Imagine Dragons - Evolve

 

Origins

 

Imagine Dragons

Veröffentlichungsdatum: 09.11.2018

 

Rating: 3.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 02.03.2019


Same procedure as every album: Die toteste Form des Rock, die man sich vorstellen kann.

 

Es ist verdammt unnötig, weil ausgesprochen redundant, darüber zu referieren, was für ein negatives Indiz bezüglich der Qualität charttoppender Musik es sein dürfte, dass die Imagine Dragons weltweit von den ersten Plätzen der Hitparaden herunterlachen. Vielleicht kann man das abkürzen und schlicht und einfach feststellen, dass die in meinen Augen produktivste Aufgabe, die Dan Reynolds und seine Leute erfüllen, die ist, dass sich die Band verdammt gut als Watschenbaum dieser Website eignet. Dabei ist auch die Beständigkeit eine sehr positive Nebenerscheinung. Man weiß einfach, wenn ein neues Album der US-Amerikaner herauskommt, dass es nichts Gutes sein wird. Das schafft Sicherheit, bewahrt einen vor der unangenehmen Überraschung, die eine gute LP bedeuten könnte. Ein Glück, dass "Origins" nicht lange versucht, etwas in dieser oder einer ähnlichen Art zu sein.

 

Allerdings verbindet sich das mit einer im Pop zwar herkömmlichen, für das Albumformat allerdings äußerst ungesunden Angewohnheit. Die Imagine Dragons können nämlich durchaus gute Songs zusammenschustern, aber anscheinend mittlerweile fast nur mehr, wenn diese am Anfang ihrer Alben stehen. Insofern ist Natural nicht nur eine treffsicher ausgewählte Leadsingle, sondern auch ein starker erster Eindruck. Gleich vorweg sei darauf hingewiesen, dass man sich für solch einen Befund schon damit abfinden muss, dass einen hier die Sterilität und die Überproduktion anspringen. Warum auch immer, die Band klingt auch auf ihrer vierten LP latent anorganisch, als würde ein Computerprogramm die Songs schreiben und arrangieren. Entsprechend viel wird im Studio mit Soundeffekten herumhantiert, um die Gitarren und Drums ordentlich nachhallen und andrücken zu lassen, um das Ganze mit einem musikalischen Vakuum zu unterbrechen, in dem plötzlich nur noch geschliffene Zupfer existieren, um die knöcherne Elektronik angriffig wirken zu lassen. Ideal ist das zwar nicht, nachdem das Musikbusiness aber keine Wunschkonzert ist und man sich durchaus mit dem überfrachteten, dynamischen Arrangement arrangieren kann, sei Natural der Platz an der Sonne vergönnt.

 

Um vielleicht kurz abzuhandeln, was sich noch so an positiven Eindrücken destillieren lässt, könnte man zusammenfassend sagen, dass hier durchaus alles, was nicht Ballade ist, funktionieren kann. Nicht muss, aber das wäre auch schon viel verlangt. So oder so, wann immer "Origins" lebt, lebt es vom Tempo, von den noch irgendwie erkennbaren Spuren einer Vergangenheit als Rockband, auch von der sporadisch aufkommenden Dynamik, die sich in diesen zwar oft vollgestopften, aber eben deswegen auch nicht allzu zähen Minuten ergibt. Machine ist dahingehend zwar ein schlechtes Beispiel, weil dieses kantige, dahinstampfende Trumm melodisch weniger reichhaltig ist. Andererseits funktioniert zumindest das röhrende Klanggemisch im Refrain, das mit den kratzigen Gitarrenriffs und dem voluminösen Getrommel für ein bisschen Lärm sorgt, ziemlich ordentlich. Was sich sonst in Maßen lohnt, ist etwas lockerer, klingt im günstigsten Fall wie West Coast und damit eine Mischung aus Mumford & Sons und den größten Hits von Avicii. Das bedeutet Liedgut in der Richtung aufgeblasenen Folk-Pops, von der ersten Sekunde an geprägt von geschliffenen Gitarrenzupfern, sphärischem Background-Summen, vor allem aber einen voluminösen Stadion-Refrain, in dem eigentlich die Drums die erste Geige spielen. So billig und altbekannt es ist, so erfrischend und locker klingt es inmitten der überbordenden Melodramatik der Band.

 

Nach dem passablen Pop-Rock von Zero ist es dann aber schon vorbei mit den positiven Eindruck. Alles, wirklich alles, was man sonst zu hören bekommt, ist ein vor Schmalz und Pathos triefender Haufen Langeweile, der sich nirgendwo hin bewegt, meist in einem großspurigen, aber beeindruckend antiklimaktischen Refrain mündet und damit so wenig an Anziehungskraft generiert wie eine graue Betonwand. Es bringt da auch nur sehr bedingt etwas, auf einzelne Songs zu verweisen, weil die Bauart einfach fast immer die gleiche ist. Da schleppt sich eine semi-synthetische Rhythm Section jämmerlich einschläfernd dahin, darüber breiten sich Keyboard-Akkorde oder anders geartete, jede Atmosphäre im Keim erstickende Elektronik aus. Das kann gar nichts, auch weil Dan Reynolds partout nicht dazu in der Lage ist, seinen schwülstigen Zeilen gesanglich irgendein Gewicht zu verleihen, was umso mehr dadurch deutlich wird, dass man einfach nicht aufhört, ihm mit Autotune und anderen Studioblödheiten unter die Arme greifen zu wollen.

Das treibt die Band ultimativ vom immerhin noch vertretbaren Boomerang über die faden Boyband-Imitationen von Cool Out und Bad Liar bis zu katastrophal dahinstolpernden Elektronik-Collage Bullet In A Gun. Die Frage, die sich einem dabei mehr als jede andere stellt, ist die vielleicht einzige relevante: Wer zur Hölle kann in diesen Liedern irgendeine Emotion aufspüren? Wer hört das und denkt sich, genau so fühl ich mich? Selten, wirklich verdammt selten trifft man auf Popsongs, die einerseits so komplett jeglicher Eingängigkeit und jedem melodischen Charme entgegenarbeiten, gleichzeitig aber meilenweit davon entfernt sind, einem authentische, nachvollziehbare Gefühle zu vermitteln. Die Musik der Imagine Dragons existiert diesbezüglich komplett losgelöst von den melodramatischen Zeilen, die Dan Reynolds so zu bieten hat. Nichts verbindet die klangliche Lethargie dieser Tracks mit den mal kitschig romantischen, dann wieder von Weltschmerz gezeichneten Texten, die man vorgesetzt bekommt. Wenig überraschend achtet man dann auch nicht auf letzteres, was aber realistischerweise kein Nachteil ist, in Anbetracht des bescheidenen Gehalts der meisten Lyrics.

 

Dementsprechend ist mir nicht ganz klar, was der Plan ist. "Origins" ist die meiste Zeit weder mit dem nötigen Popappeal gesegnet, um einen mit ein paar guten Melodien zu verfolgen, noch kann es mit Atmosphäre, Emotion oder erwähnenswerten Botschaften punkten. Was die Imagine Dragons stattdessen bieten, ist zum größten Teil eine leere Tracklist, Songs ohne Sinn, Zweck oder Wirkung abgesehen von der, dass man fragend und gelangweilt dasitzt und diese überdeutliche Hyperproduktion erdulden muss, mit der jegliche Natürlichkeit aus den Kompositionen herausgeprügelt wurde. Das ist... enttäuschend. Vielleicht auch ein bisschen jämmerlich, aber primär eher schade, weil die Band ja durchaus sehr ordentliche, unterhaltsame Musik bieten kann, es aber ohne Wenn und Aber nur ein oder zwei Mal pro Album tun will. Das scheint sich nicht zu ändern, eher wird diese Eigenschaft nur immer deutlicher und deutlicher, je länger man die Band verfolgt.

 

Anspiel-Tipps:

- Natural

- West Coast


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