Gram Parsons - Grievous Angel

 

Grievous Angel

 

Gram Parsons

Veröffentlichungsdatum: ??.01.1974

 

Rating: 10 / 10

von Mathias Haden, 29.10.2013


Gram Parsons' Magnum Opus berührt auch noch nach 40 Jahren, Cosmic American Music at it's peak!!

 

Nicht viele Musiker können nach einer kurzen, finanziell erfolglosen Karriere auf Lobpreisungen von Musikkritikern verschiedenster Sorte hoffen. Wäre da nicht diese Sache mit dem frühen Ableben einiger begnadeter Künstler. Vergebens die Anstrengungen, in Lebzeiten ein Millionenpublikum zu erreichen, nur um 40 Jahre später zu den wichtigsten und einflussreichsten ihrer Zeit gezählt zu werden. Eines dieser ehemals verkannten Genies ist Gram Parsons, den zwar außerhalb der Musikszene kaum Leute kennen, diese ihn aber sehr zu schätzen wissen. Mit seiner Vision, ein neues Genre, welches sich aus Countrymusik und Elementen von Rock, Blues und Folk zusammensetzt, zu etablieren, stürzte er sich in jungen Jahren in die große Welt der Musik. Diese Form von einem Country-Rock-Hybriden den er sich vorstellte, nannte er Cosmic American Music.

 

Nachdem er mit den Bands International Submarine Band, den Byrds und den Flying Burrito Brothers einflussreiche Alben aufnahm, versuchte er sich Anfang der 70er Jahre an einer Solokarriere. Nun ja, Solokarriere ist vermutlich der falsche Begriff. Nachdem ihm sein Byrds- und Burritoskollege Chris Hillman geraten hatte, die zu der Zeit völlig unbekannte Folksängerin Emmylou Harris anzurufen und zu gemeinsamen Aufnahmen einzuladen, entstand eine wundervolle musikalische Partnerschaft, die bis zu seinem Tod im September 1973 andauern sollte. Nebenbei wurden die beiden Duettpartner noch von Elvis Presleys Exband, der Hot Band begleitet.

 

Grievous Angel, Gram Parsons' zweites und letztes Soloalbum, das vier Monate nach seinem tragischen Tod durch eine Überdosis veröffentlicht wurde, stand eigentlich nie unter einem guten Stern. Nach einer mühsamen Tour wurde sofort wieder an einem Nachfolgewerk des im selben Jahr erschienen Solodebüts GP gearbeitet. Allerdings hatte Parsons zu dieser Zeit kaum geschriebene Kompositionen und so wurde wie meistens in seiner Karriere auf einige Countrystandards zurückgegriffen. Dazu gesellten sich ein paar Songs, die er bereits Jahre zuvor selbst verfasst hatte. Zwei neue und das 9 Stücke fassende Werk war vollendet.

 

Mit Return of the Grievous Angel beginnt das Album gleich mit einem der beiden neuen Songs, der retrospektiv vermutlich als Signatursong zu sehen ist. Im Prinzip kann man diesen allerdings nicht gänzlich Parsons zuschreiben. Der Großteil des Textes stammt von dem Poeten und Fan Thomas Brown, den er in einer Bar kennengelernt hatte. Dieses bezeichnende Beispiel der bereits erwähnten Cosmic American Music macht schon die halbe Miete. Sowohl die beiden Protagonisten Gram Parsons und Emmylou Harris als auch die Hot Band sind perfekt positioniert und schaffen hier wunderbarste Countrymusik in feinster Rockmanier.

Ähnlich verhält es sich mit Hearts on Fire, in dem sich die wunderbare Harmonie zwischen den beiden jungen Gesangstalenten so richtig entfalten kann. Der von Walter Egan geschriebene Song verdeutlicht das schon auf GP angedeutete tiefe Eindringen ins Countryterrain.

I Can't Dance (aus der Feder von Tom T. Hall) zeigt dann wieder die etwas rockigere Seite Parsons, die sich schon auf dem Big Mouth Blues des Vorgängers gezeigt hat. Neben seiner unsterblichen Liebe zur Countrymusik lässt er nie seine Zuneigungen zum Rock 'n' Roll unbemerkt.

 

Brass Buttons strahlt dafür eine andere Seite aus, die Parsons während seiner Zeit als wahrer Pionier verkörperte: eine verletzliche. Nicht unverständlich, hatte er doch abgesehen vom materiellen Wohlstand, der ihm aufgrund eines Fonds vergönnt war, ein recht tristes Leben (Ableben beider Elternteile in jungen Jahren). Nebenbei war dies einer der ersten Songs, die er geschrieben hat, und auch der einzige ohne die gesangliche Beteiligung seiner Seelenverwandten Emmylou Harris.

Das nächste Meisterwerk ist $1000 Dollar Wedding auf der 5, welches eine direkte melancholische Fortsetzung des Vorgängertracks liefert. Eine traurige und mitreißende Geschichte, erzählt vom Gründervater des Genres, dazu gemischt mit persönlichen Hintergründen. Geschrieben, aber unverständlicherweise nicht weiter bearbeitet, während der Spätphase als Oberhaupt der Flying Burrito Brothers, treibt es dem sensiblen Lauscher die eine oder andere Träne ins Auge.

 

Ein leichter Anflug von Skurrilität oder besser gesagt künstlerischer Extravaganz widerfährt mit Medley from Northern Quebec, welches aus zwei voneinander unabhängigen Titeln besteht. Einerseits aus dem Countrykracher Cash on the Barrelhead, welcher 1956 von den Louvin Brothers aufgenommen wurde, andererseits aus dem wunderbaren, bereits mit den Byrds auf der Sweetheart of the Rodeo LP veröffentlichten Hickory Wind, Parsons' erstem und vielleicht wichtigstem Meilenstein als Countryrockmusiker. Das Eigenartige bei der durchaus interessanten Idee ist, dass der Song, anders als der Titel vermuten ließe, keine echte Liveaufnahme ist, sondern ein im Studio mit tosendem Applaus einiger Freunde und nachträglich eingefügten Kneipengeräuschen aufgenommener Cut. Geniale und kreative Idee, und ebenso geniale Umsetzung.

 

Das Cover Love Hurts hält ebenso wie Hearts on Fire wieder genau die Stärken bereit, die Grievous Angel ausmachen: Sehr viel Gefühl und die wunderbare Zusammenarbeit zweier Musiker, deren harmonischer Gesang zu einem phänomenalen Gesamtbild verschmelzen.

Ooh Las Vegas, noch von den Sessions zu GP übriggeblieben, weiß dann wieder mit etwas mehr Tempo zu überzeugen. Auch vom Text her ein bisschen urbaner als die countrylastigen Balladen, die den Großteil des Albums bilden und eigentlich den stärksten Kern des Albums darstellen. Nichtdestotrotz ein gelungener Track.

 

Den Schlusspunkt bildet das überirdische In My Hour of Darkness. Auf diesem macht Parsons alles richtig, was man als Musiker richtig machen kann. Die Hommage an seinen kürzlich verstorbenen Freund und heute als Genie bezeichneten Gitarristen Clarence White, bei dessen Beerdigung Parsons sich durchaus auffällig benommen hatte, deutet gleichzeitig seinen eigenen Abgang an. War es doch der Song, den er als letztes vor seinem tragischen Tod geschrieben hatte. All der Schmerz, der sich auf den vorigen Stücken gebündelt hat, findet hier seinen Höhepunkt und wird meisterhaft verarbeitet.

 

Grievous Angel bildet den Abgesang eines der größten musikalischen Genies, die je auf Gottes Erden wandeln durften. Alles, was Gram Parsons auf seinem Debüt GP schon richtig gemacht hatte, wurde hier perfektioniert. Mit seiner charismatischen Stimme, der immer besser werdenden Emmylou Harris und einer genialen Backingband wurde hier Musik von höchster Qualität geboten. Neben einem der besten Alben der Musikgeschichte wurde hier außerdem noch der Weg für eine aufstrebende Künstlerin geebnet, die man durchaus zu den besten Sängerinnen zählen darf, die das Vermächtnis Parsons und auch die Liebe zu ihm, bis heute in ihrem Herzen trägt. Apropos Gefühle: Schmerz, Liebe und Verzweiflung, etc. Das ist das worum sich Countrymusik doch letztlich dreht. Keiner hat dies je besser verstanden als jener Mann, der seine große Liebe und Rock 'n' Roll fusionieren wollte, und so die Musikrichtung schuf, die dieses Album als sein Magnum Opus präsentiert: Cosmic American Music.

 


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