David Bowie - Blackstar

 

Blackstar

 

David Bowie

Veröffentlichungsdatum: 10.01.2016

 

Rating: 7.5 / 10

von Mathias Haden, 12.01.2016


Exzellenter Schwanengesang des hellsten Sterns am Pop-Firmament - Rest in peace, David!

 

Der Tod, er kommt ungebeten, er kommt plötzlich. Er ist gnadenlos und nimmt auch jene mit sich, die wir am wenigsten entbehren wollten. Vorgestern hat er sich David Bowie geschnappt, eine Katastrophe, ein Schicksalsschlag. Nie hätte ich nur denken können, dass mich der Tod einer mir nicht nahestehenden Person so mitnehmen könnte. Aber eigentlich ist das kompletter Unsinn, denn wer stand mir schon näher, als dieser flamboyante Exzentriker, dieser visionäre Querdenker, dieser Held meiner, unserer aller Jugend und eigentlich jeder Phase des Lebens. Glaubt man seinem langjährigen Produzent und Kumpel Tony Visconti, waren Überraschung und Schock nicht für alle so ausgeprägt, die tiefe Trauer allerdings dieselbe: "He made Blackstar for us, his parting gift. I knew for a year this was the way it would be." 18 Monate habe er gegen den Krebs angekämpft und diese, seine letzte Schlacht schließlich verloren.

 

Besagtes 'parting gift', das letzten Freitag, nur zwei Tage vor seinem Tod am 10.01.2016 erschien, wird heute unter die pietätvolle Lupe genommen - wie nüchtern das möglich sein wird, wird sich noch herausstellen. Das erste, was direkt auffällt: Die Texte, die sich auf Blackstar, dem fünfundzwanzigsten Studioalbum Bowies, finden, bestätigen Viscontis Aussagen, wonach die Beteiligten schon länger Bescheid wussten. Hörte man die Platte die zwei Tage vor dem tragischen Ableben noch unbescholten und arglos - um Bowies Hang zu enigmatischen Lyrics wusste man ja immer Bescheid -, bekommen etliche Passagen nun ganz neue Bedeutungen. Allen voran Lazarus, auf dem Bowie schon eingangs verkündet:

 

"Look up here, I'm in heaven

I've got scars that can't be seen

I've got drama, can't be stolen

Everybody knows me now"

 

Nun macht einiges Sinn, trotzdem wäre man nie auf die absurde Idee gekommen, David Bowie könnte irgendwann nicht mehr da sein und sich nicht neu erfinden - mit Blackstar tut er dies ein letztes Mal. Und wie. So unkonventionell, wie man im Vorfeld lesen konnte, sind die sieben Tracks nicht geraten, dafür erweitern die besonders auf Seite A omnipräsenten Jazz-Einflüsse und die fantastischen Bläsereinsätze von Danny McCaslin seine weitreichende Karriere noch um ein paar letzte, frische Elemente. Das bereits erwähnte Lazarus vereint diese Neuerungen am besten, lässt zu einem unwiderstehlichen Groove verzerrte Gitarren und Saxophon aufspielen, bedeckt diese immer wieder mit flimmerenden Keyboard-Decken und punktet mit einem Sänger, der weiß, dass er nichts mehr zu verlieren hat. In dieselbe Kerbe schlägt das bereits im Vorjahr veröffentlichte, nun noch einmal überarbeitete und um Nuancen weiter verbesserte 'Tis A Pity She Was A Whore, das im fruchtenden Zusammenspiel von McCaslins auf der LP wahrlich sensationellen Saxophon und der treibenden Rhythmusabteilung bestens funktioniert.

 

Auf der zweiten Seite besinnt sich das Pop-Chamäleon dann zurück auf diverse Elemente seiner langen, einflussreichen Karriere und lässt diese zusammenlaufen. Closer I Can’t Give Everything Away führt den Hörer an der Hand ins Jahr 1977, als er mit Low gerade den Synthesizer so richtig liebgewonnen hat, wird gemeinsam von ihm und Produzent Visconti in die Gegenwart geholt und erzeugt zum Abschluss noch einmal Gänsehaut: "Seeing more and feeling less / Saying no but meaning yes / This is all I ever meant / That's the message that I sent".

 

Natürlich läuft am finalen Weg nicht alles perfekt, fehlen Blackstar auf die epochalen Werke in Bowies Schaffen doch etliche Prozent. Schon der knapp 10-minütige Titeltrack zum Auftakt gibt sich eher schwerfällig, lässt sich trotz hübschem Aufbau mit in ihrer Stimmung auseinandergehenden Sequenzen und ordentlichen Zeilen nicht so recht in vollstem Ausmaß erschließen. Dazu wird Girl Love Me zum vermeintlichen Spielverderber der zweiten LP-Seite.

Alles im Rahmen freilich, aber nicht immer brillant und auf der Stufe von 'Tis A Pity She Was A Whore und Lazarus. Dafür hängt dem Album ein Spirit, eine besondere Atmosphäre an, die auch die schwächeren Momente problemlos kaschieren – dazu hat Tony Visconti wieder ganze Arbeit geleistet; spielen sich neben dem genug gelobten McCaslin auch der exzellente Jazz-Gitarrist Ben Monder und Jason Lindner an Piano, Keyboards und Orgel in den Fokus – ganz zu schweigen vom Protagonisten der finalen Show, der selbst am Sterbebett noch in der Lage ist, verdammt viel richtig zu machen.

 

Nach seinem respektablen Comeback 2013, das auf zehn Jahre abseits der Bildfläche folgte, ist es David Robert Jones alias David Bowie also wirklich gelungen, sich mit einem exzellenten Album von uns, seinen Fans, zu verabschieden und guten Gewissens in andere Sphären zu gleiten. Und immerhin schließt sich mit Blackstar auch der letzte Kreis, stellt der Schwanengesang des hellsten Sterns am Pop-Firmament doch für alle Zeit tatsächlich die beste LP seit Scary Monsters (And Super Creeps). Und nun verabschiede ich mich von diesem Ausnahmekünstler, dessen einmalige Präsenz immer über uns schweben, dessen weitreichende Einflüsse sich noch für Äonen in der Pop-Kultur vorfinden lassen werden. Danke David, danke für alles.

 


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