Jimi D. - Fisherman's Son

 

Fisherman's Son

 

Jimi D.

Veröffentlichungsdatum: 11.12.2009

 

Rating: 8.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 06.03.2015


Die Sonnenseite erreicht auch einmal Österreich. World Music der Marke Jimi D. sei Dank.

 

Man sagt uns Österreichern ja doch landauf, landab nach, wir wären nicht das glücklichste Völkchen. Wobei, nachsagen hat dann auch wieder so etwas von Programm gewordener Unwahrheit. Aber sieht man die Sache nüchtern, dann ist eben das Granteln wirklich so eine Art Volkssport. Und nein, nicht nur im morbiden, aus grauen Fassaden zusammengestückelten Wien, auch das weite Land, egal ob bergig oder doch Pannonische Tiefebene, es ist nicht gern glücklich. Vielleicht ist auch deswegen die Lebensfreude in der Musik hierzulande ein etwas selteneres Gut, Ausdünstungen schwarzen Humors und resignativer Belustigung stoßen da zumeist auf mehr Anklang. Das gilt es zu ändern. Jetzt nicht für mich, aber wie unser aller Lieblingsteamstürmer Stefan Maierhofer bereits legendär verlautbaren ließ, eben für Österreich. Gut, dass sich einer für den Job beworben hat!

 

Jimi D. nennt sich der Bursche, der von Graz aus die Sonne scheinen lässt. Aus dem Reggae kommend, treffen sich auf dem 'echten' LP-Debüt Einflüsse aus allen Ecken, um für die World Music ein vereintes 'Hurra!' erklingen zu lassen. Was in diesem Fall bedeutet, dass lockerer Folk mit R'n'B, Ska, Rock und den ungeahnten Weiten Afrikas zu einem bunten Allerlei fusioniert. Ein äußerst lohnendes Spektakel, das bei genauerem Hinhören aber alles, nur nicht spektakulär daherkommen will. Viel mehr ist "Fisherman's Son" eine Entspannungsübung, die sich zwischen zurückgelehnten Folk-Tracks und den Ambient-Künstlern entliehenen Soundlandschaften entfaltet. Irgendwo mittendrin wird dann auch mal losgelegt, wenn Voice In A Soundwave mit vor sich hin schwimmender, hoher Stimme und den hypnotischen Drums einsetzt. Die spärlichen Tonspuren der Gitarre und der nur stellenweise zu hörende elektronische Beat halten das längliche Intro da nicht nur davon fern, im Halbschlaf zu versinken, stattdessen ergeben sich die ersten relaxten Erfolgsminuten.

 

Offensichtlich ein treffendes Stimmungsbarometer, denn der Grazer baut nicht auf textliche Finessen, sondern auf seine ruhigen Arrangements, seinen markanten Gesang und die dadurch entstehende Atmosphäre. So wird Where Is Love zur beschwingten Akustik-Lagerfeuernummer, Soulfire findet mit seiner Reggae-Rhythm Section und den spannungsfreien Saiten-Akkorden auf die Siegerstraße und How I Wish darf sich dank des Gastspiels von Kim Cooper - no idea, who that is! - gar als Symbiose von R'n'B und Reggae feiern lassen, besticht durch seine starke gesangliche Leistung und die unverändert zwanglosen Rhythmen. Da verwundert es auch kaum, dass sich viele der gewinnendsten Minuten in diesen Sphären niederlassen. Hide My Heart Away schielt beispielsweise mit seinem old-school Keyboard-Sound und dem sprunghaften Bass in Richtung der ehemaligen musikalischen Heimat, ist eines der offensichtlichsten Bekenntnisse zum Reggae und präsentiert, nicht zum ersten Mal, die Vielseitigkeit der auf den ersten Blick unterwältigenden Stimmgewalt. Keine fünf Oktaven hört man, das ist gewiss, doch ein Talent für die verschiedensten Stimmlagen steckt ganz eindeutig in Jimi D. Auch deswegen gelingt der Blues-angehauchte Sehnsuchtssong I Wonder mit seinem dezent sphärischen Sound genauso stark. Die wirkliche Perle findet sich anderswo, in Form des fast schon zu kurzen Feel That Rain. Kaum besser könnte man rückwärtsgewandte Melancholie und doch noch erhaltenen Lebensmut besser vereinen als in diesem von dynamischem Keyboard und Bass geleiteten Track. Unerwartete Emotion macht sich breit.

 

Die gibt's schon auch anderswo, da ist es aber ab und an doch eher fragende Verwunderung ob der gefällten Entscheidungen. Warum den starken Anti-Kriegs-Track This Ain't A Robot War mit der markanten Bassline durch eine unbrauchbare Computerstimme behindern? Warum dem lockeren Akustik-Humor von Buy Some Love rund um die allseits beliebten Materialismus-Wappler unbedingt gegen Ende die deutsche Sprache aufzwingen? Fragen, die die wenigen Durchschnittsnummern, wie wohl auch das fast schon überladene Hungry Eyes eine ist, begleiten. Bei 16 Tracks verzeiht man die kurzen Ausbrüche aus der sonst so konstanten Qualität aber auch leichter. Lediglich der witzlos schwierige Witztrack Kleiner Grüner Mann macht es einem dann für drei Minuten wirklich unmöglich, ein Auge zuzudrücken, sie verharren dagegen fast schon in Schockstarre.

 

Die löst sich. Weil man sich an die anderen guten musikalischen Ausreißer, wie etwa J.I.M.I.D. oder Mary Jane, erinnert. Dort wird dann auch das hohe Tempo allzu richtig zelebriert, egal ob das durch unablässigen Percussion-Antrieb und Pseudo-Rap gestärkt wird oder dank einer Annäherung an das Dancehall-Genre mit seinen unaufdringlichen Elektronikwaffen passiert. Und weil man sich dann wieder zum Abschluss der ultimativen Entspannung in Form des großartig instrumentierten Closers Out-Row hingeben darf, bleibt für große Kritik ohnehin kein Platz mehr. Kurz und prägnant schafft das Instrumental das, was so wenige andere dieser Spezies schaffen: Es überlebt in voller Blüte.

 

Und somit gibt es für positive Vibes auch ebenso positives Feedback. Ganz egal, ob Christopher Beer - ja, er hat auch einen normalen Namen - den Welthunger anprangert, sehnsüchtig an seine große Liebe denkt oder doch nur die Vergangenheit wiederhaben will, bei allem scheint doch ordentlich Freude an der Musik durch. Andernorts, nämlich beim Johnson Jack, wird sowas schon mal zur Qual, hier ist dank einer im Vergleich schon fast astronomisch großen Bandbreite aber vor allem von Langeweile keine Rede. Stattdessen gibt's die vereinten Kräfte von Jamaika und Graz mit ein bisserl vom Rest der Welt drübergestreut. Allen voran bleibt es aber wohl einfach die verdammt starke Arbeit eines Typen, der sich eben Jimi D. nennen will. Uns soll's recht sein. Und keine Sorge liebe Österreicher, wird schon wieder was zum Granteln geben beim nächsten Mal!

 


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