Natalie Prass - Natalie Prass

 

Natalie Prass

 

Natalie Prass

Veröffentlichungsdatum: 27.01.2015

 

Rating: 6.5 / 10

von Mathias Haden, 06.07.2016


Verspäteter Einstieg, der zwischen Anleihen aus Pop, Soul und Jazz durchaus zu gefallen weiß.

 

Wer in Zeiten unsicherer Wertanlagen, bizarrer EM-Helden und sogar erratischen Wetterverläufen mal wieder einen risikobefreiten Tipp abgeben möchte, dem sei geraten, im nächsten Wettbüro darauf zu wetten, dass sich auch im nächsten Jahr so manche Dame aus dem Nichts in die Bestenlisten der Kritiker schmuggelt. Tatsächlich gehört es für die Damen aus Folk, Pop oder Punk mittlerweile zum guten Ton, in sehr regelmäßigen Abständen aus dem Boden zu sprießen. Einer der Shootingstars des letzten Jahres war die Singer-Songwriterin Natalie Prass aus Richmond, Virginia. Als die ihr selbstbetiteltes Debütalbum auf dem winzigen Indie-Label Spacebomb veröffentlichte, war sie bereits knappe 30 (mittlerweile hat sie diese Marke geknackt) und wird dem Titel Shootingstar damit vielleicht nicht so ganz gerecht. Einerseits hatte die Amerikanerin zum einen schon zwei EPs in petto, andererseits war ihr Erstwerk bereits 2012 fertig im Kasten. Umso bemerkenswerter, wie ungezügelt die Internetportale tobten und wie laut die Kritiker schließlich mit ihren Zungen schnalzten, als die im unaufhaltsam voran schnellenden Popzirkus ja fast schon antiquierte Platte endlich das Licht der Welt erblickte.

 

Und siehe da, fast möchte man in den Tenor einstimmen, hört man erst die einleitenden beiden Stücke My Baby Don't Understand Me und Bird Of Prey. Wie sich hier jeweils unaufdringliche Streicher mit erfrischenden Bläsern und einem unaufgeregten Drumbeat die Waage halten und Prass - Verzeihung, aber hier passt die Bezeichnung bestens - lieblicher Gesang dem Ganzen die zeitlose Schönheit verpasst, die ein drei Jahre altes Album nun einmal braucht, um in der harten Popwelt eine Chance zu haben. Nicht unwesentlich beteiligt an der Güte der Aufnahmen ist ihr Busenfreund aus Kindestagen, Matthew E. White, seineszeichen Songwriter, Musiker, Produzent und Labelchef von Spacebomb, mit dem sie die LP quasi im kreativen Alleingang aufgenommen hatte. Und diese Kollaboration fruchtet augenscheinlich, was sich in schonend zurückhaltenden Arrangements ausdrückt und wie oben bereits geschildert das Kunststück zuwege bringt, Streicher im Popkontext nicht zu reißerisch klingen zu lassen. Ein weiteres Beispiel dafür ist neben dem melodiösen Chamber-Pop-Nümmerchen Never Over You vor allem Your Fool, das sich zu einem wohlklingen Konglomerat aus lässigen Percussions und charmierend eleganten Klängen aus der von White installierten Hornsektion vermengt und Prass zu einer unliebsamen Erkenntnis geleitet:

 

"Built this new life before me
But you fill up my memory
And they haunt me like memories often do
And they tell me I'll always be your fool
Oh, I guess I'll always be your fool"

 

Leider verfügt auch Kumpel White nicht über genug Chuzpe, um die eine oder andere Schnapsidee abzuwenden. Denn anders kann man die Entscheidung, eine verlängerte (!), alternative Version vom für sich genommen ja schönen Your Fool als Reprise betitelt noch einmal unter die ohnehin nur neun Songs leichte Tracklist zu mischen, nicht nennen. Zum einen ist der Einstieg im jazzig angehauchten musikalischen Gewand zwar durchaus ein erquicklicher, als aber schließlich klar wird, dass es sich bei dem Track um ein zwischen Sprechgesang und nicht besonders songdienlichen Handclaps verlorenes Duplikat handelt, ist die Freude schnell wieder verflogen. Bitter auch, dass direkt im Anschluss mit Closer Is Is You und kitschigen Streichern eines dieser verträumt naiven Prinzessinnenliedchen folgt, für das sich Walt Disney längst ein Patent hätte sichern müssen: "And the sun will sing its song / And the moon will always mellow / And each day as my life goes on / It has all been a ruin without you". Irgendwie ja süß, nicht? Da passt es nur nicht so recht ins Bild, dass mit dem fast düsteren Christy, das ihr wohl nicht ungerechtfertigt Vergleiche mit Joanna Newsom einbrachte, ein (einziges) Stück vertreten ist, auf dem sie ihre Rolle als sophisticated lady gegen eine triste Erzählerin eintauscht. Eine Rolle, die ihr zumindest an diesem frühen Punkt ihrer Karriere nicht so recht zu liegen scheint.

 

Ändert letztendlich aber wenig daran, dass Natalie Prass mit tatkräftiger Hilfe von Kumpel Matthew E. White ein Einstand geglückt ist, den man durchaus als gelungen bezeichnen könnte. Die Mischung aus Pop-Melodien, Anleihen aus Soul und Jazz und ihrem weder virtuosen, noch besonders einbrennenden, aber zum Gesamtbild passenden Gesang funktioniert über weite Strecken ganz gut und auch die Arrangements um Bläser und Streicher halten sich lange Zeit formidabel. Leider wird das Album nach sehr starkem Beginn rapide schwächer, während auch die vorher gelobten Strings ermüdend werden, was bei einer Gesamtlaufzeit von nicht einmal 40 Minuten durchaus negativ herausgehoben werden sollte. Von den besten Alben des vergangenen Jahres, als das es mancherorts gehandelt wird, ist Natalie Prass aber doch ein gutes Stück entfernt. Ein ordentlicher, unprätentiöser Spätstart bleibt aber - und auf den kann man gut und gerne mal drei Jahre warten. Auch wenn in der Zwischenzeit schon fünfzehn andere weibliche Senkrechtstarter ihr Glück versuchten.

 


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