Beyoncé - 4

4

 

Beyoncé

Veröffentlichungsdatum: 24.06.2011

 

Rating: 7 / 10

von Mathias Haden, 15.03.2015


Starkes Übergangsalbum, das den Sprung zur kunstvollen Ästhetik noch nicht ganz packt.

 

Kunst und Kommerz gehen nur selten Hand in Hand. Der Weg eines Popstars muss nicht immer irgendwann über die Frage hinausführen, ob man nicht mal etwas künstlerisch Wertvolles machen möchte und auf die eine oder andere Million verzichten könnte. Klar sitzen da die Produzenten im Nacken, alle Jahre wieder bekommen ihre Schützlinge aber das nötige Vertrauen. Beyoncé Knowles sorgte für bezeichnendes Aufsehen, als sie verkündete, sie wolle ihr Augenmerk vermehrt auf kunstvoll ästhetische Aspekte richten und eine Trendwende vom bisherigen, eher kommerziell orientierten Sound bewirken. Noble Worte, hätte man sie allerdings nicht schon zu oft gehört. Großen Versprechen millionenschwerer Hitmaschinen folgten letztlich immer wieder Sicherheitsvarianten, man will ja schließlich auch noch etwas (vom smaragdüberzogenen Platingeschirr) essen können. Beyoncé ist allerdings anders. War sie immer schon, als Prunkstück von Destiny’s Child genauso wie als ambitionierte Solokünstlerin mit einzigartiger, kraftvoll voluminöser Stimme.

 

Diese setzt sie auf dem passend knapp als 4 betitelten, vierten Studioalbum endlich mit jener Hingabe ein, die man ihr schon lange zugetraut, aber zumindest auf Albumlänge nie serviert bekam. Als perfektes Exempel eignet sich dafür bereits der Opener 1+1. Auf diesem spärlich instrumentierten Schmuckstück kommt ihre ausdrucksstarke, soulige Stimme perfekt zur Geltung, lässt das Drumherum ganz schnell vergessen. Und obwohl der Text der musikalischen Darbietung nur hinterherhechelt, kann man 'Queen Bee' zu dieser klassischen R&B-Ballade nur gratulieren - und das trotz der Classic-Rock-Gitarreneinlage zwischendrin. Applaudieren darf man auch der schönen Single Best Thing I Never Had. Diese wäre zwar auch auf den vorangegangen Alben der Chanteuse nicht aufgefallen, doch überzeugt die von einer schönen Klaviermelodie getragene Midtempo-Ballade, die sich mit jeder Sekunde steigert, mit seiner hübschen Produktion und der wiederum starken gesanglichen Performance der Protagonistin.

Die meiste Zeit der LP behält Beyoncé dieses Tempo, setzt vorwiegend auf gefühlvolle Balladen mit Spielraum zur Temposteigerung. I Care mausert sich mit seinem angenehmen Drum-Sound und der vergleichsweise unheilvollen Atmosphäre schnell zur Perle, über seine textlichen Schwächen täuschen aber auch hier weder diese, noch Yoncé‘s souveräne Darbietung hinweg. In selbige Kerbe schlagen dann auch weitere Titel wie das emotionale I Miss You oder das kraftvoll vorgetragene Start Over, das ruhig beginnt und sich schließlich ganz seiner gefühlsbetonten Dramatik hingibt - zudem ein paar sehr schöne Zeilen bereithält:

 

"Maybe we reached the mountain peak, and there's no more left to climb,

And maybe we lost that magic piece, and we're both too blind to find..."

 

Dazwischen hat die breite Produzentenarmada ein Einsehen, lässt das Album nicht in balladesker Einförmigkeit versinken und platziert immer wieder angenehme Ausreißer. Das von Skandalnudel Kanye West mitgeschriebene und -produzierte, mit Outkast-Hälfte André 3000 den einzigen Gastauftritt verzeichnende Party könnte ob der prominenten Verstärkung freilich besser sein und wird den einen oder anderen Freund der gefühlvollen Stimmung vor den Kopf stoßen, mit seinem lockeren 80er-Flair, der sich aus funkelnden Keyboards und smoothen Drumbeats ergibt, und seinen Elementen aus Soul und Funk macht diese Nummer aber einiges her. Ach und wer es noch nicht herausgelesen haben sollte - Beyoncé ist stimmlich wirklich auf der Höhe auf ihrem vierten Album!

Wirklich stark werden die weniger ruhigen Momente erst, wenn Countdown durch die Boxen dröhnt. Dieser Track macht produktionstechnisch unglaublich viel richtig, überzeugt mit seinen verschiedenen Einflüssen aus World Music und Hip-Hop und fließt trotz seiner Tempowechsel sehr harmonisch dahin. Das merkwürdigste Kleinod bildet sicherlich Closer Run The World (Girls). Diese noble, aber etwas misslungene Bemühung, die Frauen zur verstärkten Aktivität aufzurufen, wird mit seinem treibenden Beat, den afrikanischen Percussions und den schwierigen Samples zum unpassenden Partykracher. Dazwischen noch ein paar unmotivierte Synthiespritzer, schon hat man den Hit. Oder auch nicht - wie die mageren Chartplatzierungen belegen.

 

Hier liegt sicher nicht das einzige Problem begraben, das 4 von einem wirklich großen Album trennt. Die Texte sind selten wirklich schlecht, können aber noch seltener auf Basis der Nachhaltigkeit richtig überzeugen. Die eine oder andere Ballade verliert sich nach starkem Beginn in einer faden Klangsuppe; Beyoncé singt erstmals durchgehend stark, auch wenn sie immer wieder zu viel will und das Glück mit gepressten Gesang etwas überstrapaziert. Auch kann sie ihre Ankündigungen vom kunstfokussierten Weg nicht immer ganz bestätigen, schielen einige Nummern doch kaum überraschend immer wieder nach Radio-Airplay.

Dennoch kommt man nicht herum, das vierte Album der US-Amerikanerin als ihr bis zu diesem Zeitpunkt bestes zu bezeichnen. Die knapp 46 Minuten fließen dahin, langweilen trotz wiederkehrender Schwächen nicht und zeigen eine Sängerin, die gewillt scheint, mit ihrer Stimme einiges zu verändern. Den ersten Schritt macht sie hier, auf diesem Übergangsalbum zu einem großartigen Nachfolger. Und das, obwohl nicht jede Aussage immer glücklich gewählt scheint: "I don't know much about algebra, but I know 1 + 1 = 2"

 

Anspiel-Tipps:

- 1+1

- Best Thing I Never Had

- Countdown


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