Sofa Surfers - Cargo

 

Cargo

 

Sofa Surfers

Veröffentlichungsdatum: 10.05.1999

 

Rating: 7 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 09.05.2015


Fokussierte Drum-Manie und düstere Elektronikspielereien geben sich ein lohnendes Stelldichein.

 

Es mutet etwas komisch an, dass Österreich bei aller musikalischen Bedeutungslosigkeit am weltweiten Parkett gerade im Elektronik-Bereich eine kleine Insel der Seligen geworden ist. Eine wirklich kleine, allen voran mit drei 'Bewohnern'. Doch die haben es in sich, vereinen sie doch in Form des Trip-Hop- und Downbeat-Duos Kruder & Dorfmeister, dem umjubelten Ambient-Experimentator Fennesz und dem vor Kreativität sprudelnden Kollektiv der Sofa Surfers alles soweit Nötige. Nun haben letztere der ehemaligen musikalischen Heimat zunehmend abgeschworen, sind zu atmosphärischen Elektronik-Rockern mutiert. Doch die Anfänge bleiben dem Liebhaber kreativer Synthetik allemal. Deswegen geht es auch ganz, ganz weit zurück in beinahe steinzeitliche Gefilde, nämlich in das Jahr vor dem Jahr, das die Computer durchdrehen lassen sollte. Wir reisen zurück ins Annus 1999 und finden ein stimmungsvolles Etwas, genannt "Cargo".

 

Auf dem sich die damals noch als Quartett agierenden Sofa Surfers doch ordentlich vom Debüt zu distanzieren gedenken. Das nette Grundsetting konnte damals auf "Transit" nämlich nur bedingt verdecken, dass die ständigen Sound- und Stimmungswechsel nur ein Ausdruck chaotisch gesammelter Ideen und oft unfertiger Umsetzung waren. Damit ist Schluss, der Fokus steht im Fokus. Das Zweitwerk ist eine in sich geschlossene Einheit, die viel Aufhebens um das eigene Werken an den Drums macht. Die sind auch wahrlich stark eingespielt, bieten Loops, die mal ausdauernd zurückgelehnt sind, dann wieder mächtig Antrieb bieten, durch die gute Arbeit an den Becken und das sympathische Tempo aber fast immer gewinnenden Eindruck machen. So schon zu Beginn, wenn in Beans & Rice das Schlagzeug anreißt und die atmosphärischen Bass- und Computer-Sounds dominiert. Ein stimmlich eher fragwürdiger Ausflug in dezent arabische Gefilde vergellt einem zwischendurch das Zuhören eher, doch der richtige Weg ist ohne Zweifel eingeschlagen.

 

In der Folge weiß man aber kurz nicht, ob man sich am lahmenden Tempo vom Breakbeat-Stück Container und dem folgenden The Low Rider wirklich ergötzen soll oder doch eher leichte Fadesse angesagt wäre. Beides, wäre wohl die Antwort, weil ersterer mit seinen stark eingebauten Sound-Loops in Industrial-Nähe für eine karge Kälte der besseren Art sorgt, der Beat zudem auf wundersame Art eher besser als schlechter wird. The Low Rider geht's auch dank eines kurzen, überambitionierten Ausbruchs mittendrin weniger gut, es krankt im Getriebe.

 

Erst dann findet man in wirklich großartiger Manier in die Spur. Angeführt vom unheilvollen Instrumental Latal In Tampere ergießt sich eine ganz ordentliche Palette atmosphärischer Breakbeat-Momente vor einem. Bei dem Song führt das dazu, dass mit abgehackten Streicher-Klängen, hallendem Echo und unterschwellig röhrender Elektronik allerlei Stimmung aufgebaut wird, sodass auch die knapp sechs Minuten nicht zum Hindernis werden. Dazu kommt der fantastische Auftritt von Victor Oshioke, dessen Spoken Word-Beitrag zu If It Were Not For You für dezent apokalyptische Anwandlungen sorgt, die in dem Satz "If it were not for you ... in the world we live in today ... perhaps ... I would long be gone" gipfeln. Die Stimmung ist durchwegs keine fröhliche, die dynamischen Drums lassen in aller Bescheidenheit den Versuch bleiben, zu viel Leben in die karge Szenerie zu bringen und diese damit ihrer Wirkung zu berauben. Stattdessen lassen leichte Kontrabass-ähnliche Klänge mit den dezenten Becken ein bisschen Jazz anklingen, die spärlichen wirklich elektronischen Zusätze tun ihr Übriges. Verstärkt wird der ausnahmslos starke Mittelteil noch einerseits durch die basslastige Nummer I Asked For Water, die mit ihren präzise zusammengemischten Soundschnipseln tatsächlich dem Titel gerecht wird, wie auch immer das in einem wortlosen Song dieser Art gehen kann. Andererseits aber durch die fast fröhlichen Minuten von Long Bone, die mit ihrem abgehackten, trockenen Beat und dem hohlen Sound der vielfältigen Percussion schnell Boden gutmachen.

 

Erst dann verliert man sich wieder etwas, vor allem mit der Pseudo-Orientalik im unorthodoxen Yoyogi Uehara, das so nicht und nicht in das Album hineinpassen will und in seiner Verschrobenheit zu sehr an manch Experiment des Debüts erinnert. Was weniger ausmacht, weil das Finale zwei völlig konträre, in beiden Fällen aber lohnende Momente bereithält. Das manisch-aggressive Raffinerie wartet hinter den umtriebigen Drums mit einer lange effektiv klaffenden Leere auf, die nur durch kratzige Synthie-Sounds und allein gelassene Keyboard-Noten ausgefüllt wird, später in ein energetisches Soundgewirr mündet. Dagegen ist der Reggae-artige Abschluss Sweat eine ruhige Geschichte, die dank einem erneut auftretenden Oshioke und eines präzisen Soundmixes gewinnender Natur ist.

 

Wie auch das Album im Gesamten. Was den Österreichern eindeutig abgeht, ist der Schritt nach ganz oben, der trotz aller Atmosphäre und Präzision nie ganz gelingt. Stattdessen ist es ein qualitativ hochwertiger, konstanter Ritt durch jazzige Breakbeat-Elektronik, wenn auch ohne vollends glänzende Momente. Braucht es nur bedingt, denn die drückende Schwere, die das Album oft genug vermittelt, macht einiges her. Ein eindeutiges Upgrade ist den Sofa Surfers seit dem Debüt also mit Sicherheit gelungen, die Welt auf der heimischen Insel der Seligen ist eine ziemliche heile, die Türen für mögliche Großtaten stehen weit offen.

 


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