ist. Da werden dann schon einmal fliegende Plastiksackerl gefilmt - übrigens aufgrund einschlägiger Produktverbote zumindest in Europa ein Ding der Vergangenheit - oder der Jobwechsel hin zum Fast-Food-Mitarbeiter lässt eine Affäre am Drive In auffliegen. Im Lichte all dessen hätte Thomas Newman die Möglichkeit gehabt, sich an dieser Absurdität zu beteiligen. Was er dagegen bietet, ist klangliche Zurückhaltung mit dem nötigen eigenwilligen Fundament.

 

Und das Fundament im Falle eines Soundtracks kann ja, unter der Voraussetzung, dass er wie hier ohne Gesang auskommt, nur auf zwei Ebenen entstehen: Auf der kompositorischen oder der instrumentellen. Und während Newman nicht unbedingt langweilig komponiert, ist es definitiv eine exzentrische Wahl an Instrumenten, die umgehend heraussticht. Begnügen sich andere, insbesondere in den Weiten Hollywoods, mit einem voluminösen Orchester, spart sich der US-Amerikaner im Gegensatz dazu zwar Personal, lässt dieses aber dafür am Vibraphon, der Dulcimer, an der Pedal Steel Guitar, dem Banjo, der Ukulele, der Tabla und so manch anderem werken. Das ergibt eine Mischung, die auf so ziemlich keiner theoretischen Ebene stimmig wirkt, es in der Praxis aber dann doch ist. Nicht umsonst ist allein der minimalistische Beginn von Dead Already mit den einleitenden Schlägen am Vibraphon legendär. Die Großartigkeit dieser Eröffnung bedingt allerdings einer schnell einsetzenden klanglichen Vielfältigkeit, zu der die Tabla genauso gehört wie die Dulcimer und einer Percussion-Vielfalt, die gar keine genaue Zuordnung erlaubt. Das ergibt ein wunderbares Paradoxon, nämlich reichhaltigen Minimalismus.

 

Dieser ergibt sich daraus, dass Newman melodisch zwar mitunter Verführerisches anzubieten hat, aber nicht unbedingt sonderlich auf Abwechslung setzt. Parallel zur Absurdität des Films bedeutet das hier, dass das nicht annähernd so dem Abwechslungsreichtum entrückt ist wie Arbeiten von Philip Glass. Aber die Monotonie ist definitiv ein probates Stilmittel für ihn, der seine Kompositionen oft genug auf der Wiederholung kurzer Percussion-Passagen aufbaut. Daran ist, wie erwähnt, nicht viel auszusetzen, weil Newman gleichzeitig Gefühl dafür beweist, sein durchaus weitläufiges Instrumentenarsenal zu arrangieren. So geschehen in Bloodless Freak, das die Dominanz von Tabla und Vibraphon durch das Klavier aufbricht, oder auch in Choking The Bishop, dessen großartiges Gezupfe zur Abwechslung auch mit minimalistischem Einsatz elektronischer Musik verstärkt wird.

Natürlich sind diese reichhaltigeren Stücke eine Lebensader für den Soundtrack, was sich einerseits schlicht und einfach durch deren Qualität begründen lässt, andererseits aber auch, weil sie nicht gar so oft vorkommen. Das kurze Root Beer könnte man noch dazuzählen, nachdem es immerhin wirkt, als wäre es mit dem Soundtrack zu "Suspiria" im Hinterkopf komponiert worden. Da erhält dann die Spannung plötzlich eine unheimliche Qualität, wenn im Hintergrund zum erratischen Trommeln und der Steel Guitar noch ein bisschen nach Kreischen klingende Synthesizer zum Einsatz kommen. Wer das Kontrastprogramm dazu möchte, fokussiert sich auf Lunch With The King, wo er helles Geklimper an den schwarzen und weißen Tasten bekommt, auch wenn sich das nur moderat mit den Saiteninstrumenten und der Percussion der Wahl verträgt.

 

Generell besser klingt es da, wenn sich Newman auf etwas besinnt, was dem dazugehörigen Film im ersten Moment kaum stehen sollte. Nämlich herkömmliche, gefühlsbetonte Dramatik. Dass die aber vor allem dann gelingt, wenn sie in relativ zerbrechlicher Form dargebracht wird, beweisen die klavierlastigen American Beauty und Angela Undress. Während da so nebenbei am deutlichsten klar wird, dass schon auch Streicher am Soundtrack beteiligt waren, wenn auch nicht wahnsinnig viele, ist das hauptsächlich ein Sieg der Arbeit am Piano. Da wird auch nicht wahnsinnig in die Tasten gehaut, sondern stattdessen dezent musiziert, sodass man insbesondere bei Angela Undress mehr Emotion verspürt als im gesamten übrigen Soundtrack.

 

Insofern ist das eine etwas unterrepräsentierte Seite unter den 19 Tracks, wobei relativierend einzuwenden ist, dass das beim dazugehörigen Film nicht wahnsinnig überrascht. Vielleicht ist da aber dann auch der Kardinalsfehler eines gelungenen und vor allem sehr konstanten Soundtracks zu suchen, nämlich dass er nach der brillanten Eröffnung nicht wirklich oder zumindest zu selten zu seinen Höhepunkten findet. Dafür ist die Arbeit des US-Amerikaners etwas zu zurückhaltend und auf Spannungsaufbau bedacht. Nur muss man eingestehen, dass dieser Spannungsaufbau nur sporadisch gelingt und zum anderen entlädt sich die Spannung dann eben nie. Auf einer gewissen Ebene ist das einer der sympathischen Züge des Scores, dass er sich vom aufgeblasenen, theatralischen Klimax fernhält. Andererseits fehlt der Musik zu "American Beauty" aus offensichtlichen und verständlichen Gründen jeder Zugang zu etwas Meditativem oder Kontemplativem, das ruhige Monotonie in der Hinsicht rechtfertigen würde. Und so bleibt einem dann etwas, was ohne jeden Zweifel starke Arbeit ist, aber dann doch eine Enttäuschung bereithält. Doch positiv denkender Mensch, der ich nun einmal bin, sei hier zum Abschluss das zu drei Viertel volle Glas im Fokus, das dieser Soundtrack nun einmal ist. Insofern: Chapeau Thomas Newman, so einiges richtig gemacht.

 


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